MfS-Bericht über den Fluchtversuch und die Erschießung von Wernhard Mispelhorn
21. August 1964
BerichtGrenzprovokation mit tödlichem Ausgang vom 18. August 1964
Am 18.3.1954 gegen 00.15 Uhr stellten die diensthabenden Posten des 31. Grenzbrigade im Postenbereich "Ofenbau" in Berlin-Schönholz, (Nähe des sowj. Ehrenmales) das aus Kleingartenanlagen besteht, eine männliche Person in gebückter Haltung fest.
Nachdem der Grenzverletzer die Vorsperre überwunden hatte, wurde er zum Stehenbleiben aufgefordert. Dieser Aufforderung kam er nicht nach, so daß das Feuer eröffnet werden mußte, zumal der Grenzverletzer im Laufschritt versuchte die Grenze zu überwinden.
Der Grenzverletzer wurde getroffen. (Kopfschuß)
Nach der Bergung aus dem Grenzgebiet wurde festgestellt, daß es sich bei dem Grenzverletzer um
-
Mispelhorn, Wenhard
geb. am 10. November 1945 in Berlin
Beruf: Schlosser
zul. Montageschlosser im VEB-Chemiefaserkombinat Guben
wohnhaft: Berlin-Buchholz, (...)
Mispelhorn wurde unverzüglich in das Krankenhaus der Volkspolizei eingeliefert, ihm wurde vorzügliche ärztliche Versorgung zuteil.
Am 20. August 1964, gegen 21.30 Uhr erlag er den Folgen seiner Kopfverletzung.
Die im Institut für Gerichtsmedizin durchgeführte Sektion ergab, daß die Schädeldecke neben dem Durchschuß mehrere Frakturen aufweist and Hirnverletzungen bestehen.
Mispelhorn genoß im Wohngebiet und bei seinen Arbeitsstellen keinen guten Leumund.
[...]
Seine Mutter wurde am 20. August 1964, 15.00 Uhr über den bedenklichen Gesundheitszustand ihres Sohnes informiert.
[...]
Die ehe der Eltern wurde vor zwei Jahren geschieden. Eine Schwester des M. wurde 1960 republikflüchtig.
Der Mutter war angeblich nicht bekannt, daß ihr Sohn Wernhard die Absicht hatte, illegal die DDR zu verlassen.
Am 21.8.1964 wurde die Mutter über das Ableben ihres Sohnes informiert.
[...]
Die Urne wird anschließend zum Friedhof Berlin-Buchholz überführt.
Der Mutter wurden sämtliche noch verwertbaren Gegenstände aus dem Besitz ihres Sohnes ausgehändigt.
Die Bestattung der Leiche wird am 22. August 1964 eingeleitet. Es wurden wie üblich, bei sämtlichen Dienststellen (Gerichtsmedizin, Krankenhaus, Standesamt, Krematorium) keine Angaben zum Ereignisort gemacht.
Es wurde gewährleistet, daß die Leichenpapiere nicht in die Hände der Angehörigen gelangen. Da der Eintritt des Todes wesentlich später war, als der Vorfall an der Staatsgrenze, brachte auch der Mutter keine Zeitangabe über das Ereignis gemacht werden. Die ihr übergebene Sterbeurkunde besagt lediglich, daß ihr Sohn am 20.8.1964 gegen 21.30 Uhr in Berlin verstorben ist.
Hase
Oberleutnant
Quelle: BStU, MfS, Ast. Berlin 9016/91, Bl. 3-4