Peter Hauptmann: Protokoll der Vernehmung eines Tatzeugen durch die Potsdamer Volkspolizei
24. April 1965
Vernehmung eines Zeugen
[...]
Familienname: (...)
(bei Frauen auch Geburtsname)
Vornamen: (...)
(Rufname unterstreichen)
Geboren am (...) 1937 Beruf: Hochseefischer
Bezeichnung und Anschrift der Arbeitsstelle: NVA /Volksmariene Warnemünde
Wohnung oder letzter Aufenthalt: Ribnitz-Dammgarten, (...)
Vorstrafen: nach eigenen Angaben keine
Nummer des PA: I 01865-16
(Serienzeichen, ausstellende Dienststelle und Datum der Ausstellung)
Verwandtschaftliche oder sonstige Beziehungen zum Beschuldigten: keine Ich wurde entsprechend den §§ 45, 49, 50 StPO der StPO über meine Aussagepflicht, mein Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht sowie über die strafrechtlichen Folgen unrichtiger und unvollständiger Aussagen belehrt und zur Wahrheit ermahnt.
(...) Unterschrift des Zeugen Blatt zwei der Zeugenvernehmung
Frage: Aus welchen gründen hielten Sie sich mit ihrem Kollg. (...) in Potsdam-Babelsberg, Stahndorferstr. auf ?
Antw.: Ich bin Kapitän eines Bergungsschleppers der Volksmariene in Warnemünde und in diesem Zusammenhang Zivilangestellter der NVA. Da unsere Besatzung eine soz.-Brigade werden sollte, wurde im Brigadetagebuch festgelegt, daß in der Zeit vom 23. bis 26.4.1965 eine Exkursion nach Berlin und Potsdam durchgeführt wird, wo wir uns die Sehenswürdigkeiten anschauen wollten.
Zu diesem Zweck begaben sich ein größerer Teil der Besatzung und ich am 23.4.65 um 13.15 Uhr von Rostock aus mit dem Neptunexpress nach Berlin-Ostbahnhof, wo wir gegen 16.20 ankamen. Da wir in Berlin keine Zimmer mehr bekamen, fuhren wir nach Potsdam und begaben uns sofort etwa gegen 18.30 Uhr zu der Pension (...). In dieser Pension haben wir uns bis gegen 19.30 aufgehalten. Anschließend wir d.h. alle 8 Kollegen mit Taxis nach Potsdam gefahren um in einer Gaststätte Abendbrot zu essen. Wir hatten erst die Absicht in die HOG "Haus des Handwerks" zu gehen, da aber in dieser Gaststätte kein Platz mehr war, fuhren wir weiter bis zur Gaststätte "Stadt Potsdam". In dieser Gaststätte haben wir dann Abendbrot gegessen und einige Lagen Schnaps getrunken. Bei Ausschankschluß haben wir wieder die Gaststätte verlassen und sind zu viert wieder mit einen Taxi in die Pension (...) gefahren, da wir die Absicht hatten dort zu übernachten. Ich hatte die Absicht mich auszuziehen und zu Bett zu gehen. Der Kollg. (...), welcher ebenfalls mit mir in einem Zimmer schlief, ging noch einmal raus auf die Straße, was er noch auf der Straße wollte kann ich nicht mehr sagen, bzw. hatte ich da noch garnicht gewußt. Als ich nun beim Auskleiden war, kam der Kollg. (...) wieder nach oben und teilte mir mit, daß wir in einer Gaststätte noch etwas zu trinken bekommen können. Daraufhin habe ich mich wieder angezogen und bin mit dem Kollg. (...) mitgegangen. Wir gingen dann gemeinsam in die Gaststätte "Waldschlößchen, welche in der gleichen Straße ist. In der Gaststätte befanden sich außer dem Bedinungspersonal noch ein älterer Herr und zwei jüngere männliche Personen. Mit den beiden jüngeren Personen kamen wir dann ins Gespräch und tranken gemeinsam 3 Schnäpse. Der eine jüngere Mann machte dann den Vorschlag noch eine Flasche Schnaps auf seine Rechnung zu kaufen und sie bei ihm in der Wohnung auszutrinekn. Gegen 01.00 Uhr haben wir, d.h. ich, der