Todesopfer > Lis, Leo

MfS-Bericht über den Fluchtversuch von Leo Lis, 20. September 1969

Bericht

über einen versuchten und mit Schußwaffenanwendung verhinderten Grenzdurchbruch DDR – WB einer männlichen Person, am 20.09.1969 im Grenzabschnitt Nordbahnhof.

1. Delikt: Versuchter Grenzdurchbruch DDR - WB

2. Tatort: Berlin-Mitte, Grenzabschnitt Nordbahnhof auf Höhe Grenzposten (...)

3. Tatzeit: am 20.09.69 gegen 20.00 Uhr

4. Methode: zu Fuß Überwindung der Grenzsicherungsanlagen

5. Tatmittel: ohne

6. Ursache: unbekannt

7. Täter:
    LIS, Leo geb. am 10.05.24 in Byten-Karb wh. in (...)/Kamens, (...) verheiratet/ 4 Kinder Beruf: Melker
8. Bemerkungen: Beobachtung der eingesetzten Grenzposten Meldung durch OpD des GR 33

9. Sachstand:

A, 20.09.69 gegen 20.00 Uhr im Grenzabschnitt Nordbahnhof etwa 60 bis 70 m rechts des Grenzposten K(...) wurde der LIS bei dem Versuch, die Staatsgrenze der DDR nach WB zu durchbrechen, durch Anwendung der Schußwaffe durch die Grenzposten K(...)
    Postenführer Gfr. (...) geb. am (...) NVA seit (...) 1. Zug/ 4. Grenzkomp.

    Posten Sold. (...) geb. am (...) NVA seit (...) 4. Zug/ 4. Grenzkomp.
tödlich getroffen und geborgen. Der Tod des Grenzverletzers wurde bereits durch den eintreffenden Sanitäter des GR 33 festgestellt und im VP-Krankenhaus durch den diensthabenden Arzt Dr. (...) bestätigt.

Der Spurensicherung nach bewegte sich der Grenzverletzer von dem Eisentor an der hinteren Begrenzung des Grenzgebietes in de Invalidenstraße entlang der Hundelaufanlage bis auf Höhe 60 / 70 m rechts Posten K(...) in Richtung Staatsgrenze. Er wurde ca 80 m von der Staatsgrenze entfernt getroffen.

Die eingesetzten Grenzposten K(...) haben den Grenzverletzer am Signalzaun festgestellt. Auf Anrufen und Warnfeuer der Grenzposten hat der Grenzverletzer nicht reagiert, er hat seinen Fluchtweg Richtung WB fortgesetzt. Durch den Postenführer wurden insgesamt 29 und durch den Posten 10 Schuß abgefeuert. Während der Postenführer nach dem Warnfeuer noch Manöver Richtung Grenzverletzer durchführte, führte der Posten gezieltes Feuer auf den Grenzverletzer, wobei dieser an seinem weiteren Vorhaben gehindert wurde (mit großer Wahrscheinlichkeit gab der Posten die tödlichen Schüsse ab).

Unmittelbar nach Eröffnung des Feuers durch den Grenzposten Kehre wurde auch von dem eingesetzten Grenzposten Gartenstraße in Richtung des Fluchtweges des Grenzverletzers Sperrfeuer geschossen. Der Fluchtweg des Grenzverletzers verlief etwa 300 m links des Posten Gartenstraße.

Der Grenzverletzer wurde von dem Grenzposten K(...) und der Kontrollstreife, Gefr. S(...) und Gfr. F(...), geborgen und am Splitterbunker von dem diensthabenden Sanitäter des GR 33, Sld. K(...), aufgenommen. Er wurde sofort in das VP-Krankenhaus überführt. Weiter traten bis zur weiteren Verfügung durch den zuständigen Mitarbeiter der KD Mitte keine Komplikationen auf.

In der Zeit vor dem versuchten Grenzdurchbruch wurden von den eingesetzten Posten keinerlei Beobachtungen festgestellt, die irgendeinen Zusammenhang mit dem Sachverhalt darstellen könnten.

Unmittelbar nach Eröffnung des Feuers durch die Grenzposten waren an den Fenstern des Hauses Gartenstraße/ Ecke Feldstraße auf WB Territorium ca 40 Personen. Unter anderem wurden dabei die Posten beschimpft mit "...Mörder..." und "...ihr schießt auf eure eigenen Landsleute...". Desweiteren wurde von dort aus mit Blitzlicht photografiert. Desweiteren kamen 1 Zoll-Bus und ein Schupo-FStW. Konkrete Personen oder Handlungen der uniformierten Kräfte wurden nicht festgestellt. Aus der Gaststätte "Bernauer Eck", Bernauer-/Ecke Bergstraße auf WB Seite, kamen ca 15 Personen, größten Teils Jugendliche. Dabei fielen solche Schimpfworte wie "...Kommunistenschweine..." und "...Dreckskerle...". Etwa gegen 22.00 Uhr war die alte Lage wieder hergestellt.

Auf unserer Seite trafen nach Abgabe der Schüsse von der Invalidenstraße her über die Gartenstraße bis an das Tor der hinteren Begrenzung des Grenzgebietes 5 bis 6 männliche Jugendliche ein. Seitens dieser Personen wurden keine weiteren Handlungen durchgeführt. Sie haben sich wieder verlaufen, ohne daß die Personalien festgestellt wurden.

Auch aus einigen Fenstern von Häusern in der Pflugstraße auf unserer Seite wurden durch die Bewohner Beobachtungen geführt. Dazu sind gleichfalls keine genaueren Angaben bekannt.

Bei der abschließenden Suchaktion und Spurensicherung durch einen Zug der B.-Sch.-Kompanie unter der Führung des Stellvertreters des Stabschefs des GR 33, Major P(...) wurden keine weiteren Gegenstände gefunden oder Hinweise im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Grenzdurchbruch festgestellt.

Sachbearbeiter

M(...) Oberleutnant

Quelle: BStU, MfS, AS 754/70, Bd. VII, Nr. 1, Bl. 2-4
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