geboren am 5. Juni 1936
unter Beschuss schwer verletzt am 10. November 1965
bei einem Sprung oder Sturz aus dem Haus Gartenstraße 85
an der Sektorengrenze zwischen Berlin-Mitte und Berlin-Wedding
am 11. November 1965 an den Folgen der Verletzungen gestorben
Heinz Cyrus bewegt sich in der Nähe des Nordbahnhofs kriechend auf die Sperranlagen zu. Ein Wachhund wittert den Flüchtling und schlägt an. Sofort meldet ein Grenzpostenpaar den Vorfall; Volkspolizisten werden hinzugezogen und riegeln das Hinterland ab. Als der Flüchtende sich – angeblich auf Anruf – nicht stellen will, eröffnen die Grenzer von drei Seiten das Feuer.Berlin-Mitte, 10. November 1965, kurz vor 21.00 Uhr: Heinz Cyrus bewegt sich in der Nähe des Nordbahnhofs kriechend auf die Sperranlagen zu. Ein Wachhund wittert den Flüchtling und schlägt an. Sofort meldet ein Grenzpostenpaar den Vorfall; Volkspolizisten werden hinzugezogen und riegeln das Hinterland ab. Als der Flüchtende sich – angeblich auf Anruf – nicht stellen will, eröffnen die Grenzer von drei Seiten das Feuer. Aus dem Kugelhagel rettet sich der Gejagte unverletzt in das angrenzende Haus Gartenstraße 85. Seine Verfolger umstellen es und beginnen mit der Durchsuchung. Der junge Mann flieht von Etage zu Etage, seine Situation wird immer auswegloser. Schließlich klettert er in seiner Verzweiflung aus dem Flurfenster der 4. Etage, klammert sich an der Dachrinne fest und stürzt auf den Hof. Mit einem Schädelbasisbruch und zahlreichen Knochenbrüchen wird er gegen 21.30 Uhr ins Krankenhaus der Volkspolizei nach Berlin-Mitte gebracht. [1] Noch in derselben Nacht wird er dort notoperiert; in den Morgenstunden des folgenden Tages erliegt er seinen Verletzungen. [2]
Heinz Cyrus ist am 5. Juni 1936 als nichteheliches Kind einer Krankenschwester in Greifswald geboren und verbringt die ersten Jahre seines Lebens in einem Kinderheim. [3] 1943 nehmen ihn Pflegeeltern auf, und er wächst fortan in der kleinen Ortschaft Dreschvitz auf der Insel Rügen auf. Nach der Volksschule erlernt er den Beruf eines Melkers, den er anschließend auf verschiedenen volkseigenen Gütern auf Rügen ausübt. Aus der Ehe, die er 1954 schließt, gehen vier Kinder hervor. Ein Schulkamerad beschreibt Heinz Cyrus als einen von seinen Pflegeeltern wohl erzogenen, kräftigen Mann und tüchtigen Arbeiter, vielleicht auch ein »bißchen wild«. [4] Im Oktober 1956 muss er eine Gefängnisstrafe antreten, weil er Volkspolizisten verprügelt hat. Nach der vorzeitigen Entlassung aus einem Haftarbeitslager übernimmt er im April 1957 mit seiner Frau eine acht Hektar große Einzelbauernwirtschaft in Teschvitz. Zwei Jahre später tritt das Ehepaar der örtlichen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft »Neues Leben« bei. Heinz Cyrus wird auf Anhieb stellvertretender LPG-Vorsitzender und ist für den