Manfred Weylandt: MfS-Bericht über den Fluchtversuch und die Erschießung eines Unbekannten
15. Februar 1972
[...]Bericht Delikt: Verhinderter Grenzdurchbruch DDR - West mit Anwendung der Schußwaffe ( LMN 711 )
Tatort: Berlin-Friedrichshain, Spree - Höhe Filter- und Vergaserwerke am Stralauer Platz
35. Grenzregiment, Bootskompanie
Tatzeit:
14.2.1972
23.30 Uhr
Methode:
Der Grenzverletzer versuchte in Richtung Westberlin schwimmend die Spree zu überwinden
Tatmittel:-- keine
Ursache:
nicht bekannt
Täter:
nicht bekannt
Bemerkungen:
Das Delikt wurde durch die Einheit bekannt Sachstand:
Die Sicherung des Wasserabschnittes der Staatsgrenze nach Westberlin erfolgt auf Grund des Treibeises gegenwärtig vorwiegend durch Landposten. ( nur zwei Grenzboote sind im Einsatz )
Durch die auf Höhe der Position Schillingbrücke ( Filter- und Vergaserwerke ) eingesetzte Grenzstreife wurden gegen 23.30 Uhr verdächtige Geräusche im Wasser der Spree festgestellt. Die Grenzstreife begab sich sofort an diese Stelle und erkannte ca. 30 m vom eigenen Ufer entfernt eine Person, die in Richtung Westberlin schwamm.
Nach Angaben der Streife soll es sich um eine männliche Person gehandelt haben.
Die erkannte Person wurde durch den Postenführer angerufen und zur Rückkehr aufgefordert.
Der Grenzverletzer drehte sich daraufhin zu unserer Grenzstreife um und schwamm dann sofort weiter in Richtung Westberlin.
Zur Verhinderung eines Grenzdurchbruches war die Anwendung der Schußwaffe notwendig.
Der Postenführer gab einen Warnfeuerstoß ( zwei Schuß ) ab. Als der Grenzverletzer auch darauf nicht reagierte wurde gezieltes Feuer eröffnet.
Es wurden insgesamt zehn Schuß abgegeben. ( sechs Schuß durch den Streifenführer und vier Schuß durch den Streifenposten )
Der Grenzverletzer wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit getroffen und ging in der Spree unter. Maßnahmen der Suche verliefen bisher ergebnislos.
Der Ort des Unterganges des Grenzverletzers liegt nahe der Fahrtrinne und es muß damit gerechnet werden, daß er durch die Strömung in Richtung eigenes Hinterland abtreibt.
Die Grenzstreife bestand aus
-
Postenführer
Maat W(...), Karl-Heinz
geb. am (...)
NVA seit II/70
org. FDJ
Posten
Mtr. K(...), Hans-Günter
geb. am (...)
NVA seit I/71
org. FDJ
Die abgegebenen Schüsse gingen allesamt in die Spree. Westberliner Territorium wurde nicht beschossen.
Während der Handlung und danach wurden auf Westberliner Gebiet keine Personen oder andere verdächtige Handlungen festgestellt.
Bei der Durchsuchung des Handlungsraumes wurde eine dreckige Jacke und ein Schal sichergestellt, die den Grenzverletzer gehören könnten.
In den Jackentaschen befanden sich zwei Schachteln Zigaretten ( Real ) und zwei Schachteln Streichhölzer. Irgendwelche Hinweise, die auf die Person schließen lassen wurden nicht festgestellt.
Der vermutliche Anmarschweg des Grenzverletzers erfolgte vom Vorplatz des Ostbahnhofes über den Hof der Filter- und Vergaserwerke. ( Betriebsangehöriger möglich )
Nach Überwinden der hinteren Betriebsmauer wurde unsere Hundelaufanlage überquert ohne daß der eingesetzte Wachhund anschlug, was unseren Grenzposten ein rechtzeitiges Erkennen des Grenzverletzers erschwerte.
Danach legte die Person vermutlich die Jacke ab und stieg in die Spree.
Maßnahmen:__ - OvD GKM-Abwehr wurde verständigt
- Koordinierung bei der Untersuchung des verhinderten Grenzdurchbruches mit den Gen. K(...) (KD Friedrichshain) sowie der NVA
- Durchführung eines Kurztreffs mit dem IMS " Helmut " zur Überprüfung des Sachverhaltes des verhinderten Grenzdurchbruches
- Organisation einer ständigen Beobachtung des Handlungsabschnittes durch Kräfte des Aufklärungszuges bis auf Abruf sowie Einsatz eines Kontrollbootes in diesem Abschnitt nach Absprache mit der NVA
- Nach Bestätigung durch den Kdr. des GKM erfolgt der Einsatz der Tauchergruppe des GKM im Handlungsraum
- Inoffizielle Überprüfung ob der Wachhundeinsatz nicht über die Zeitnorm erfolgte bzw. die Fütterung unterlassen wurde und der Hund überhaupt einsatzbereit war
- Oltn. -
Quelle: BStU, MfS, AS 754/70, Bd. 16, Nr. 1, Bl. 2-4