Todesopfer > Unbekannter Flüchtling

Bericht der DDR-Grenztruppen über den Fluchtversuch eines unbekannten Flüchtlings

19. Januar 1965

Vertrauliche Verschlußsache!

Bericht

über den versuchten Grenzdurchbruch im Abschnitt 4./GR-35 Mühlenstraße vom 19.01.1965 gegen 17.50 Uhr

I. Sachverhalt

Vom 19.01.1965 15.00 Uhr bis 19.01.1965 23.00 Uhr war im Grenzabschnitt der 4. Kompanie des GR-35
    rechts: Melchiorstraße ausschließlich
    links: Schleusenufer einschließlich
der 1. Zug der 5. Kompanie GR-35, Kommandeur der Grenzsicherung Ltn. R(...) zur Sicherung der Staatsgrenze eingesetzt.

Als Grenzposten (Brommybrücke) waren eingesetzt:

Postenführer:
    Gefr. G(...), Wolfgang, geb. (...) 1938 in (...), wohnhaft: (...)
    Beruf: Elektromonteur, Mitglied der FDJ, NVA 02.11.63
Posten:
    Soldat M(...), Bernd, geb. (...) 1939 in (...) wohnhaft: (...)
    Beruf: Dreher, NVA seit 04.11.64, Mitglied der FDJ
Gegen 17.50 Uhr beobachtete der Postenführer Gefr. G(...) vom Posten Brommybrücke, daß ca. 150 m oberhalb der Brommybrücke eine Person schwimmend versuchte die Staatsgrenze in Richtung Westberlin zu durchbrechen. Er richtete den am Posten angebrachten Scheinwerfer auf diese Person und hörte gleichzeitig einen dreimaligen Hilferuf dieser Person. Nach dem letzten Hilferuf versank die Person. Von dem Posten wurde das Signal "Grenzdurchbruch" mittels Leuchtpistole geschossen, und der Kommandeur der Grenzsicherung über das GMN verständigt.

Diese Beobachtung wurde sofort an die im Abschnitt liegenden Boote der Bootskompanie weitergeleitet, mit der Bitte der Abriegelung der Fluchtrichtung des Grenzverletzers.

Diese Handlungen wurden dem OvD des Grenzregiments 35 gemeldet. Auf Befehl des OvD des Grenzregiments wurden zusätzlich eingesetzt:
    - Reservegruppe des Führungspunktes
    - Reservezug des Kommandeur – Grenzregiment
und im Zusammenwirken Kräfte der Feuerwehr der VPI, mit der Bitte Hilfeleistung zur Bergung des Grenzverletzers zu geben.

Zur Feststellung des Fluchtweges wurde der Fährtenhund des Grenzregimentes eingesetzt. Es wurde ermittelt, daß der Grenzverletzer aus dem Hinterhof des Grundstückes Mühlenstraße 64 – 64 a bis zum Sicherungszaun (2 Pfahlreihen) unbemerkt gelang, diesen durchkroch, am Grundstück Mühlenstr. 65 die Begrenzungsmauer überwand und ins Grenzgewässer glitt. Die in diesem Abschnitt eingesetzten Signalgeräte (2 Stück) wurden von dem Grenzverletzer überwunden.

Vor dem Durchkriechen des Sicherungszaunes hinterließ er eine braune Aktentasche mit folgendem Inhalt:
    - schwarzes Oberhemd
    - eine Flasche Alkohol "Goldwasser"
    - 12 Zeitschriften "Magazin"
    - eine leere Füllhaltermappe
    - ein belegtes Stullenpaar, eingewickelt in einer Zeitung "Freiheit", Bezirk Halle, Kreis Bernburg vom 21.09.1964
Am Grundstück Mühlenstraße 65 wurden ein Paar braune Herren-Lederhandschuhe aufgefunden.

Die Bergungsarbeiten der eingesetzten Boote der 1. Grenzbrigade (4 Boote) und ein Boot der Einsatzgruppe Feuerwehr verlief bis zum Zeitpunkt ergebnislos. Ab 20.45 Uhr stellten diese ihre Bergungsarbeiten ein, und Kräfte des Taucherzuges des Stadtkommandantur nahmen die weitere Suche auf.

Durch die Abgabe des Signals durch den Posten "Grenzdurchbruch" mit der Leuchtpistole besetzten dann gegen 18.10 Uhr auf westlichem Vorfeld ca. 30 Duepo ausgerüstet mit Schnellfeuergewehren und Stahlhelmen unterhalb Brommybrücke ca. 70 m und oberhalb ca. 150 m das Spreeufer und bezogen dort Stellung. Zum gleichen Zeitpunkt wurden im genannten Abschnitt ca. 15 bis 20 Zivilpersonen beobachtet. Die eingesetzten Kräfte der Duepo suchten das vorher genannte Gelände am Spreeufer ab. Gegen 18.45 Uhr wurden Teilkräfte der Duepo aus dem genannten Abschnitt herausgezogen.

Der Wachposten an der Brommybrücke sowie die Besatzungen der Kräfte der eingesetzten Bootskompanien der 1. Grenzbrigade leuchteten ununterbrochen das feindwärtige Ufergelände ab und konnten durch Beobachtungen nicht feststellen, daß die eingesetzten Kräfte des Gegners eine Person aus dem Wasser bargen.

Gegen 21.00 Uhr wurde die weitere Suche durch den Taucherzug der Stadtkommandantur aufgenommen und gegen 01.00 Uhr ergebnislos beendet. Gegen 01.30 Uhr wurde die alte Lage im Abschnitt 4 und im Abschnitt der Bootskompanie hergestellt.

II. Schlußfolgerungen:
    1. Der Grenzverletzer hat rechtzeitig den Grenzabschnitt und den Posteneinsatz und den Ort für seine verbrecherischen Handlungen aufgeklärt.

    2. Der eingesetzte Wachposten auf der Brommybrücke erkannte den Grenzverletzer erst, in der Mitte des Grenzgewässers.

    3. Nach mehrmaligem Befragen des Wachpostens auf der Brommybrücke brachte dieser immer wieder bei der Schilderung über die Handlung des Grenzverletzers zum Ausdruck, daß der Grenzverletzer an der aus der Skizze ersichtlichen Skizze ertrunken sei.
III. Weitere Maßnahmen:
    1. In den Morgenstunden des 20.01.1965 wird durch die Bootskompanie der 1. Grenzbrigade im bezeichneten Abschnitt die Suche fortgesetzt.

    2. Durch die Dienstboote der Bootskompanie im Zusammenwirken mit den eingesetzten Kräften der 5. Grenzkompanie im Abschnitt 4 wird verstärkte Beobachtung geführt mit dem Ziel, die Leiche des vermutlich ertrunkenen Grenzverletzers rechtzeitig zu erkennen und sofort zu bergen.

    3. Am 20.01.1965 führe ich mit dem Kompaniechef und dem Kommandeur der Grenzsicherung eine Besichtigung an dem Abschnitt durch, an welchem der Grenzverletzer die pioniermäßigen Anlagen überwand, um ein weiteres Überwinden der pioniertechnischen Anlagen auszuschließen.

    4. Ergänzungsmeldung folgt.
- Major - K(...)

Quelle: BArch, VA-07/16934, Bl. 225-230
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