Todesopfer > Schwietzer, Dietmar

MfS-Bericht an Minister Erich Mielke über den Fluchtversuch und die Erschießung von Dietmar Schwietzer

16. Februar 1977

Bericht

zum Stand der Untersuchungen des versuchten Grenzdurchbruchs mit tödlichem Ausgang am 16.2.1977 im Bereich Schönewalde, Kreis Nauen, Berliner Allee

Am Mittwoch, dem 16.2.1977, gegen 07.10 Uhr, versuchte der
    SCHWIETZER, Dietmar
    geb. am 21.2.1958 in Magdeburg
    wohnhaft gewesen: Magdeburg, (...)
    Beruf: Facharbeiter für Nachrichtentechnik – Spezialausbildung drahtgebundene Fernmeldeverbindungen – seit 15.2.1977
    ledig
    parteilos
    Amateurfunker
    von der Abteilung XVIII der BVfS Magdeburg zur Einstellung im Wachregiment des MfS vorgeschlagen, die Einstellung sollte am 1.4.1977 erfolgen,
die Grenzsicherungsanlagen der DDR zu Westberlin im Grenzabschnitt des Grenzregimentes 38 bei Schönwalde, Kreis Nauen, zu durchbrechen.

Nach Auslösung der Signalanlage durch den Grenzverletzer erfolgte vom Postenturm 02 des Grenzregimentes 38 ein Warnschuß. Daraufhin bewegte sich der Grenzverletzer beschleunigt auf die in 30 Meter Entfernung befindliche Sperrmauer zu. Da keine anderen Möglichkeiten zur Verhinderung des Grenzdurchbruchs gegeben waren, wurden von dem Postenpaar (...)/(...) und von dem Postenpaar (...)/(...) des Postenturms 54 des angrenzenden Grenzregimentes 34 gezielte Feuerstöße von insgesamt 91 Schuß abgegeben, in deren Folge der Grenzverletzer tödlich verletzt wurde.

Die unverzügliche Bergung und Überführung des SCHWIETZER durch die Grenzsicherungskräfte der DDR zum Militärlazarett Drewitz war 07.30 Uhr abgeschlossen.

Der Grenzverletzer SCHWIETZER hatte u.a. folgende Dokumente und Wertsachen bei sich:
    1. PA Nr. VII 1282620

    2. Dienstauftrag der Deutschen Post Nr. 26, ausgestellt am 7.1.1977

    3. Betriebsausweis der Deutschen Post Magdeburg Nr. 249049

    4. Fahrerlaubnis mit Berechtigungsschein, Versicherungskarte

    5. Abschlußbeurteilung DP, Betriebsschule Magdeburg

    6. Zulassungsschein MZ

    7. Abschlußzeugnis 10. Klasse

    8. Geburtsurkunde

    9. Facharbeiterzeugnis

    10. Amateurfunkgenehmigung Nr. 47/178/75

    11. 665,68 Mark Bargeld

    12. 110,05 Mark Bargeld (BRD-Währung)

    13. Fernglas Nr. 43822871 8x30
Am 16.2.1977, gegen 19.00 Uhr wurden am Forsthaus Bötzower Weg, in der Ortslage Schönwalde, sein Motorrad vom Typ ES, polizeiliches Kennzeichen HE 39-79, eine Jacke, ein Schal, ein Sturzhelm, ein Fernglasetui und sein DSF-Ausweis aufgefunden.

Nach Feststellung des SR III der BVfS Potsdam liegen keinerlei Hinweise auf Bekanntwerden des Vorkommnisses auf Westberliner Seite vor.

Im Ergebnis der bisherigen Ermittlungen der BVfS Magdeburg im Bereich Amateurfunk der GST im Bereich der Lehrausbildung beim Fernmeldeamt der Deutschen Post in Magdeburg sowie anläßlich der Lehrabschlußfeier am 15.2.1977 konnten keine Anhaltspunkte für den versuchten Grenzdurchbruch des SCHWIETZER erarbeitet werden. Ermittelt wurde, daß SCHWIETZER am 3.1.1974 eine einmalige Amateurfunkverbindung nach der BRD mit dem
    (...)
    wohnhaft: Essen
    Beruf: Ingenieur,
aufgenommen hat.

Aus den von der Abteilung XVIII der BVfS Magdeburg erarbeiteten Kaderunterlagen zum Einstellungsvorschlag des SCHWIETZER als Soldat auf Zeit in das MfS - Wachregiment "F.E. Dzierzynski" Berlin – geht hervor, daß es sich bei SCHWIETZER um eine Person mit positiver Entwicklung handelt, was besonders durch seine aktive Mitarbeit in der GST-Funkausbildung zum Ausdruck kam.

Die Eltern des Grenzverletzers
    (...)
    geb. am (...)
    wohnhaft: Magdeburg, (...)
    Disponent im VEB (...) Magdeburg
    operativ nicht erfaßt
und
    (...)
    geb. am (...)
    wohnhaft wie Ehemannv Ausgeberin im VEB (...) Magdeburg
    operativ nicht erfaßt,
sind parteilos, werden aber als klassenverbundene Bürger unseres Staates eingeschätzt.

Die Großeltern des SCHWIETZER, Dietmar, mütterlicherseits,
    (...)
    wohnhaft: (...)
sind Anfang 1945 in das Gebiet der heutigen BRD evakuiert worden und seitdem dort wohnhaft. Besuchreisen der Großeltern zu den Eltern des Grenzverletzers erfolgten von 1958 bis 1976 insgesamt 5 Mal. Die Mutter des SCHWIETZER besuchte die Großeltern 1961 und 1973 je einmal und unterhält zu den Genannten postalische Verbindung.

Hinweise zur Motivation des versuchten Grenzdurchbruchs konnten bisher noch nicht erarbeitet werden.

Zur weiteren Untersuchung und Aufklärung des versuchten Grenzdurchbruchs wird vorgeschlagen, folgende Maßnahmen im Zusammenwirken mit der BVfS Potsdam und der BVfS Magdeburg durchzuführen:
    1. Benachrichtigung und Befragung der Eltern des SCHWIETZER Dietmar, durch den Staatsanwalt des Bezirkes und der BVfS Magdeburg

    2. Weitere Ermittlungen zur Motivation des versuchten Grenzdurchbruchs

    3. Einleitung eventuell erforderlicher operativer Absicherungsmaßnahmen zu den an der Verhinderung des Grenzdurchbruchs beteiligten Postenpaaren durch die Hauptabteilung I

    4. Durch die BVfS Magdeburg sind erforderliche operative Kontrollmaßnahmen über Reaktionen der Eltern einzuleiten und die Beisetzung des SCHWIETZER operativ abzusichern.

    5. Durchführung der vom Bezirksstaatsanwalt Potsdam angeordneten gerichtlichen Sektion am 17.2.1977 in der Abteilung für Gerichtliche Medizin des Zentralen Armeelazaretts Bad Saarow.
Müller Hauptmann

[...]

Quelle: BStU, MfS, AS 420/80, Bd. 1, Bl. 273-277
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