Rinderbestand verantwortlich. »Die Familie Cyrus war eine der ersten Familien, die Fernseher und Kühlschrank besaßen. Wir vier Kinder hatten schicke Kleidung und schönstes Spielzeug. Unser Vater fuhr Motorrad, spielte Fußball in Zingst«, erinnert sich seine älteste Tochter Monika an eine zunächst unbeschwerte Kindheit – die abrupt beendet wird. »1960 waren auf unserem Hof Männer in langen Mänteln und Lederjacken. Danach lebten wir Kinder bei den Großeltern und der Großtante.« [5]
Ins Visier der Staatssicherheit ist Heinz Cyrus geraten, als Spitzel im Oktober 1959 melden, er habe dem LPG-Vorsitzenden im Streit und unter Alkoholeinfluss gedroht: »Ihr Kommunisten-Schweine, die Zeit kommt auch mal, dann hängt Ihr an den Bäumen!« [6] Im März 1960 – zu einer Zeit der Verschärfung der Zwangskollektivierung und des »Klassenkampfs« in der Landwirtschaft [7] – wird er von der Stasi verhaftet; im Juni 1960 verurteilt ihn das Bezirksgericht Rostock in einem öffentlichen Prozess zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren wegen angeblicher »Schädlingstätigkeit«. Heinz Cyrus, der Rinderzüchter und Melker, wird in der Anklageschrift als Schwerverbrecher dargestellt: Er habe den Aufbau des Sozialismus auf dem Lande gestört und sich »durch seine Verbrechen auf die Seite der Kriegstreiber gestellt«. [8] Während des Jahres 1959, so wird ihm vorgeworfen, habe er die Rinder seiner LPG falsch gefüttert und unsachgemäß gepflegt, wodurch hoher Sachschaden entstanden sei. Außerdem habe er Futtermittel entwendet und eine »zügellose Hetze« gegen SED-Mitglieder betrieben. Im Prozess treten Frauen seines Dorfes auf und behaupten, er habe ihnen nachgestellt – was Heinz Cyrus ebenso energisch bestreitet wie die anderen Vorwürfe. Doch nicht weniger als zehn »Zeugen« und drei sogenannte Sachverständige belasten den Angeklagten; ob freiwillig oder unter Druck der Staatssicherheit, die die Ermittlungen führte und deren Ergebnis vorgab, muss offenbleiben. Mit seinem Argument, der Futterbestand der von ihm übernommenen Tiere sei von Beginn an mangelhaft und die Futtermittel seien zu knapp gewesen, bleibt Heinz Cyrus allein. Entlastungszeugen lässt die Regie des Schauprozesses nicht zu. Der Verteidiger von Heinz Cyrus wagt es am Ende der Gerichtsverhandlung nicht einmal, den offensichtlich völlig überzogenen Antrag des Staatsanwaltes auf eine siebenjährige Zuchthausstrafe zurückzuweisen, sondern bittet das Gericht dem Protokoll zufolge um eine »angemessene Strafe« für seinen Mandanten. [9] »Ich bin nicht als Feind der DDR aufgetreten und wollte diese nicht schädigen. Ich bitte um eine mildere Strafe«, muss Heinz Cyrus selbst als letztes Wort vortragen – vergebens. Der 24-jährige Familienvater wird im Sommer 1960 von der Rostocker Stasi-Untersuchungshaftanstalt ins Zuchthaus Torgau überstellt.
