Todesopfer > Hoffmann, Wolfgang

Wolfgang Hoffmann: MfS-Bericht

20. Juli 1971

[...]

2. Bericht

über den unnatürlichen Todesfall des Hoffmann, Wolfgang, geb. am 1. 9. 1942 Die Durchsicht des vorliegenden Untersuchungsvorganges gegen Hoffmann ergab, daß gegen ihn und den Mittäter
    (...)
    geb. am (...)
    wohnhaft gewesen: (...)
am 9. September 1961 von der VPI Berlin-Treptow ein Ermittlungsverfahren wegen Paßvergehens eingeleitet und am 31.10. 1962 gegen beide Haftbefehl erlassen worden war.

Hoffmann und (...) waren im August 1961 im Institut für Meß- und Prüftechnik der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin-Adlershof, Rudower Chaussee, tätig.

Sie drangen am 24. 8. 1961 unter Ausnutzung ihrer Kenntnisse über die Grenzsicherungsanlagen und die Bewachung der Staatsgrenze in Höhe der Wredebrücke in Berlin-Adlershof in das dortige Grenzgebiet ein, kletterten über den Stacheldrahtzaun und gelangten über das Betriebsgelände der Firma "Eternit" in Berlin-Rudow illegal nach Westberlin.

Das Ermittlungsverfahren gegen (...) wurde am 21. 7. 1969 eingestellt, nachdem er während einer Transitreise von Westberlin in die Volksrepublik Bulgarien auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld festgenommen worden war.

In der am 15. Juli 1971 durch die VPI Berlin-Treptow mit Hoffmann durchgeführten Beschuldigtenvernehmung sagte er aus, daß er im August 1961 mit (...) illegal die DDR verließ, da er eine ablehnende Haltung zu den Sicherungsmaßnahmen vom 13. 8. 1961 einnahm.

Zu seinem Aufenthalt in Westberlin gab Hoffmann an, daß er häufig seine Arbeitsstellen wechselte und [...] in Westberlin keine Arbeit mehr als Dreher erhielt. Hach einer kurzen Tätigkeit als Bauarbeiter habe er seit etwa drei Jahren kein festes Arbeitsverhältnis mehr aufgenommen [...].

Nach seinen Aussagen hielt er sich am 14. Juli 1971 zunächst im (...) Potsdamer Straße auf, [...] und kam danach auf den Gedanken, seine Mutter
    Hoffmann, E(...)
in der Hauptstadt der DDR zu besuchen.

Nachdem Hoffmann sein Vorhaben, in die Hauptstadt der DDR einzureisen, in der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße vorgetragen und seinen Westberliner Personalausweis zur Kontrolle vorgezeigt hatte, kamen ihm Bedenken, daß er wegen seines ungesetzlichen Grenzübertritts im Jahre 1961 festgenommen werden könnte, und er versuchte, sich der Festnahme durch die Flucht zu entziehen.

[...]

Eine Durchsicht der wichtigsten Presseveröffentlichungen aus Westberlin und Westdeutschland der letzten vier Wochen ergab keine Anhaltspunkte, daß Hoffmann als Täter für Straftaten in Westberlin in Frage käme.

Die Sektion der Leiche des Hoffmann im Institut für Gerichtsmedizin ergab, daß Hoffmann eine Schädelbasisfraktur, Reihenrippenbrüche, eine Oberschenkelhals- und Sprunggelenkfraktur erlitt.

[...]

Bei der Mutter des Hoffmann handelt es sich um

[...]

Die von der Abteilung VII der Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin eingeleiteten Überprüfungen ergaben, daß von der VPI Berlin-Treptow, der Bezirksstaatsanwaltschaft Berlin-Treptow, der Rettungsstation Berlin-Johannisthal, dem Krankenhaus Berlin-Friedrichshain ein nicht genau festzustellender und zu personifizierender Kreis von Mitarbeitern dieser Institutionen Kenntnis davon erhielt, daß ein festgenommener westdeutscher/Westberliner Bürger bei dem Sturz aus dem Fenster der Volkspolizei-Inspektion Berlin-Treptow tödlich verunglückte.

