Dieter Brandes: Bericht der West-Berliner Polizei über die Verhinderung eines Fluchtversuches
10. Juni 1965
[...]Betr.: Vereitelte Flucht aus SBS (durch Schüsse der NVA verletzte männliche Person)
Bezug: FS R 52 vom 9.6.65, HV-Nr. 1072 PS 0102
Am 9.6.65, gegen 21.00 Uhr, wurde durch den Sektorgrenzposten des R 52 Bernauer-/Gartenstr. (P 11) beobachtet, daß auf dem Gelände des ehem. Stettiner Bahnhofs (SBS) in Höhe Gerten-/ Feldstr. (UU 90 3 22 3) eine rotgrüne Leuchtkugel abgeschossen wurde. Unmittelbar darauf hörte der Grenzposten die Abgabe von 3-5 MP-Schüssen, die auf dem gleichen Gelände abgegeben wurden. Näheres zur Schußabgabe war infolge der Entfernung von dem West-Berliner Pol.-Beamten nicht wahrzunehmen. Der Sektorgrenzposten eilte daher sofort zur Gartenstr., Höhe Feldstr., konnte jedoch von West-Berliner Seite aus weitere Feststellungen nicht treffen und meldete den Sachverhalt (Leuchtkugel und Schußabgabe) gegen 21.15 Uhr dem Wachthabenden des R 52.
Gegen 21.18 Uhr teilte
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Herr M(...), Karl,
(...) 44 (...) geb.,
Berlin (...) wohnh.,
Nach Unterrichtung des PKvD PI Wd und der Fubz wurden die FuStw D 11, 12 und 36 (EKdo Wd) entsandt.
Gegen 21.20 Uhr zeigte
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Herr Sch(...), Fredi,
(...) 31 (...) geb.,
(...) wohnhaft,
Wie Sch. weiter beobachtet hat, sind 4 NVA-Angehörige von ihrem B-Turm zu dem Flüchtling gerannt. Sie mußten ihn hochheben, da er selbst offenbar nicht mehr in der Lage war, aufzustehen und schleppten ihn zu ihrem B-Turm. Beim Transport habe sich der Mann nicht mehr bewegt. Gegen 21.05 Uhr seien 2 NVA-Angehörige vom B-Turm Garten-/Liesenstraße mit einer Tragbahre zu dem vermutlich Verletzten geeilt. Der Mann wurde auf die Trage gelegt und im Laufschritt unter Mitführung einer Rot-Kreuz-Fahne in Richtung Lagerschuppen gegenüber Gartenstr.53 abtransportiert. Der Zeuge Sch. will gesehen haben, daß Arme und Beine des Flüchtlings wie leblos seitwärts von der Trage herabhingen. Er sei beim Transport sogar von der Trage gefallen, wurde von den NVA-Soldaten wieder auf diese gelegt und hinter den Lagerschuppen gebracht. Der weitere Abtransport des Mannes war auf Grund der Dunkelheit und des unübersichtlichen Geländes von Sch. nicht mehr beobachtet worden.
Die Abgaben des Sch. wurden im Zuge der Ermittlungen der eingesetzten Pol.-Kräfte durch
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Frau Ursula B(...),
(...) 30 (...) geb.,
(...),
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Herrn Jan B(...) 14 (...) geb.,
Franz. Gendarmerie war anwesend. I erhielt Kenntnis.
Nach den ersten Feststellungen des Sektorgrenzpostens des R 52, der die Schußabgabe nur aus größerer Entfernung wahrgenommen hatte und der den fraglichen Sektorgrenzbereich bei seinem Eintreffen wieder ruhig vorfand, konnte das Vorkommnis noch nicht abgerundet erkannt und gemeldet werden. Der Sachverhalt in seiner Gesamtheit wurde erst durch die Ermittlungen der entsandten EKdo-Kräfte bzw. durch die Hinweise der angeblichen Zivilzeugen einige Zeit nach der Schußabgabe bis gegen 21.50 Uhr bekannt.
Die Ermittlungen des R 52 bezüglich Befragung von Anwohnern werden fortgesetzt.
Quelle: Polizeihistorische Sammlung/Der Polizeipräsident in Berlin