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Peter Mädler: Bericht der West-Berliner Polizei über den Fluchtversuch

1. Mai 1963

Betr.: Angeblich bei Fluchtversuch erschossener Grepo und Grenzverletzung durch Grepo am 26.4.1963 an der Teltowwerft

Bezug: 1) Fernmündliche Vorausmeldung vom 27.4.63
2) PI Zd – 1 – 1532/63 vom 29.4.63
3) Fernmündliche Anforderung durch den Herrn Kommandeur vom 30.4.63

Termin: 2.5.1963

1. Bericht:

1. Am 30.4. und 1.5.63 wurden folgende Bewohne der Teltowwerft zu dem Vorfall am 26.4.63 eingehend befragt und geben im einzelnen folgende Schilderungen (siehe jeweils anliegende Skizze):

a) Frau Ella S(...)

Um 05.00 Uhr fielen mehrere Schüsse. Frau Sch. und ihr Ehemann standen auf und konnten von ihrem Wohnzimmerfenster im ersten Stock einwandfrei beobachten, wie e i n mit MP. bewaffneter G r e p o von sowjetzonaler Seite über die Böschung hinter dem Hafenbecken West-Berliner Gebiet erreichte und am Hafenbecken entlang in Richtung Kanal eilte. E i n G r e p o blieb auf der Böschung hinter dem Stacheldrahtzaun auf sowjetzonaler Seite mit schußbereiter MP. stehen.

Gegen 11.00 Uhr habe sie an der "Roten Bank" einer Radstreife der Polizei ihre Beobachtungen bezüglich der Schüsse, der Grenzverletzung durch Grepo und einer inzwischen angelaufenen Suchaktion mit Taucher Mitteilung gemacht. Sie selbst war oben auf der Böschung am "Ölhäuschen" mit Wäscheaufhängen beschäftigt, der Beamte befand sich auf dem Böschungsweg in Höhe der "Roten Bank".

Von einer Zollstreife habe sie nichts bemerkt.

b) Frau Elfriede S(...)
(Ehefrau des Horst Schicka)

Um 05.00 Uhr fielen mehrere Schüsse. Beobachtung des einen Grepo wir zu a) (vom zweiten Stockwerk aus). Außerdem bemerkte sie z w e i Grepo außerhalb des Stacheldrahtzaunes auf West-Berliner Seite, und zwar am Beginn der Hafeneinfahrt.

Sie hörte auch, wie diese beiden zwei auf der anderen Seite des Kanals postierten Grepo die Frage zuriefen, ob sie etwas sehen könnten.

Im Laufe des Vormittags beobachtete sie außerdem ein Wasserfahrzeug mit mehreren Grepo und einem Taucher, der sich im Wasser befand. Das Wasserfahrzeug bewegte sich um den im Wasser liegenden Baum herum wie auch auf der gesamten Kanalstrecke zwischen Baum und Unterwassersperre. Ob der Taucher unter Wasser West-Berliner Kanalgebiet betreten hat, konnte sie mit Sicherheit nicht sagen.

Gegen 15.00 Uhr habe sie, als sie von einer Besorgung nach Hause kam, im Vorbeigehen einer R a d s t r e i f e der Polizei ihre Beobachtungen bezüglich der Schüsse, der Grenzverletzung durch Grepo und der Suchaktion Mitteilung gemacht. Sie habe außerdem an den Beamten sinngemäß die Frage gerichtet: "Haben sie den schon raus?", worauf der Beamte antwortete, daß man noch nichts rechtes wisse.

Diese Unterhaltung fand obern auf der Böschung unmittelbar am "Ölhäuschen" statt.

Von einer "Zollstreife" in den frühen Vormittagsstunden war ihr nichts bekannt. Dagegen wußte sie, daß zwischen 16.00 und 17.00 Uhr eine Zoll-Doppelstreife (Offiziere) am Kanal aufhältlich gewesen sei.

c) Horst S(...)

