MfS-Bericht über den Tod von Ulrich Krzemien
19. April 1965
Berichtzur Grenzprovokation am 25. März 1965 im Bereich der 1. Grenzbrigade in Berlin zur Staatsgrenze nach Westberlin
Am 25. März 1965 gegen 21.25 Uhr stellte ein Grenzposten der 1. Grenzbrigade in seinem Postenbereich in der Nähe der sogenannten Papiermühle des Osthafens Berlin fest, daß sich eine männliche Person durch die Spree schwimmend von Westberlin aus dem Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik näherte.
Etwa 20 Meter von den Uferanlagen des Osthafens entfernt rief die männliche Person um Hilfe, vorauf der Grenzposten den Grenzverletzer auf Ausstiegsmöglichkeiten an der Ufermauer hinwies.
Beim Erklettern der Ufermauer war die männliche Person offenbar so erschöpft, daß sie ins Wasser zurückfiel und untertauchte.
Daraufhin gab der Grenzposten zur Alarmierung des Grenzbootes mit seiner Dienstwaffe Schüsse in die Luft ab.
Das dadurch alarmierte Grenzboot und noch zwei weitere herbeigeholte Boote der 1. Grenzbrigade suchten daraufhin die Spree nach dem Grenzverletzer ab.
Gegen 22.30 Uhr wurde die Suche ergebnislos abgebrochen.
Am 13. April 1965 gegen 10.30 Uhr stellte die Besatzung eines Bootes der Bootskompanie der 1. Grenzbrigade zwischen der Brommy- und Schillingsbrücke in Berlin-Friedrichshain eine in der Spree treibende Leiche fest, die sie auf dem Gelände des Wasserwerkes in Berlin-Friedrichshain, Holzmarktstraße 31 - 33 a anlandeten.
Dabei handelte es sich um die Leiche des Grenzverletzers, der sich in den späten Abendstunden des 25. März 1965 durch die Spree schwimmend dem Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik näherte.
An Hand der bei dar Leiche vorgefundenen Personaldokumente wurde bekannt, daß es sich dabei um die Leiche des
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Krzemien, Ulrich
geb. am 13. September 1940 in Berlin
Beruf: Maurer
wohnhaft: Berlin SW 61, (...)
Der bei der Bergung der Leiche durch die Volkspolizei-Inspektion Berlin-Friedrichshain herbeigeholte Arzt Dr. K(...) vom Stadtambulatorium in Berlin 0 17, Andreasstraße 50/51 stellte an der Leiche Tod durch Ertrinken fest.
Durch Ermittlung und durch Befragung der Mutter des Grenzverletzers, der
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(...), (...)
geb. am (...) in (...)
Beruf: (...)
wohnhaft: (...), (...)
Von 1946 bis 1955 besuchte Krzemien, Herbert die 8. Grundschule in Berlin-Johannisthal, die er mit der Note "3" abschloß. Das neunte Schuljahr, das Krzemien von 1954 bis 1955 absolvierte, resultierte daraus, daß er das Klassenziel eines Schuljahres nicht erreichte und dies Klasse zweimal durchlaufen mußte.
Während seiner Grundschulzeit gehörte er zeitweise den jungen Pionieren an.
Bach Beendigung der Grundschule erlernte Krzemien von 1955 bis 1958 im VEB Berlin den Beruf eines Maurers und bestand die Facharbeiterprüfung mit der Note "3".
In seiner früheren Wohngegend in Berlin-Johannisthal ist Krzemien als (...) Mensch bekannt, der in seinem Auftreten (...) ist und als sogenannter Draufgänger eingeschätzt wird.
Am 19. August 1959 verließ Krzemien aus unbekannten Gründen illegal die Deutsche Demokratische Republik und arbeitete in Westberlin als Maurer.
Nach Aussagen der Mutter des Krzemien hielt sich ihr Sohn am 30. Juli 1961 aus Anlaß einer Familienfeier angeblich mit Genehmigung der Behörden der Deutschen Demokratischen Republik in der Deutschen Demokratischen Republik auf, wo er im angetrunkenen Zustand tätlich gegen Volkspolizisten vorging.
Daraufhin wurde Krzemien am 8. August 1961 vom Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow wegen Verstoß gegen die Paßverordnung, wegen Staatsverleumdung und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu einem Jahr, 2 Monaten Gefängnis verurteilt.
Diese Haftstrafe verbüßte Krzemien in den Strafvollzugsanstalten Berlin-Rummelsburg und Bützow-Dreibergen.
Nach seiner Haftentlassung am 29. September 1962 war Krzemien im VEB Kühlautomat Berlin als Transportarbeiter tätig.
Am 13. Oktober 1962 verließ Krzemien erneut die Deutsche Demokratische Republik ohne erforderliche Genehmigung und teilte seiner Mutter von Westberlin brieflich mit, da er zwecks illegalen Verlassens der Deutschen Demokratischen Republik den Teltow-Kanal in Berlin-Johannisthal durchschwommen habe.
