Zwischen Mauerbau und Mauerfall gelingt mindestens 5.075 DDR-Bürgern in und um Berlin auf zum Teil abenteuerlichen Wegen und unter Lebensgefahr die Flucht durch die Sperranlagen in den Westteil der Stadt. Die Anzahl der gescheiterten Fluchten ist bis heute nicht bekannt. Viele Flüchtlinge werden verletzt, manche schwer. Mehr als 130 Menschen werden allein in Berlin von Grenzsoldaten erschossen oder verunglücken tödlich.
In West-Berlin bilden sich nach dem Bau der Sperranlagen zahlreiche Fluchthelfergruppen. Häufig sind es ehemalige Flüchtlinge, die ihre Familienangehörigen, Freunde und Bekannte in den Westen nachholen wollen. Anfangs stammen die meisten Fluchthelfer aus dem Umfeld der West-Berliner Universitäten. Für Kommilitonen, die durch den Mauerbau von ihren Studienplätzen im Westen abgeschnitten sind, suchen sie undichte Stellen in den Sperranlagen und Wege durch die unterirdische Kanalisation, spüren Lücken im Kontrollsystem der Grenzübergänge auf, fälschen Pässe, bauen Verstecke in Fahrzeugen und graben Tunnel unter der Sektorengrenze.
Der Ausbau der Sperranlagen und des Kontrollsystems an den Übergängen erzwingt die ständige Entwicklung neuer und immer aufwendigerer Fluchtwege. Und mit dem Aufwand steigen die Kosten. Schon 1962/63 werden Fluchtwilligen nicht selten zwischen drei- und fünftausend D-Mark in Rechnung gestellt.
Zunächst finden Fluchthilfeaktionen in der West-Berliner Bevölkerung begeisterte Zustimmung. Politiker, aber auch Geheimdienste und Polizei, unterstützen sie anfangs. Doch mit Beginn der Entspannungspolitik setzt ein Wandel ein: die Politik geht auf Distanz und betrachtet Fluchthilfe zunehmend als Störfaktor für das Verhandlungsklima zwischen Ost und West.
Seit Mitte der 1960er-Jahre professionalisiert sich die Fluchthilfe immer mehr. Sie wird auf die Grenzen mittelosteuropäischer Länder zum Westen erweitert. Dann erfährt sie 1972 durch das Transitabkommen zwischen der DDR und der Bundesrepublik vorübergehend neuen Aufschwung. Die stärkere Genehmigung von Ausreisen durch die DDR-Behörden seit 1984 und die sich anschließende Ausreisebewegung entziehen der Fluchthilfe weitgehend die Grundlage.
Mehreren tausend Menschen haben Fluchthelfer bis dahin zur Freiheit verholfen. Die Staatssicherheit versucht, durch die immer lückenlosere Überwachung der Transitstrecken, die Einschleusung von Spitzeln und durch Mordanschläge auf Fluchthelfer die Fluchtaktionen zu unterbinden. Viele, die verraten werden und in die Fänge der Staatssicherheit geraten – Fluchtwillige und Fluchthelfer – zahlen einen hohen Preis: zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, bleibt ihnen im Gefängnis nur die Hoffnung, von der Bundesregierung freigekauft zu werden.