geboren am 23. November 1942
ertrunken am 17. Oktober 1967
im Nieder Neuendorfer See
am Außenring zwischen Hennigsdorf (Kreis Oranienburg) und Berlin-Heiligensee
Am 17. Oktober 1967 startet der 24-Jährige bei Hennigsdorf seinen Fluchtversuch. Sein Ziel ist der West-Berliner Ortsteil Heiligensee, den er mit einem gestohlenen Boot erreichen will. Elf Tage später wird im Nieder Neuendorfer See Franciszek Piesiks Leiche geborgen.„Mittelgroß, blaue Augen, schwarzes, nach oben gekämmtes, lockiges Haar. Schlankes Gesicht. Besondere Merkmale: Auf dem linken Unterarm hat er ein tätowiertes Abbild eines langhaarigen Mädchens.“ So beschreibt eine damals 18-jährige Bewohnerin des Dorfes Bielinek den sechs Jahre älteren Franciszek Piesik. [1] Die junge Frau ist eine der letzten Personen, die ihm vor seiner Flucht aus Polen begegnen. [2]
Franciszek Piesik, Jahrgang 1942, [3] kennt das Leben im grenznahen Raum aus eigener Erfahrung. Er wächst in einer kinderreichen Familie in Widuchowa an der Oder auf, direkt an der „Friedensgrenze“ zur DDR. Anfang der 1960er-Jahre ist er in der Binnenschifffahrt beschäftigt – unter anderem auf einem Schwimmbagger und beim Flößen von Holz. Später lässt er sich in Bromberg nieder, heiratet und wird Vater einer Tochter. [4] Der junge Mann ist selbstbewusst, mit einer Neigung zum Risiko. Zweimal wird er straffällig und muss ins Gefängnis. Das erste Mal, weil er während seines Wehrdienstes seine Einheit eigenmächtig verlässt, [5] dann wegen Einbruchs in eine Bar [6]. Anfang 1967 ist er wieder frei und erhält einen Job als Schweißer und Lackierer bei den Bromberger Metallwerken. [7]
Die Stadt verlässt er am 30. September 1967. Seiner Frau Elzbieta sagt er lediglich, er wolle in Widuchowa seine kranke Mutter besuchen. [8] Dort aber bleibt er nicht lange. Bereits am 2. Oktober meldet sich Franciszek Piesik bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Gryfino unweit der DDR-Grenze. Mit einem gefälschten Schulzeugnis bekommt er eine Arbeitsstelle in Żarczyn. Diesen Trick wiederholt er anderthalb Wochen später in einer anderen LPG im grenznahen Raum. [9] Während dieser Zeit besucht er seine Brüder Leon und Ryszard, die auf dem Schwimmbagger „Neptun“ in Bielinek an der Oder arbeiten. [10] Den dort Beschäftigten gegenüber spielt er vor, im staatlichen Auftrag landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften zu kontrollieren. [11] Warum Franciszek Piesik das tut, ist unklar. Vielleicht sucht er eine Stelle, an der er den Grenzfluss leicht hätte überqueren können. Möglicherweise ist er aber schon zu diesem Zeitpunkt fest entschlossen, dies in Bielinek zu tun, und braucht nur Zeit, um die Mitarbeiter des Schwimmbaggers für sich zu gewinnen.
Jeder, der den grenznahen Raum zwischen Polen und der DDR besucht, muss sich 1967 innerhalb von 24 Stunden polizeilich anmelden. [12] Franciszek Piesik ignoriert die Vorschrift. [13] Er hat Glück, von niemandem angezeigt zu werden. Offensichtlich hält ihn niemand für einen potenziellen Flüchtling, zumal er einst selber in Bielinek beschäftigt gewesen war.
