Todesopfer > Jercha, Heinz

Bericht der West-Berliner Polizei über den Tod von Heinz Jercha

28. März 1962

Betr.: In Sektorgrenznähe durch Schußverletzung getöteter West-Berliner und unbefugter Waffenbesitz (Tunnelflucht)

Bezug: R 215 FS 0115 vom 28.3.1962

Bericht:

Am 27.3.62, gegen 20.49 Uhr, wurde durch die Pendelstreife des R 215 unmittelbar an der Grenzmauer in der Heidelberger Str., zwischen Elsen Str., Sinsheimer weg und Treptower Straße 8 MP-Schüsse Einzelfeuer festgestellt.

Gegen 20.58 Uhr Uhr erschien der Bankangestellte (...) wohnhaft, auf dem R 215 und zeigte an, daß im Hausflur des Grundstücks Heidelberger Str. 35 eine männliche Person liege, die eine Schußverletzung aufweist. Mittels Unfallwagen überführte die Feuerwehr den Verletzten zum Krankenhaus "Am Urban", wo der Tod (Lungendurchschuß) festgestellt wurde.

Bei dem Getöteten handelt es sieh um Schlächter Heinz Jercha 1.7.1934 Berlin geboren, Berlin-Wilmersdorf, (...) wohnhaft.

Die gegen 21.06 Uhr benachrichtigten Beamten der Abt. I übernahmen am Ort sofort die Bearbeitung und erhielten im Zug der ersten Ermittlungen Hinweise, daß der Getötete mit seinen Freunden:
    1) (...) 39 (...) geboren,
    2) Wagner, Fritz, Fleischer, (...) 31 geboren,
    3) Seidel, Harry, Zeitungsfahrer, (...) 38 (...) geboren
Fluchtaktionen (Verbringen von Ostberlinern aus dem SBS in den Westsektor) durchgeführt hatten. Die weiteren Ermittlungen ergaben, daß die 4 West-Berliner vom Hauskeller des im Grundstück Heidelberger Str. 35 wohnenden Parterremieters (...) 29 (...) geboren, mit dessen Einverständnis einen Tunnel in einer Länge von ca. 20 m zu einem Kellerraum des gegenüberliegenden Hauses Heidelberger Str. 75 (SBS) angelegt hatten und nach ihren Angaben in den letzten zwei Wochen ca. 30 Ostberliner in den Westsektor durchschleusten.

Die gegen 20.30 Uhr auf dem R 215 erschienenen (...) und Wagner erkundigten sich nach dem Verbleib des Jercha und Seidel und erklärten, am heutigen Tage gegen 19.40 Uhr ein Ehepaar aus den SBS unbemerkt durch den Tunnel geschleust zu haben. Entgegen gemeinsamer Abmachung sollen hiernach Seidel und Jercha noch einmal durch den Tunnel in den SBS gegangen sein.

Seidel, der unmittelbar danach auf dem R 215 erschien, erklärte, Jercha soll sich gegen 20.15 Uhr durch die Haustür des Grundstücks Heidelberger Str. 75 auf die Straße begeben haben, wogegen er am Tunnelende (Heidelberger Str. 75) im Keller sichernd gewartet haben will. Plötzlich habe Seidel einen Schuß gehört, und unmittelbar hierauf habe sich Jercha an ihm vorbei durch den Tunnel zum West-Berliner Gebiet begeben. Seidel, der nachfolgend Blutspuren entdeckte, will aus Sicherheitsgründen den Kellereingang im SBS verriegelt und Sandmengen in den Tunnelanfang geschüttet haben.

Auf dem R 215 wurden durch Abt. I bet Seidel zwei Schußwaffen
    a) 1 Pistole 6,35 mm Modell unbekannt mit 1 Magazin und 7 Schuß Munition und

    b) 1 Gaspistole mit durchbohrtem Lauf und 2 Schuß Bleimantelmunition
vorgefunden und sichergestellt. Jercha und Seidel wollen diese Waffen gemeinsam mitgeführt haben. Seidel wurde vorläufig festgenommen und durch Beamte der Abt. I der dortigen Dienststelle zugeführt.

Rückwärtig des Hauses Heidelberger Str. 35 wurde sofort bis auf weiteres ein Doppelposten mit Gewehr zur Sicherung des Tunneleinstieges aufgestellt und dem Wohnungsinhaber Cieslak hiervon Kenntnis gegeben. Hierbei habe C. auch im großen und ganzen die bisher seit ca. 14 Tagen durchgeführten Fluchtaktionen bestätigt. Eine kurze Ortsbesichtigung in seiner Wohnung ergab, daß der Einstieg zum Tunnel durch den Keller von der Ladenwohnung aus angelegt wurde, und somit dieses Unternehmen kaum den nächsten Hausbewohnern bemerkbar war.

Bis zum Berichtszeitpunkt war dieser Fluchtweg nur den Beteiligten bekannt.

Hinweise, ob der Tunnel von Grepo bereits entdeckt wurde, liegen noch nicht vor. Polizeikräfte am Einsatzort:
    1 Gruppe EKdo Nk, 2 FuStw,
    2 Beamte Abt. I und RVorst.
gez. Unterschrift

Quelle: Polizeihistorische Sammlung/Der Polizeipräsident in Berlin
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