Ein Amnestieerlass des DDR-Staatsrates führt im September 1964 zu seiner vorzeitigen Entlassung. [10] Seine Ehe ist in der Zwischenzeit geschieden. Er nimmt eine Arbeit in einer Feldbaubrigade auf dem volkseigenen Gut Güttin (Rügen) auf. Im Juli 1965 verurteilt ihn das Kreisgericht Rügen wegen Körperverletzung zu sechs Monaten Gefängnis mit zweijähriger Bewährungsfrist. Anfang November 1965 ermittelt die Volkspolizei Rügen abermals gegen ihn, er wird eines Gewaltdeliktes verdächtigt – ob zu Recht oder unrecht, bleibt offen. Vermutlich entschließt er sich wegen einer drohenden neuerlichen Verhaftung zur Flucht nach West-Berlin. Vier seiner Geschwister wohnen in der Bundesrepublik. [11]
Fünf Tage nach seinem gescheiterten Fluchtversuch erscheinen Mitarbeiter der Staatssicherheit bei der Pflegemutter von Heinz Cyrus, um sie über dessen Tod zu unterrichten. Ihr Pflegesohn, erfahren sie dabei, habe sich am Abend des 9. November mit den Worten von ihr verabschiedet, dass er »einige Tage Urlaub genommen habe und ›verreisen‹ müßte«. Angaben über das Ziel seiner Reise habe er jedoch nicht gemacht. Aus ihren Fragen jedoch, »ob sich der Vorfall an der Staatsgrenze zugetragen hat und ob dabei geschossen worden ist«, schlussfolgern die Geheimpolizisten, dass sie über die Absichten von Heinz Cyrus informiert gewesen sein müsse. [12] Ihr wie auch später seiner geschiedenen Ehefrau gegenüber behauptet die Stasi gleichwohl, er hätte sich in Berlin-Mitte unter Alkoholeinfluss einer Personalausweiskontrolle entzogen, wäre dann in ein mehrstöckiges Haus geflohen und aus einem Fenster gesprungen. Auch dem Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei in Heinz Cyrus’ Rügener Heimatort Dreschvitz sowie dem stellvertretenden Leiter des volkseigenen Gutes Güttin wird der Fluchtversuch verheimlicht und diese Unfallversion vermittelt, »um eventuellen Gerüchten im Heimatort und auf der Arbeitsstelle vorzubeugen«, wie es im gleichen Stasi-Bericht heißt.
Im engsten Kreis wird Heinz Cyrus am 5. Januar 1966 auf dem evangelischen Friedhof in Samtens auf Rügen beigesetzt. [13] Die Kosten seiner Einäscherung begleicht die Stasi mit dem Geld, das sie dem Toten aus der Tasche gestohlen hat. [14] »Die Asche unseres Vaters«, berichtet seine Tochter Monika, »kam auf die Grabstelle von Hermann Pagels, seinem Pflegevater, Kirchgemeinde Samtens. Die Witwe Anna Pagels bekam nur die Armbanduhr mit kaputtem Glas von ihrem Pflegesohn Heinz.« Die Stasi habe gezielt Lügen über ihren Vater in Umlauf gebracht, um seinen Ruf über den Tod hinaus zu schädigen. [15]
Ende 1990 nimmt die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in diesem Fall auf. Schon 1965 hatte die West-Berliner Polizei von Amts wegen Strafanzeige gegen unbekannte Angehörige der Nationalen Volksarmee wegen Totschlagverdachts erstattet. Auf West-Berliner Seite waren Schüsse wahrgenommen worden. 1993 kommt die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass die Angehörigen der Grenztruppen »entsprechend ihren Dienstvorschriften« und somit »ohne Schuld« gehandelt hätten. Da den Beschuldigten ein Strafrechtsverstoß nicht offensichtlich gewesen sei und somit »zumindest in subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Ahndung der Tat« fehlten, [16] wird das Verfahren am 6. Oktober 1993 eingestellt. Die Hetzjagd auf Heinz Cyrus und sein Tod bleiben strafrechtlich ungesühnt.