Die Gründe, die Krzemien zum illegalen Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik veranlaßten, sind nicht bekannt.
Aus Briefen ihres Sohnes war der (...), (...) bekannt, daß er in Westberlin wieder als Maurer arbeitete und sich dort 1963 mit der
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(...), (...),
nähere Personalien unbekannt,
Bei der Mutter der (...) handelt es sich um die
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(...), (...)
geb. (...) in (...)
Beruf: (...)
wohnhaft: (...)
Der Bruder des Krzemien, der
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(...), (...)
geb. (...) in (...)
wohnhaft: (...)
Eine Schwester des Krzemien, die
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(...), (...)
geb. (...) in (...)
wohnhaft: (...)
Die andere Schwester des Krzemien,
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(...), (...)
geb. (...) in (...)
wohnhaft: (...)
Die anderen zwei Geschwister des Krzemien sind verstorben.
[...]
Maßnahmen zur Durchführung der Leichensache Krzemien:
Nach der am 13. April 1965 erfolgten Überführung der Leiche vom Standort der 1. Grenzbrigade zum Institut für Gerichtsmedizin in Berlin erfolgte dort am gleichen Tag durch Genossen Leutnant Meißner eine Besichtigung derselben.
Dabei konnte der Krzemien auf Grund des Verwesungsgrades der Leiche an Hand des Paßbildes seines Westberliner Personalausweises, der bei der Leiche vorgefunden wurde, nicht identifiziert werden.
Am 15. April 1965 erfolgte die durch den Generalstaatsanwalt von Groß-Berlin, Abteilung I A angeordnete Obduktion. Diese ergab, daß bei Krzemien der Tod durch Ertrinken eintrat.
Am 14. April 1965 wurde mit der Mutter des Krzemien in der Volkspolizei-Inspektion Berlin-Treptow eine Aussprache geführt. Ihr wurde mitgeteilt, daß ihr Sohn am 25. März 1965 versuchte, die Spree in Berlin-Mitte von Westberlin in Richtung der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik zu durchschwimmen, dabei ertrank und daß die Leiche ihres Sohnes am 13, April 1965 geborgen wurde.
Nähere Angaben zum Ereignisort und dem Tathergang wurden ihr nicht gemacht. Diesbezüglich gab es auch keine Fragen der (...).
Im Verlauf der Aussprache erklärte die (...), daß sie annimmt, daß ihr Sohn auf Grund von Streitigkeiten mit der (...) wieder in die Deutsche Demokratische Republik zurückkehren wollte. Warum sich ihr Sohn jedoch zwecks Rückkehr in die Deutsche Demokratische Republik nicht an einer Grenzübergangsstelle meldete, konnte sie sich nicht erklären.
Die (...), (...) erklärte sich mit der Feuerbestattung einverstanden und beabsichtigt, die Urne ihres Sohnes auf der Urnenstelle ihrer anderen beiden Kinder auf dem Friedhof Berlin-Baumschulenweg beisetzen zu lassen.
Sie wurde gebeten, sich von dem genannten Friedhof den Urnenschein zu beschaffen und diesen selbst an das Krematorium Berlin-Baumschulenweg zu übergeben.
Die genannte erklärte, daß sie bei der Urnenbeisetzung eine Feier im engsten Familienkreis durchzuführen beabsichtigt.
[...]
Eine Sterbeurkunde wurde ihr ausgehändigt.
Im Verlauf der Unterredung mit der Mutter des Toten wurde ihr der bei der Leiche vorgefundene Westberliner Personalausweis und ein Foto einer weiblichen Person, das ebenfalls bei der Leiche gefunden wurde, vorgelegt.
Auf dem Paßbild des Personalausweises erkannte sie ihren Sohn und die auf dem anderen Foto abgebildete Person identifizierte sie als die (...), von der sie weitere Fotos, die ihr Sohn aus Westberlin übersandte, in Besitz hatte.
Besondere Vorkommnisse gab es bei der Unterredung mit der (...) nicht. Sie faßte die Nachricht über den Tod ihres Sohnes gefaßt auf.
Die Kosten für die Bestattung des (...) trägt die Abteilung Sozialhilfe beim Magistrat von Groß-Berlin, da die Mutter des Toten über keine finanziellen Mittel verfügt.
Noch durchzuführende Maßnahmen:
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1. Bestattung der Leiche und Einäscherung des Leichnams einleiten.
2. Befragung der (...), (...) zu den Streitigkeiten ihrer Tochter mit Krzemien.
3. Anforderung der Gefangenenakte von der StVA Bützow-Dreibergen und Vergleich des darin befindlichen Bildes des Krzemien mit dem Paßbild seines Westberliner Personalausweises.
4. Vergleich mit den von der Mutter in der Befragung erarbeiteten besonderen Merkmalen des Krzemien mit den bei der Obduktion festgestellten Merkmalen.
Leutnant
Quelle: BStU, MfS, AS 754/70, Bd. 2, Nr. 10, Bl. 100-106