Todesopfer > Kollender, Michael

MfS-Information an SED-Politbüromitglied Erich Honecker über den Fluchtversuch und die Erschießung von Michael Kollender

27. April 1966

E.I. über

eine verhinderte Fahnenflucht mit tödlichem Ausgang im Abschnitt Berlin-Johannisthal, Wredebrücke am 25.4.1966

Am 25.4.1966 gegen 3.53 Uhr wurde durch das auf dem B-Turm Wredebrücke stationierte Postenpaar festgestellt, daß das Signal im 4.Feld der Signalzaunes in Richtung "Alte Naht" ausgelöst wurde. Daraufhin wurde durch die Posten das Signal "Offizier zur Grenze" geschossen.

Durch den in der Nähe auf Kontrollstreife befindlichen Gruppenführer und seinen Begleitposten wurde sofort die Beobachtung und Überprüfung organisiert. Dabei stellten sie eine Person fest, die sich mit schnellen Sprüngen durch die Vorsperre in Richtung der pionier-technischen Anlagen bewegte. Von allen 4 Posten wurde sofort gezieltes Feuer eröffnet. Der Grenzverletzer reagierte jedoch nicht darauf und näherte sich kriechend dem Kontrollstreifen. Unter Fortführung des gezielten Feuers arbeiteten sich die Posten näher an die Durchbruchstelle heran und erreichten, daß der Grenzverletzer an der weiteren Flucht gehindert wurde und unbeweglich liegen blieb. (Insgesamt wurden 109 Schuß abgegeben.) Bei der weiteren Annäherung stellten die Posten fest, daß es sich hei dem Grenzverletzer um einen NVA-Angehörigen handelt, der durch Kopf- und Wadenschuß schwer verletzt war. Durch den Gruppenführer wurde der Verletzte in den Kfz-Fanggraben gebracht; von dort aus wurde er mittels Sankra in das VP-Krankenhaus transportiert.

Bei dem Verletzten handelt es sich um den
    Kanonier Kollender, Michael, geb.19.2.1945
    wohnhaft Oberlungwitz/Karl-Marx-Stadt, (...)
    NVA seit 2.11.1965
    III. Abteilung, Flak-Raketen-Regiment 16, l.LVD,
    ledig.
Kollender war bei der Festnahme im Besitz einer durchgeladenen MPi mit 15 Schuß Munition. Nach bisherigen Feststellungen ist aus der MPi das Grenzverletzers nicht geschossen worden. Kollender ist am 25.4.1966 gegen 6.00 Uhr an den Folgen seiner Verletzung verstorben.

Während der Schußwaffenanwendung und der Bergung des Kollender in den Kfz-Fanggraben wurden auf Westberliner Seite keine Handlungen festgestellt. Erst der Abtransport des Grenzverletzers mittels Sankra wurde von 3 Westberliner Polizeiangehörigen von der Krananlage des Eternit-Werkes aus beobachtet. Zu irgendwelchen Handlungen kam es dabei nicht.

Durch die bisherigen Untersuchungen wurde folgendes bekannt: Kanonier Kollender gehörte seit dem 21.4.1966 zum Vorkommando der Paradeeinheit des 16.Flak-Raketen-Regiments anläßlich der Parade am 1.Mai (8 NVA-Angehörige), die im Wachregiment des MfS stationiert ist.

Offensichtlich verließ er gegen 3.00 Uhr während des Postendienstes sein Postenbereich an den Garagen, in denen die Kampftechnik des 16.FRR abgestellt ist und begab sich, nach Überwinden der Objektumzäunung, über den alten Flugplatz Johannisthal in Richtung Staatsgrenze. Zur Person:

Kollender war vor seiner Einberufung als Kraftfahrer tätig. Während seiner bisherigen Dienstzeit verhielt er sich äußerst undiszipliniert, diskutierte über Befehle und verrichtete seinen Dienst nur widerwillig.

[...]

Kollender wurde streng gläubig erzogen.

[...]

Durch das MfS werden die Untersuchungen zur Ermittlung der Ursachen und der näheren Zusammenhänge der verhinderten Fahnenflucht weitergeführt.

Quelle: BStU, MfS, ZAIG Nr. 1305, Bl. 21-23
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