Todesopfer > Noffke, Siegfried

Siegfried Noffke: MfS-Bericht über den Tunnelbau in der Sebastianstraße

28. Juni 1962

Schlußbericht

Betrifft: Operativvorgang "Maulwürfe" Reg.Nr. XV/2563/62

Durch eine Qualle wurde am 4.6.62 folgendes bekannt:

Die (...), geb. am (...), Bln.-Pankow, (...)

gehört einer Gruppe von Personen an, die einen Grenzdurchbruch nach Westberlin planten und vorbereiteten. Zu diesem Zweck wurde von ihrem Ehemann

(...), geb. am (...), Bln.-Spandau, (...)

und dessen Bekannten

(...), geb. am (...), Bln.-Charl., (...) und (...), geb. am (...), SW 61, (...)

am Bau eines Tunnels gearbeitet. Dieser Tunnel hatte seinen Ausgangspunkt in der Sebastianstr. 82, Bezirk Kreuzberg und sollte in der Heinrich-Heine-Straße 49 auf dem Gebiet des demokratischen Berlin enden.

Die o.g. Personen mieteten die leerstehenden Kellerräume einer ehemaligen Schlosserei im Hause Sebastianstr. 82.

Die Länge des Tunnels beträgt nach Fertigstellung 32 m, die Höhe 1 m und die Breite 0,75 m.

Zu den Personen, die geschleust werden sollten, gehören die Angehörigen der Tunnelbauer.

[...]

Auf Anweisung des Genossen Major K(...) und dessen Rücksprache mit Genossen Generalmajor B(...) wurde, da auf Grund vorgekommener Umstände der Tunnel dekonspiriert war, die (...) festgenommen.

Die Vernehmungen der (...) ergaben die Bestätigung der bisher erarbeiteten Fakten.
Sie belastete den (...) als Kurier, die (...), (...) und den (...) als Beteiligte am geplanten Grenzdurchbruch.

Weiterhin sagte sie aus, da3 sich die Tunnelbauer (...), (...) und (...) beim UfJ kennenlernten und beschlossen, den Tunnelbau durchzuführen. Die Finanzierung dieses Unternehmens wurde vom (...) übernommen.

Durch die Vernehmungen sowie durch die operative Bearbeitung konnten bisher noch keine konkreten Beweise erbracht werden, daß sich der UfJ als Initiator am Tunnelbau beteiligt.

Auf Grund der Aussagen der (...) wurden die (...) und der (...) festgenommen.

[...]

Auch nach der Festnahme der genannten Personen wurde der Tunnelbau weiter fortgesetzt. Das Ziel des Operativvorganges blieb deshalb die Festnahme der Tunnelbauer.

Nach den Festnahmen der (...), der (...) und des Kuriers (...) wurde es zu einer Notwendigkeit, durch entsprechende operative Maßnahmen die Gruppe zu spalten. Nach der Spaltung wurde (...) der Organisator und Hauptinitiator des Tunnelbaus.

(...) warb zur Fortsetzung des Tunnelbaus den

Noffke, Siegfried, geb. (...), wohnhaft Bln. SO 36, (...)

und den

(...), geb. (...), wohnhaft Bln. Britz, (...)

sowie den Hauswirt des Hauses Sebastianstr. 82 (...).

Die Ehefrauen dieser beiden Personen

(...), geb. (...), wohnhaft Bln. N 58, (...) und (...), geb. (...), wohnhaft Bln. Treptow, (...)

[...]

Der Genosse Oberleutnant Püschmann, Abteilung II, wurde, ausgerüstet mit einem Fotoapparat und einer Filmkamera, in einen, gedeckten Beobachtungspunkt eingewiesen, von dem aus er die Möglichkeit hatte, alle Vorgänge in der Sebastianstr. fotografisch festzuhalten.

Mit der zuständigen Grenzbrigade wurde vereinbart, daß durch entsprechend ausgewählte Genossen zum Zeitpunkt des Grenzdurchbruchs der Tunnelbauer der o.g. Schacht blitzartig durch Nebelkerzen, Stacheldraht und Sand verschlossen wird, wodurch den Tunnelbauern der Rückweg nach Westberlin abgeschnitten werden sollte.