Am 14. Oktober, einem Samstag, verbringt Franciszek Piesik den Abend wieder auf dem Schwimmbagger „Neptun“ und dem Wohnschiff „Matylda“. Seine Brüder Leon und Ryszard sind nicht mehr da; bereits am Nachmittag haben sie den Bus in Richtung Widuchowa genommen. Franciszek Piesik besteht darauf, auf dem Schwimmbagger „Neptun“ zu übernachten. [14] Gegen Mitternacht fällt einem Mitarbeiter auf, dass er verschwunden ist, ebenso wie der Ruderkahn des Baggers. Die Suche auf der polnischen Seite der Oder erweist sich als erfolglos. Ist der neue Bekannte ertrunken? Hat die Strömung den Kahn mitgerissen? Man entscheidet sich abzuwarten. Bei Tagesanbruch stellt sich heraus, dass der Ruderkahn auf der anderen Oderseite liegt. Damit gerät Franciszek Piesik automatisch unter Fluchtverdacht. Warum aber vertäut er das Boot am DDR-Ufer? Am Morgen des 15. Oktober werden die Grenztruppen im benachbarten Chojna benachrichtigt.
Einen Tag später leitet die Grenztruppenbrigade Stettin ein Ermittlungsverfahren wegen illegalen Grenzübertritts gegen den Gesuchten ein. [15] Den DDR-Grenztruppen werden seine Personalangaben samt Personenbeschreibung und zwei Fotos übermittelt. [16] Tatsächlich gelingt es Franciszek Piesik, unbemerkt in die Umgebung von Berlin zu kommen. Am 17. Oktober taucht er in der Nähe von Hennigsdorf auf, am nördlichen Stadtrand Berlins. Er trägt nicht nur einen Seitenschneider bei sich, sondern auch Skizzen des Grenzverlaufs in dieser Region. [17] Zwar ist Franciszek Piesik bis dahin niemals im Ausland gewesen. Aber er kennt Kollegen in der Binnenschifffahrt, die in die Bundesrepublik Deutschland und andere westliche Länder fahren dürfen. Vielleicht haben sie ihn mit den Details vertraut gemacht.
Am frühen Abend des 17. Oktober 1967 startet der junge Mann seinen Fluchtversuch. Bei Hennigsdorf entwendet er ein Motorboot und tuckert in südliche Richtung. [18] Franciszek Piesik will wohl eine Landzunge umfahren, die den Kanal vom Nieder Neuendorfer See trennt, der nur wenige hundert Meter breit ist. In der Mitte verläuft die Grenzlinie. Am anderen Ufer liegt der West-Berliner Ortsteil Heiligensee. Doch dann fällt das Boot den Grenzposten auf. „Als er aufgefordert wurde anzuhalten, sprang er aus dem Boot ins Wasser … die Kleidung und andere Sachen ließ er zurück“, schreibt später ein polnischer Grenzoffizier, der sich auf Auskünfte eines ostdeutschen Kollegen beruft. [19] Aus einer anderen Meldung geht hervor, dass Franciszek Piesik die sumpfige Landzunge noch erreichen kann und erst dort seine Sachen zurücklässt. [20] Auf jeden Fall muss er seinen ursprünglichen Plan ändern und nun den Nieder Neuendorfer See durchschwimmen. Für einen jungen Mann, der an der Oder aufgewachsen ist, stellt das unter normalen Umständen kein Problem dar. Es ist aber bereits der dritte Tag der Flucht, und es herrscht kühles Herbstwetter. Das Wasser hat kaum mehr als zehn Grad. Ertrinkt Franciszek Piesik wegen Unterkühlung und Entkräftung? Oder versteckt er sich vielleicht im sumpfigen Schilf und kommt dort ums Leben?
