Bericht der DDR-Grenztruppen über den Fluchtversuch von Peter Kreitlow
24. Januar 1963
Betr.: Verhinderter schwerer Grenzdurchbruch unter Anwendung der Schußwaffe durch eine sowjetische Kontrollstreife im Abschnitt der 1./III./2. GB am 24. 1. 63 oo.25 UhrAm 24.1.1963 oo.25 Uhr bemerkte eine Kontrollstreife der sowjetischen Einheit Nieder Neuendorf im Nieder Neuendorfer Wald eine Gruppe Personen, die durch den Wald in Richtung Grenze marschierte. Bei dem Anruf der sowjetischen Posten „Halt" ergriffen die Personen die Flucht in die Tiefe des Waldes. Nach erneutem zweimaligen Haltrufen und Hinterhereilen eines sowjetischen Soldaten versuchten die Personen weiter in die Tiefe des Waldes zu entkommen. Um eine weitere Flucht zu verhindern, machte der sowjetische Soldat von seine Schußwaffe Gebrauch, in dem er zwei Schüsse aus seiner MPi K in Richtung der fliehenden Personen abgab.
Nach Anwendung der Schußwaffe gingen alle Personen in Deckung, wobei eine Person Schmerzensschreie ausstieß. Auf die Aufforderung der sowjetischen Soldaten, aus der Deckung hinter den dicken Bäumen hervorzukommen sammelte sich die Gruppe um eine am Boden liegenbleibende Person, den, wie später festgestellt wurde, tödlich verwundeten: K r e i t h l o w, Peter Martin Kurt, geb. 15.1.1943 in Berlin, Beruf Bäcker, zuletzt wohnhaft Berlin NO 55 (...), von dort polizeilich abgemeldet am 21.12.62, Neuanmeldung erfolgte nicht.
Die sowjetischen Posten verständigten ihre Dienststelle und 01.10 Uhr erschienen am Tatort (PQ 33 77 6) der Kommandeur der sowjetischen Einheit (...) GBr. Hptm. K(...).
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich am Tatort die sowjetische Streife und drei festgenommene Personen:
R(...), Hans Dieter, geb. (...) 42 (...), Spitzendreher, wohnhaft (...), beschäftigt beim Reichsbahnbaubetrieb Rostock, krankgeschrieben seit 11.1.63;
E(...), Peter, geb. (...) 43, (...), Dreher, wohnhaft (...), Reichsbahnwohnlager, beschäftigt beim Reichsbahnbaubetrieb Rostock, krankgeschrieben seit 11.1.63;
H(...), Hans Jürgen, geb. (...) 42 (...), Bauarbeiter, wohnhaft (...) beschäftigt bei VEB Tiefbau Berlin Chausseestr. 4, krankgeschrieben seit ca. einer Woche.
Eine weitere Person, K(...), Bernd, geb. (...) 43 (...), ohne Beruf, wohnhaft (...), beschäftigt bei VEB Baumechanik in Nieder Neuendorf als Schweißer, war bereits zur sowjetischen Dienststelle gebracht worden, wo sie wegen eines Streifschusses an der rechten Halsseite erste Hilfe erhielt. Anschließend wurde der K. zur 1./III./2. GB überführt, wo er durch den Oberarzt Dr. Sch(...) aus Hennigsdorf behandelt wurde.
Maßnahmen:
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Die Organe des Zusammenwirkens, VPKA, Staatsanwalt sowie der 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Oranienburg wurden verständigt.
Der Tatort wurde durch Posten der 1./III./2. GB gesichert.
Die Überführung der festgenommenen Personen erfolgte zur 1./III./2. GB.
Von der Lagerstelle aus verlief die Spur unter Vermeidung einer Waldlichtung weiter in südlicher Richtung bis 5 m vor die Waldschneise im angegebenen Planquadrat, wo die Personen von den sowjetischen Posten gestellt wurden.
Der Festnahmeort befindet sich 1 250 m westlich des Havelufers und 2 000 m nördlich der Grenze (Oberjägerweg).
Die Organe des Zusammenwirkens erschienen gegen 03.00 Uhr am Tatort und führten die weiteren Maßnahmen durch. Durch den Kreisstaatsanwalt wurden Maßnahmen zur Haussuchung bei den festgenommenen Personen eingeleitet.
Entsprechend der Lage in diesem Waldabschnitt hat die sowjetische Streife richtig gehandelt.
Bei dem festgenommenen K(...) handelt es sich um eine Person, die bereits Mitte 1962 wegen Vorbereitung eines schweren Grenzdurchbruchs mit 10 weiteren Jugendlichen festgenommen wurde.
In den ersten informatorischen Vernehmungen geben die festgenommenen Personen an, daß sie die Absicht hatten, vom Klubhaus Hennigsdorf zum Klubhaus des VEB Baumechanik in Nieder Neuendorf zu gehen. Sie wählten den aus der Skizze ersichtlichen Weg, um angeblich den Weg zu verkürzen. Die Wegverkürzung entspricht aber nicht den Tatsachen. Es ist zu vermuten, daß die Personen am Tatort gegenseitige Absprachen führen konnten, die durch die sowjetischen Posten nicht verhindert werden konnten.
- Oberstleutnant - F(...)
Quelle: BArch, VA-07/8462, Bl. 237-230