Für den Zeitpunkt dieser Aktion wurde die Einnebelung der Sebastianstr. vorbereitet und zur Absicherung der Genossen ein SPW herangezogen. Weiterhin wurde ein Sankra bereit gestellt.

[...]

Nachdem der (...) am 28.8.62 um 12.00 Uhr im Keller des Hauses Heinrich-Heine-Str. 89 das vereinbarte Klopfzeichen gab, wurde die Kellerdecke durchbrochen und die Banditen (...) und Noffke kamen aus dem Tunnel in den Keller, während (...) im Tunnel verblieb. Zu diesem Zeitpunkt kamen die vorbereiteten Maßnahmen der Grenzbrigade zur Durchführung.

Danach wurde die Kellertür durch einen operativen Mitarbeiter aufgestoßen und die anwesenden 3 Banditen zum ergeben aufgefordert.

In der Tür standen die Genossen L(...), D(...) und M(...) und hinter diesen Genossen der Genosse Hauptmann S(...). Noch ehe die Banditen sich ergeben konnten, wurde durch versagen der Nerven des Genossen L(...) das Feuer auf die Banditen eröffnet. Dabei wurden alle 3 Banditen verletzt.

Verletzungen trug auch der Genosse L(...) davon, wobei diese offensichtlich durch Querschläge bzw. die Unvorsichtigkeit eines anderen Genossen hervorgerufen wurden.

Der Bandit (...) wurde danach dem Stützpunkt zugeführt und kurz darauf in das Haftkrankenhaus überwiesen. Der Genosse L(...) und der (...) wurden sofort ins VP-Krankenhaus eingeliefert.

Noffke der am schwersten verletzt war, wurde an Ort und Stelle vernommen, wodurch bekannt wurde daß

a) er, der (...) und der (...) sich im Tunnel befanden, b) der Hauswirt des Hauses Sebastianstr. 82 (...) heißt, c) am westlichen Ausgang des Tunnels sich der Polizeiinspektor des zuständigen Kreuzberger Polizeireviers aufhält und d) das Haus Sebastianstr. 82 von Westberliner Polizei ist.

N. ist seinen Verletzungen auf dem Transport zum Haftkrankenhaus erlegen.

Unmittelbar nach der Liquidierung der Banditen übernahm die Grenzbrigade in Zusammenarbeit mit unseren operativen Mitarbeitern die Sicherung des Hauses Heinrich-Heine-Str. 49. Durch den Genossen der Hauptabteilung IX (MUK) wurde der Tatort fotografisch festgehalten.

Durch den gedeckten Beobachter (Genossen P(...)) wurde auf Westberliner Seite während dieser Zeit festgestellt, daß sich mehrere Polizisten sowie Zivilisten auf einen erhöhten Beobachtungspunkt Prinzen- Ecke Sebastianstr. begaben und von dort mittels Fernglas den Tatort beobachteten. Ein Angehöriger der Westberliner Polizei entsicherte seinen Karabiner und brachte ihn in Anschlag.

Gegen 15.00 Uhr erschien im Hause Sebastianstr. 82 zwei männliche Personen in Zivil mit Fotoapparaten, die aus der Parterrewohnung heraus über die Staatsgrenze hinweg Aufnahmen fertigten.

Im Verlaufe des nachmittags wurden die Festnahmen der (...), (...), (...), (...), (...) und des (...) durchgeführt. Im Anschluß daran wurden bei den genannten Personen die Wohnungen durchsucht.

Alle festgenommenen Personen haben bei der ersten Vernehmung bereits ihre Feindtätigkeit zugegeben.

[...]

Alle im Schlußbericht genannten beschuldigten Personen haben aktive Vorbereitungen zum Grenzdurchbruch getroffen.

F(...), Leutnant

Quelle: BStU, MfS, HA I Nr. 6086, Bl. 251-263
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