Kollg. (...) und der jüngere Mann die Gaststätte "Waldschlößchen" verlassen und sind mit diesem Mann in Richtung seiner Wohnung gegangen. An dieser Stelle, wo die Straße beginnt in der dieser junge Mann wohnhaft ist, wurden wir durch Posten der NVA Grenze kontrolliert. Dabei mußten wir unsere Personalausweise zeigen. Weiter wurden wir durch die Posten nicht befragt. Der junge Mann hat sich mit den Posten dann unterhalten. Mir ist aber nicht bekannt, was sich der junge Mann mit den Posten unterhalten hat. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich von diesem Gespräch mitbekommen, daß die Posten zu dem Mann sagten, sie werden um 03.00 Uhr abgelöst. In welchem Zusammenhang die Posten das sagten kann ich nicht sagen. Durch die Posten konnten wir ungehindert passieren. Wir gingen mit in die Wohnung des jungen Mannes. Hier tranken wir gemeinsam einen Teil des Schnapses, welchen wir mitgenommen hatten. Durch den jungen Mann wurde dann noch die Ehefrau geweckt, welche auch aufstand und uns noch Kaffee kochte. Nachdem wir ca. die halbe Flasche Schnaps getrunken hatten haben wir uns vor der Haustür von der Frau und von dem jungen Mann verabschiedet. Als wir dann auf die Straße raus kamen, kamen uns zwei Posten der NVA Grenze entgegen aus Richtung der Stadt. Diese Posten haben uns kontrolliert und forderten von uns die Personalausweise. Als der Posten die Personalausweise in der Hand hatte muß hinter uns der junge Mann wieder aufgetaucht sein. Ich hatte ihn bis zu diesem Zeitpunkt nicht gesehen, sondern habe nur gehört, wie einer sagte, daß waren meine Gäste, die waren bei mir. Der Posten sagte dann bleiben sie stehen, was ich noch mehrmals hörte. Der Posten ist dann noch zu dem jungen Mann gegangen und beide standen zusammen, ich kann aber nicht sagen, was sie dort gemacht haben. Nach dem Rufen der Posten hörte ich dann Schüsse und sah wie der junge Mann zusammengesunken ist.
Frage: Welcher Posten hat nach ihrer Meinung geschossen,
Antw.: Auf diesen jungen Mann hat nicht der Posten geschossen, der uns kontrolliert hat, sondern der andere der bei unserer Kontrolle die Sicherung übernommen hatte. Der Sicherungsposten stand nach meiner Meinung ca. 5 bis 6 Meter auf der Straße d.h. rechts von uns aus gesehen. Die Entfernung von dem Posten der geschossen hat bis zu dem jungen Mann war ca. 6 Meter. Dasder junge Mann versuchte zu flüchten kann ich nicht sagen, nach meiner Meinung wollte der junge Mann auf den Posten zugehen. Ich habe auch das Anrufen des Posten so verstanden, daß der Mann nicht weiter nicht weiter auf den Posten zu kommen sollte.
Frage: Hatten Sie gewußt, daß Sie sich im Grenzgebiet befanden?
Antw.: Ich hatte nicht gewußt, daß wir ins Grenzgebiet gegangen sind. Wir gingen mit dem jungen Mann mit und machten uns auch keine Gedanken darüber, da ich ja garnicht wußte, daß in dieser Gegend das Grenzgebiet verläuft. Ich habe auch keine Schilder gesehen. Wahrscheinlich ist es auch auf mein Zustand durch den Alkohol zurückzuführen. Als wir beim Betreten dieser Straße durch die Posten der NVA Grenze kontrolliert wurden, machte ich mir auch keine Gedanken darüber. Ich war der Meinung es muß so sein. Durch den jungen Mann wurden wir auch nicht darauf aufmerksam gemacht.
(...)
(geschlossen)
gelesen, genehmigt und unterschrieben
Quelle: BStU. Ast. Potsdam. AU 1474/65. Bd.l. Bl. 44-47