Text: Martin Ahrends / Udo Baron / Hans-Hermann Hertle
Heinz Cyrus ist am 5. Juni 1936 als nichteheliches Kind einer Krankenschwester in Greifswald geboren und verbringt die ersten Jahre seines Lebens in einem Kinderheim. [3] 1943 nehmen ihn Pflegeeltern auf, und er wächst fortan in der kleinen Ortschaft Dreschvitz auf der Insel Rügen auf. Nach der Volksschule erlernt er den Beruf eines Melkers, den er anschließend auf verschiedenen volkseigenen Gütern auf Rügen ausübt. Aus der Ehe, die er 1954 schließt, gehen vier Kinder hervor. Ein Schulkamerad beschreibt Heinz Cyrus als einen von seinen Pflegeeltern wohl erzogenen, kräftigen Mann und tüchtigen Arbeiter, vielleicht auch ein »bißchen wild«. [4] Im Oktober 1956 muss er eine Gefängnisstrafe antreten, weil er Volkspolizisten verprügelt hat. Nach der vorzeitigen Entlassung aus einem Haftarbeitslager übernimmt er im April 1957 mit seiner Frau eine acht Hektar große Einzelbauernwirtschaft in Teschvitz. Zwei Jahre später tritt das Ehepaar der örtlichen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft »Neues Leben« bei. Heinz Cyrus wird auf Anhieb stellvertretender LPG-Vorsitzender und ist für den Rinderbestand verantwortlich. »Die Familie Cyrus war eine der ersten Familien, die Fernseher und Kühlschrank besaßen. Wir vier Kinder hatten schicke Kleidung und schönstes Spielzeug. Unser Vater fuhr Motorrad, spielte Fußball in Zingst«, erinnert sich seine älteste Tochter Monika an eine zunächst unbeschwerte Kindheit – die abrupt beendet wird. »1960 waren auf unserem Hof Männer in langen Mänteln und Lederjacken. Danach lebten wir Kinder bei den Großeltern und der Großtante.« [5]
Ins Visier der Staatssicherheit ist Heinz Cyrus geraten, als Spitzel im Oktober 1959 melden, er habe dem LPG-Vorsitzenden im Streit und unter Alkoholeinfluss gedroht: »Ihr Kommunisten-Schweine, die Zeit kommt auch mal, dann hängt Ihr an den Bäumen!« [6] Im März 1960 – zu einer Zeit der Verschärfung der Zwangskollektivierung und des »Klassenkampfs« in der Landwirtschaft [7] – wird er von der Stasi verhaftet; im Juni 1960 verurteilt ihn das Bezirksgericht Rostock in einem öffentlichen Prozess zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren wegen angeblicher »Schädlingstätigkeit«. Heinz Cyrus, der Rinderzüchter und Melker, wird in der Anklageschrift als Schwerverbrecher dargestellt: Er habe den Aufbau des Sozialismus auf dem Lande gestört und sich »durch seine Verbrechen auf die Seite der Kriegstreiber gestellt«. [8] Während des Jahres 1959, so wird ihm vorgeworfen, habe er die Rinder seiner LPG falsch gefüttert und unsachgemäß gepflegt, wodurch hoher Sachschaden entstanden sei. Außerdem habe er Futtermittel entwendet und eine »zügellose Hetze« gegen SED-Mitglieder betrieben. Im Prozess treten Frauen seines Dorfes auf und behaupten, er habe ihnen nachgestellt – was Heinz Cyrus ebenso energisch bestreitet wie die anderen Vorwürfe. Doch nicht weniger als zehn »Zeugen« und drei sogenannte Sachverständige belasten den Angeklagten; ob freiwillig oder unter Druck der Staatssicherheit, die die Ermittlungen führte und deren Ergebnis vorgab, muss offenbleiben. Mit seinem Argument, der Futterbestand der von ihm übernommenen Tiere sei von Beginn an mangelhaft und die Futtermittel seien zu knapp gewesen, bleibt Heinz Cyrus allein. Entlastungszeugen lässt die Regie des Schauprozesses nicht zu. Der Verteidiger von Heinz Cyrus wagt es am Ende der Gerichtsverhandlung nicht einmal, den offensichtlich völlig überzogenen Antrag des Staatsanwaltes auf eine siebenjährige Zuchthausstrafe zurückzuweisen, sondern bittet das Gericht dem Protokoll zufolge um eine »angemessene Strafe« für seinen Mandanten. [9] »Ich bin nicht als Feind der DDR aufgetreten und wollte diese nicht schädigen. Ich bitte um eine mildere Strafe«, muss Heinz Cyrus selbst als letztes Wort vortragen – vergebens. Der 24-jährige Familienvater wird im Sommer 1960 von der Rostocker Stasi-Untersuchungshaftanstalt ins Zuchthaus Torgau überstellt.