Die unmittelbar mit der Bearbeitung dieses Sachverhalts beauftragten Angehörigen der Volkspolizei, Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, Angestellten des Rettungsamtes Berlin-Johannisthal und des Krankenhauses Berlin-Friedrichshain wurden hinsichtlich ihrer persönlichen Entwicklung, ihrer politischen Einstellung und ihrer Verbindungen nach Westberlin und Westdeutschland ermittelt und unter M-Kontrolle gestellt.

In der Kreisdienststelle Berlin-Treptow wurden bisher keine Reaktionen aus Kreisen der Bevölkerung zu diesem Vorkommnis bekannt.

Da bisher zur Festnahme des Hoffmann in der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße und seinem Sturz aus dem 2. Stock der VPI Berlin-Treptow keine Veröffentlichungen in der Westpresse erschienen, ist anzunehmen, daß die Festnahme wenig Aufsehen erregte und die Identität des Hoffmann sowie die Tatsache und die Umstände seines Todes den westlichen Publikationsorganen bisher nicht bekannt geworden sind.

In der weiteren Bearbeitung des Leichenvorganges Hoffmann wird vorgeschlagen:
    - durch die Abteilung IX die Einäscherung der Leiche zu veranlassen;

    - die Mutter und den Bruder des Hoffmann, (...) und (...), am 23. Juli 1971 in den Diensträumen der Abteilung IA des Generalstaatsanwalts von Groß-Berlin zum Lebenswandel des Wolfgang Hoffmann in Westberlin und ihren Verbindungen zu ihm getrennt zu befragen (dabei sollen beide Personen durch ihre Angaben zur Identifizierung von Wolfgang Hoffmann beitragen - um die Zeitdauer zwischen dem Tod und diesem Gespräch zu begründen - und es soll versucht werden, weitere negative Einzelheiten über Wolfgang Hoffmann in Erfahrung zu bringen);

    - der Mutter und dem Bruder des Hoffmann im Anschluß an diese Befragung unter Hinweis auf sein unmoralisches Leben und seine (...) Westberlin mitzuteilen, daß Wolfgang Hoffmann während eines Aufenthalts in der Hauptstadt der DDR unter erheblicher Alkoholbeeinflussung und seelischer Depression Selbstmord verübte und dabei im Besitz ungültiger Dokumente war (über nähere Einzelheiten sollen beide nicht informiert werden, um ihnen zu einem späteren Zeitpunkt - für den Fall, daß sie durch weitere Personen über die tatsächlichen Umstände des Todes von Wolfgang Hoffmann Kenntnisse erlangen, ohne Auftreten von Widersprüchen weitere Angaben machen zu können);

    - über die Abteilung VII die Möglichkeit zum Einsatz der Abt. 26 bis zum 23. 7. 1971 in der Wohnung des (...) prüfen, um die Reaktionen der informierten Personen festzustellen;

    - abhängig vom Verhalten der Mutter des Hoffmann bei ihrer Befragung in den Räumen des Generalstaatsanwalts von Groß-Berlin am 23. 7. 71 und danach wird über Einleitung einer Reisesperre gegen sie in das nichtsozialistische Ausland durch die Abteilung VII entschieden. In jedem Fall wird sie zur Ausreisefahndung - Rückfrage vor Entscheid – gestellt;

    - die Beisetzung der Urne des Wolfgang Hoffmann, sofern Übereinstimmung mit der Mutter erzielt werden kann, in Berlin-Baumschulenweg, durch die Abteilung IX zu veranlassen.
[...]

stellv. Leiter der Abteilung

Reissmann
Hauptmann

[...]

Quelle: BStU, MfS, AS 754/70, Bd.15, Nr.1, Bl. 150-154
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