Die DDR-Grenzer informieren ihre polnischen Kollegen zunächst, dass geschossen worden sei; die Mitteilung wird aber bald dementiert. [21] Ein interner Bericht der Nationalen Volksarmee (NVA) rügt sogar die „Nichtanwendung der Schusswaffe zur Festnahme oder Vernichtung des Grenzverletzers“. [22] Eine Meldung der West-Berliner Polizei stärkt diese Version. „Ein Schusswaffengebrauch durch ‚NVA‘ in dem in Rede stehenden Zeitraum ist nicht bekannt geworden“, heißt es. [23]
Die DDR-Grenzer gehen zunächst davon aus, dass die Flucht gelungen ist. [24] Nach elf Tagen, am 28. Oktober, wird aber auf der West-Berliner Seite des Sees Franciszek Piesiks Leiche geborgen. [25] Seine Atemwege, so ergibt die Obduktion, sind voller Schlamm. Hinweise auf äußere Gewalt gibt es nicht. [26]
Typisch für kommunistische Staaten ist der Umgang der polnischen Behörden mit der Familie des Flüchtlings. Franciszek Piesiks Angehörige erinnern sich an häufige Besuche von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes. Sie werden verhört und eingeschüchtert, ihre Wohnungen sorgfältig durchsucht. Über Fortschritte bei den Ermittlungen erhalten sie keine Auskünfte. [27] Franciszek Piesiks Ehefrau, die sich an die Grenztruppen wendet, erfährt im Frühjahr 1968, ihr Mann habe die Grenze zur DDR illegal überquert – sein weiteres Schicksal sei unbekannt. [28] Der West-Berliner Polizei stellt die polnische Seite Mitte Januar 1968 Fingerabdrücke zur Verfügung. Damit kann der Tote zweifelsfrei identifiziert werden. [29] Fast ein halbes Jahr nach seinem Tod wird Franciszek Piesik auf dem Friedhof Berlin-Heiligensee beigesetzt [30] - genau in dem Ortsteil, den er im Oktober 1967 hatte erreichen wollen. Weil die Grabmiete unbezahlt bleibt, wird das Grab nach wenigen Jahren aufgelöst. [31]
Bis heute ist unklar, warum sich Franciszek Piesik 1967 entschied, Polen zu verlassen. Im Ermittlungsverfahren wird darauf hingewiesen, er habe in Briefkontakt mit Personen in Essen und Düsseldorf gestanden. [32] Die Familie bestätigt, Post aus der Bundesrepublik bekommen zu haben. [33]Vermutlich hat Franciszek Piesik vor, seine Verwandten in Essen zu besuchen. Nimmt er in Kauf, dass seine Frau und Tochter in Bromberg blieben? Spielen möglicherweise Eheprobleme eine Rolle - oder eher die Tatsache, dass seine Mutter schwer erkrankt ist und Medikamente braucht, die in Polen nicht erhältlich sind? Will er vielleicht einfach nur in Freiheit leben? Man wird es wahrscheinlich nie erfahren.
Text: Filip Ganczak/Magdalena Dźwigał
Franciszek Piesik, Jahrgang 1942, [3] kennt das Leben im grenznahen Raum aus eigener Erfahrung. Er wächst in einer kinderreichen Familie in Widuchowa an der Oder auf, direkt an der „Friedensgrenze“ zur DDR. Anfang der 1960er-Jahre ist er in der Binnenschifffahrt beschäftigt – unter anderem auf einem Schwimmbagger und beim Flößen von Holz. Später lässt er sich in Bromberg nieder, heiratet und wird Vater einer Tochter. [4] Der junge Mann ist selbstbewusst, mit einer Neigung zum Risiko. Zweimal wird er straffällig und muss ins Gefängnis. Das erste Mal, weil er während seines Wehrdienstes seine Einheit eigenmächtig verlässt, [5] dann wegen Einbruchs in eine Bar [6]. Anfang 1967 ist er wieder frei und erhält einen Job als Schweißer und Lackierer bei den Bromberger Metallwerken. [7]
Die Stadt verlässt er am 30. September 1967. Seiner Frau Elzbieta sagt er lediglich, er wolle in Widuchowa seine kranke Mutter besuchen. [8] Dort aber bleibt er nicht lange. Bereits am 2. Oktober meldet sich Franciszek Piesik bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Gryfino unweit der DDR-Grenze. Mit einem gefälschten Schulzeugnis bekommt er eine Arbeitsstelle in Żarczyn. Diesen Trick wiederholt er anderthalb Wochen später in einer anderen LPG im grenznahen Raum. [9] Während dieser Zeit besucht er seine Brüder Leon und Ryszard, die auf dem Schwimmbagger „Neptun“ in Bielinek an der Oder arbeiten. [10] Den dort Beschäftigten gegenüber spielt er vor, im staatlichen Auftrag landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften zu kontrollieren. [11] Warum Franciszek Piesik das tut, ist unklar. Vielleicht sucht er eine Stelle, an der er den Grenzfluss leicht hätte überqueren können. Möglicherweise ist er aber schon zu diesem Zeitpunkt fest entschlossen, dies in Bielinek zu tun, und braucht nur Zeit, um die Mitarbeiter des Schwimmbaggers für sich zu gewinnen.