Herr Sch. wußte auch, daß sich gegen 17.00 Uhr zwei Z o l l –beamte am Kanal, und zwar etwa in Höhe des Wohnhauses (...) aufgehalten haben. Er habe ebenso wie die beiden Zollbeamten beobachtet, wie um diese Zeit durch sowjetzonale Feuerwehr mit einem Schlauchboot etwas durch das Wasser an das Boot herangezogen wurde. Er könne nicht sagen, was es war; speziell nicht, ob es sich um eine Person handelte.

Auf jeden Fall aber fand die Bergung des Gegenstandes oder der Person auf einwandfrei sowjetzonalem Gebiet statt, nämlich in dem Teil des Kanals unmittelbar hinter dem Grenzzaun an der Hafeneinfahrt. Die Bergung in das Schlauchboot hinein habe er nicht gesehen, weil von seinem Blickpunkt aus ein anderes Wasserfahrzeug im Wege war. Er habe später nur beobachtet, wie das Schlauchboot auf der anderen Seite des Kanals von v i e r Grepo an Land gebracht wurde, die schwer daran zu tragen hatten.Das Geborgene wurde anschließend mit einem Militärfahrzeug abtransportiert.

d) Friedrich Wilhelm S(...)

Um 05.00 Uhr fielen mehrere Schüsse. Herr Sch. beobachtete kurz darauf von seinem im Parterre gelegenen Wohnzimmerfenster aus z w e i Grepo auf dem Wege vor dem Wohnhaus H(...), ebenfalls auf West-Berliner Gebiet, die nach 10 bis 15 Minuten verschwanden. Während der Suchaktion im Laufe des Tages stellte er auf Grund aufsteigender Luftblasen fest, daß sich der Taucher unter Wasser auf West-Berliner Gebiet bis vor die Mitte der Hafeneinfahrt begeben hatte.

Gegen 17.00 Uhr sah er von der Uferböschung in der Näher des Wohnhauses H(...) aus mit Sicherheit, wie ein uniformierter, toter Grepo in das Schlauchboot der Feuerwehr geborgen wurde. Er habe auch die Zoll-Doppelstreife um diese Zeit bemerkt, die den Vorgang ebenso beobachtete. Gesprochen hat er mit den Zollbeamten nicht.

In der Mittagszeit, wahrscheinlich nach 14.00 Uhr, war er in der Nähe des Kanals beschäftigt und hat um diese Zeit einen einzelnen Zollbeamten auf dem Böschungsweg in Höhe des "Ölhäuschens" wahrgenommen; auch mit diesem hat er nicht gesprochen.

e) Herr H(...)
(Leitender Ingenieur der Teltowwerft)

Er habe lediglich um 05.00 Uhr die Schüsse gehört, sich aber nicht weiter darum gekümmert, weil er im Augenblick durch den kürzlichen Tod seiner Ehefrau seelisch sehr mitgenommen sei, und er an diesem Tage bereits um diese Zeit mit Dispositionen für seine Tagesarbeit beschäftigt war. Er habe insbesondere auch nichts von den angeblichen beiden Grepo vor seinem Hause bemerkt, zumal die Rolladen vor den Fenstern heruntergelassen waren.

Er ist der Meinung, an diesem Tage Herrn Friedrich Wilhelm S(...) im Gespräch mit einem Zollbeamten gesehen zu haben, könne aber keinesfalls eine bindende Zeitangabe machen; auch nicht, ob diese Beobachtung vor- oder nachmittags gemacht wurde.

2. B e f r a g u n g der am 26.4.63 eingesetzt gewesenen
S t r e i f e n R 165 und des EKdos Zd


a) Die 4 vom EKdo eingesetzten Streifen sind insofern für das Geschehen ohne Belang, als 2 von ihnen überhaupt nicht in diesem Gebiet tätig waren, 1 Streife vor 05.00 Uhr eingesetzt war und eine auf der Fahrt in Richtung Teltowwerft zu einem Einsatz abgerufen wurde.