Ein Amnestieerlass des DDR-Staatsrates führt im September 1964 zu seiner vorzeitigen Entlassung. [10] Seine Ehe ist in der Zwischenzeit geschieden. Er nimmt eine Arbeit in einer Feldbaubrigade auf dem volkseigenen Gut Güttin (Rügen) auf. Im Juli 1965 verurteilt ihn das Kreisgericht Rügen wegen Körperverletzung zu sechs Monaten Gefängnis mit zweijähriger Bewährungsfrist. Anfang November 1965 ermittelt die Volkspolizei Rügen abermals gegen ihn, er wird eines Gewaltdeliktes verdächtigt – ob zu Recht oder unrecht, bleibt offen. Vermutlich entschließt er sich wegen einer drohenden neuerlichen Verhaftung zur Flucht nach West-Berlin. Vier seiner Geschwister wohnen in der Bundesrepublik. [11]
Fünf Tage nach seinem gescheiterten Fluchtversuch erscheinen Mitarbeiter der Staatssicherheit bei der Pflegemutter von Heinz Cyrus, um sie über dessen Tod zu unterrichten. Ihr Pflegesohn, erfahren sie dabei, habe sich am Abend des 9. November mit den Worten von ihr verabschiedet, dass er »einige Tage Urlaub genommen habe und ›verreisen‹ müßte«. Angaben über das Ziel seiner Reise habe er jedoch nicht gemacht. Aus ihren Fragen jedoch, »ob sich der Vorfall an der Staatsgrenze zugetragen hat und ob dabei geschossen worden ist«, schlussfolgern die Geheimpolizisten, dass sie über die Absichten von Heinz Cyrus informiert gewesen sein müsse. [12] Ihr wie auch später seiner geschiedenen Ehefrau gegenüber behauptet die Stasi gleichwohl, er hätte sich in Berlin-Mitte unter Alkoholeinfluss einer Personalausweiskontrolle entzogen, wäre dann in ein mehrstöckiges Haus geflohen und aus einem Fenster gesprungen. Auch dem Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei in Heinz Cyrus’ Rügener Heimatort Dreschvitz sowie dem stellvertretenden Leiter des volkseigenen Gutes Güttin wird der Fluchtversuch verheimlicht und diese Unfallversion vermittelt, »um eventuellen Gerüchten im Heimatort und auf der Arbeitsstelle vorzubeugen«, wie es im gleichen Stasi-Bericht heißt.
Im engsten Kreis wird Heinz Cyrus am 5. Januar 1966 auf dem evangelischen Friedhof in Samtens auf Rügen beigesetzt. [13] Die Kosten seiner Einäscherung begleicht die Stasi mit dem Geld, das sie dem Toten aus der Tasche gestohlen hat. [14] »Die Asche unseres Vaters«, berichtet seine Tochter Monika, »kam auf die Grabstelle von Hermann Pagels, seinem Pflegevater, Kirchgemeinde Samtens. Die Witwe Anna Pagels bekam nur die Armbanduhr mit kaputtem Glas von ihrem Pflegesohn Heinz.« Die Stasi habe gezielt Lügen über ihren Vater in Umlauf gebracht, um seinen Ruf über den Tod hinaus zu schädigen. [15]
Ende 1990 nimmt die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in diesem Fall auf. Schon 1965 hatte die West-Berliner Polizei von Amts wegen Strafanzeige gegen unbekannte Angehörige der Nationalen Volksarmee wegen Totschlagverdachts erstattet. Auf West-Berliner Seite waren Schüsse wahrgenommen worden. 1993 kommt die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass die Angehörigen der Grenztruppen »entsprechend ihren Dienstvorschriften« und somit »ohne Schuld« gehandelt hätten. Da den Beschuldigten ein Strafrechtsverstoß nicht offensichtlich gewesen sei und somit »zumindest in subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Ahndung der Tat« fehlten, [16] wird das Verfahren am 6. Oktober 1993 eingestellt. Die Hetzjagd auf Heinz Cyrus und sein Tod bleiben strafrechtlich ungesühnt.
