Bericht der DDR-Grenztruppen über den Fluchtversuch von Horst Kullack
1. Januar 1972
[...]Betr.: Bericht über Anwendung der Schußwaffe bei Verhinderung eines Grenzdurchbruches am 31.12.71, 22.30 Uhr im Abschnitt Lichtenrader Straße (Planquadrat 0892/3c)
Zur Untersuchung dieser Vorkommnisses wurden durch den Kdr./GR-42 folgende Offiziere befohlen:
Major (...) Oberoffiz. op. Grenzaufklärung
Major (...) Offizier für Munition
Oberleutnant (...) Kompaniechef der Grenzsicherung (Stellv. f. polit. Arb. d. 2. GK)
Sachverhalt:
Am 31.12.1971, in der Zeit von 22.00 – 06.00 Uhr waren zur Sicherung der Staatsgrenze auf dem B-Turm Lichtenrader Straße eingesetzt:
1. Postenführer:
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Gefr. (...)
2./GR-42
organisiert: FDJ
-
Sold. (...)
2./GR-42
organisiert FDJ
-
Offz. (...) 2./GR-42
Posten: Sold. (...) 2./GR-42
Der Gruppenführer befand sich zu diesem Zeitpunkt mit seinem Krad in der Nähe des Handlungsortes. Er bemerkte den Grenzverletzer an der Sperrmauer, befahl seinem Posten, mit dem Krad anzuhalten und die Sicherung zu übernehmen. Der Gruppenführer begab sich über den Kontrollstreifen zur Sperrmauer und führte sofort die Bergungshandlung bin in den Kfz.-Sperrgraben durch.
Auf Grund des vom Grenzposten Lichtenrader Straße geschossenen Signals begab sich die Alarmgruppe sofort zum Handlungsort, übernahm den Grenzverletzer in den Trabant und begab sich auf Befehl des Zugführers, Stfw. (...) aus dem Handlungsstreifen entlang der Lichtenrader Straße bis zur hinteren Begrenzung des Grenzgebietes.
An dieser Stelle traf der im Grenzabschnitt befindliche Kontrolloffizier, Major (...) mit der Alarmgruppe und dem verletzten Grenzverletzer zusammen, und erwies die erste Hilfe.
Bei der Organisierung der Ersten Hilfe wurden auf Grund des Personalausweises folgende Personalien ermittelt:
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Kullack, Horst
geb. 20.11.48 in Berlin
wohnhaft in Groß Ziethen
Die Dokumente und persönlichen Gegenstände des Grenzverletzers wurden im Krankenhaus dem Mitarbeiter der Kreisdienststelle MfS Königs Wusterhausen übergeben.
Untersuchungsergebnis:
Bei der Rückverfolgung der Spur des Grenzverletzers wurde folgendes festgestellt: Der Grenzverletzer hat sich entlang der Lichtenrader Straße bis ca. 150 m vom B-Turm des eingesetzten Grenzpostens entfernt begeben.
Unter Ausnutzung der an dieser Straße befindlichen Gehöfte bewegte sich der Grenzverletzer bis an den Hinterlandsicherungszaun, überstieg diesen, überquerte den Handlungsstreifen bis zur Sperrmauer, vermutlich in gebückter Haltung, in ca. 150 m bis 180 m vom eingesetzten Grenzposten entfernt.
Der vom Grenzverletzer gewählte Annäherungsweg läßt erkennen, daß er eindeutig den an der Lichtenrader Straße eingesetzten Grenzposten umgehen wollte.
Bei der Überprüfung des eingesetzten Grenzpostens wurde festgestellt, daß Postenführer und Posten je 2 Schuß in Feuerstößen auf den Grenzverletzer abgegeben haben. Dabei wurden in ca. 1 m Höhe an der Sperrmauer 3 Einschüsse ermittelt. Der Grenzverletzer wurde durch einen Schuß getroffen.
In der Zeit der geführten Handlungen bis zum Abtransport des Grenzverletzers aus dem Handlungsstreifen konnten auf Westberliner Seite keinerlei Handlungen des Gegners festgestellt werden, die darauf schließen ließen, das der versuchte Grenzdurchbruch bemerkt wurde.
Schlußfolgerungen:
Die eingesetzten Kräfte der Grenzsicherung handelten gegen den die örtlichen Gegebenheiten gut ausnutzenden Grenzverletzer entschlossen, mit zielsicherer Anwendung der Schußwaffe sowie unter ausgezeichnetem Zusammenwirken bei der Bergung des Grenzverletzers.
Die gut organisierten Handlungen führten dazu, daß die Bekämpfung und Bergung des Grenzverletzers vom Gegner nicht bemerkt wurden.
Maßnahmen:
1. Einsatz von Offizieren des Stabes und Zusatzposten im Handlungsabschnitt zur Sicherung und Beobachtung in beiden Richtungen.
2. Unmittelbare Anerkennung der Leistungen der handelnden Kräfte und umgehende Auswertung durch Offiziere des Stabes in den Einheiten.
i.V. (...)
Oberst
Kommandeur des GR-42
Quelle: BStU, Ast. Potsdam, AU 1195/75, Bd. 1, Bl. 6-8