Auf die verhandlungsschriftliche Befragung dieser vier Beamten wurde nach persönlicher Anhörung durch den Herrn Gruppenkommandeur von diesem bereits verzichtet.

b) die FuStw-Streife – Streifenführer PHw P(...) – (Bl 1, Rs.)

von 05.00 Uhr bis 07.00 Uhr wurde auf der Fahrt in den Bezirk Teltowwerft an der Knesebeck-Brücke zu einem Einsatz abgerufen.

c) Die Fußstreife III – PM E(...) – (von 05.00 – 07.00 h) liegt n i c h t im Bezirk Teltowwerft.

d) Die FuStw-Streife des Tagesdtrittels – Streifenführer P(...) – (Bl. 2)

konnte wegen mehrerer Einsätze nur e i n m a l den Bezirk Teltowwerft kurz nach 19.00 Uhr aufsuchen. Beobachtungen wurden nur bezüglich der Reparaturarbeiten an der Unterwassersperre gemacht. Berührungen mit irgendwelchen Personen fanden nicht statt.

e) Die R a d s t r e i f e II – PHw K(...) – (Bl. 1 u. ...)

suchte die Teltowwerft

1. in der Zeit von 11.00 – 13.00 Uhr,
2. von 14.00 – 16.00 Uhr

auf.

Nach seinen Angaben in der ersten verhandlungsschriftlichen Befragung will PHw K(...) nur Beobachtungen hinsichtlich der Reparaturarbeiten an der Unterwassersperre gemacht und weitergemeldet haben.

Erst nach Vorhalt der Angaben von seiten der Frau Ella S(...) und Frau Elfriede S(...), daß diese ihn wegen der Vorkommnisse angesprochen hätten, räumte er ein, daß das der Fall gewesen wäre. Er könne sich zwar nicht mehr daran erinnern, was die beiden Frauen zu den verschiedenen Zeitpunkten im einzelnen gesagt hätten, jedoch hätten ihm beide sinngemäß zur Kenntnis gebracht, daß um 05.00 Uhr von sowjetzonaler Seite aus Schüsse gefallen wären, daß dadurch vermutlich eine Person getroffen wurde, daß eine Suchaktion von sowjetzonaler Seite aus, und daß Grenzverletzungen durch Grepo stattgefunden hätten.

Erst nach Abschluß seiner zweiten Radstreife (also um 16.00) habe er seinem Wachthabenden PM B(...) von den Mitteilungen der Frauen berichtet. Er hätte solange davon abgesehen, weil zwischen dem Geschehen und der Schilderung der Frauen große Zeitspannen lagen, und weil er selbst an dem angeblichen Tatort keine auffälligen Beobachtungen gemacht habe.

Außerdem hätte er sich gesagt, daß längst das Revier oder die Fubz von den Bewohnern der Teltowwerft in Kenntnis gesetzt worden wäre, wenn sich die geschilderten Vorfälle tatsächlich ereignet hätten.

Seine zunächst gemachten unwahren Angaben begründet er auf Blatt 2, Rückseite.

Außer der nachträglichen Berichterstattung an den Wachthabenden hat PHw K(...) nichts veranlaßt.

Auch PM B(...) hat nichts auf die Mitteilungen des PHw K. hin veranlaßt, siehe Blatt 3.

3. Nach den von PK H(...) – geschäftsführender PK / R 165 – durchgeführten Ermittlungen sind Z o l l s t r e i f e n erst ab 14.00 Uhr zum Einsatz gekommen.

II. Stellungnahme:

Nach den durchgeführten Ermittlungen dürfte es als erwiesen anzusehen sein, daß

a) die Beobachtungen der zivilen Z e u g e n in Verbindung mit ihren Standorten möglich waren, glaubhaft sind, und die geschilderten Vorgänge sich tatsächlich abgespielt haben;

b) ein Versäumnis von seiten der Polizei – Radstreife PHw K(...) /Wachthabender PM B(...) insofern vorliegt, als die gemachten Mitteilungen nicht ausgewertet wurden und deshalb keine Maßnahmen ergriffen werden konnten.

III. Dem

Herrn Kommandeur

mit der Bitte um Kenntnisnahme vorgelegt.

Anlage:

- 4 Blatt -
- 1 Skizze –

[...]

Quelle: Polizeihistorische Sammlung/Der Polizeipräsident in Berlin
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