Text: Martin Ahrends / Udo Baron / Hans-Hermann Hertle
[1]
Vgl. Bericht des MfS / HA I über die Festnahme eines Grenzverletzers vom 10.11.1965, in: BStU, MfS, AS 754 /70, Bd. 2, Nr. 8, Bl. 9– 11.
[2]
Vgl. Zwischenbericht der West-Berliner Polizei, 9.9.1991, in: StA Berlin, Az. 2 Js 85 / 90, Bd. 2, Bl. 9– 11.
[3]
Vgl. hierzu und zum Folgenden die Einlassungen von Heinz Cyrus zur Person (Protokoll der öffentlichen Sitzung des I. Strafsenats des BG Rostock, 28. Juni 1960, in: BStU, Ast. Rostock, AU 42 / 60, Bd. 2, Bl. 314–316).
[4]
Telefonat von Hans-Hermann Hertle mit H.D., 5.2.2009.
[5]
Schreiben von Monika Lebing an Hans-Hermann Hertle, 5.3.2015, Archiv der Gedenkstätte Berliner Mauer.
[6]
[MfS-]KD Rügen, Betr.: Einschätzung des LPG-Mitgliedes Heinz Cyrus, Teschvitz (Abschrift), Bergen, 23.10.1959, in: BStU, Ast. Rostock, AOP 110 / 60, Bl. 11.
[7]
Vgl. Jens Schöne, »Frühling auf dem Lande«. Die Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft, Berlin 2005.
[8]
Urteil des I. Strafsenats des Bezirksgerichts Rostock in der Strafsache gegen Heinz Cyrus (I Bs 63 / 60), 29.6.1960, in: BStU, Ast. Rostock, AU 42 / 60, Bd. 2, Bl. 394–408, Zitat Bl. 408.
[9]
Protokoll der öffentlichen Sitzung des I. Strafsenats des Bezirksgerichts Rostock, 28. Juni 1960, in: BStU, Ast. Rostock, AU 42 / 60, Bd. 2, Bl. 361.
[10]
Vgl. Ergänzungsbericht der VfS Groß-Berlin / Abt. IX zur Leichensache Heinz Cyrus, 16.11.1965, in: BStU, MfS, AS 754 /70, Bd. 2, Nr. 8, Bl. 56–61.
[11]
Vgl. Abschlußvermerk [der VfS Groß-Berlin / Abt. IX] über die Leichensache Cyrus, Heinz, vom 30.12.1965, in: BStU, MfS, AS 754 /70, Bd. 2, Nr. 8, Bl. 105– 106.
[12]
Vgl. Ergänzungsbericht der VfS Groß-Berlin / Abt. IX zur Leichensache Heinz Cyrus, 16. 11. 1965, in: BStU, MfS, AS 754 /70, Bd. 2, Nr. 8, Bl. 58–59.
[13]
Vgl. Schreiben von Pfarrer Christian Ohm, Evangelisches Pfarramt Altefähr, 26.1.2009.
[14]
Vgl. Abschlußvermerk [der VfS Groß-Berlin / Abt. IX] über die Leichensache Cyrus, Heinz, 30.12.1965, in: BStU, MfS, AS 754 /70, Bd. 2, Nr. 8, Bl. 105– 106.
[15]
Schreiben von Monika Lebing an Hans-Hermann Hertle, 5.3.2015, Archiv der Gedenkstätte Berliner Mauer.
[16]
Vermerk der Staatsanwaltschaft Berlin bei dem Kammergericht über die Einstellung des Verfahrens in der Strafsache gegen Unbekannt wegen Totschlags, 6.10.1993, in: StA Berlin, Az. 2 Js 85 / 90, Bd. 2, Bl. 163.