Jeder, der den grenznahen Raum zwischen Polen und der DDR besucht, muss sich 1967 innerhalb von 24 Stunden polizeilich anmelden. [12] Franciszek Piesik ignoriert die Vorschrift. [13] Er hat Glück, von niemandem angezeigt zu werden. Offensichtlich hält ihn niemand für einen potenziellen Flüchtling, zumal er einst selber in Bielinek beschäftigt gewesen war.
Am 14. Oktober, einem Samstag, verbringt Franciszek Piesik den Abend wieder auf dem Schwimmbagger „Neptun“ und dem Wohnschiff „Matylda“. Seine Brüder Leon und Ryszard sind nicht mehr da; bereits am Nachmittag haben sie den Bus in Richtung Widuchowa genommen. Franciszek Piesik besteht darauf, auf dem Schwimmbagger „Neptun“ zu übernachten. [14] Gegen Mitternacht fällt einem Mitarbeiter auf, dass er verschwunden ist, ebenso wie der Ruderkahn des Baggers. Die Suche auf der polnischen Seite der Oder erweist sich als erfolglos. Ist der neue Bekannte ertrunken? Hat die Strömung den Kahn mitgerissen? Man entscheidet sich abzuwarten. Bei Tagesanbruch stellt sich heraus, dass der Ruderkahn auf der anderen Oderseite liegt. Damit gerät Franciszek Piesik automatisch unter Fluchtverdacht. Warum aber vertäut er das Boot am DDR-Ufer? Am Morgen des 15. Oktober werden die Grenztruppen im benachbarten Chojna benachrichtigt.
Einen Tag später leitet die Grenztruppenbrigade Stettin ein Ermittlungsverfahren wegen illegalen Grenzübertritts gegen den Gesuchten ein. [15] Den DDR-Grenztruppen werden seine Personalangaben samt Personenbeschreibung und zwei Fotos übermittelt. [16] Tatsächlich gelingt es Franciszek Piesik, unbemerkt in die Umgebung von Berlin zu kommen. Am 17. Oktober taucht er in der Nähe von Hennigsdorf auf, am nördlichen Stadtrand Berlins. Er trägt nicht nur einen Seitenschneider bei sich, sondern auch Skizzen des Grenzverlaufs in dieser Region. [17] Zwar ist Franciszek Piesik bis dahin niemals im Ausland gewesen. Aber er kennt Kollegen in der Binnenschifffahrt, die in die Bundesrepublik Deutschland und andere westliche Länder fahren dürfen. Vielleicht haben sie ihn mit den Details vertraut gemacht.
Am frühen Abend des 17. Oktober 1967 startet der junge Mann seinen Fluchtversuch. Bei Hennigsdorf entwendet er ein Motorboot und tuckert in südliche Richtung. [18] Franciszek Piesik will wohl eine Landzunge umfahren, die den Kanal vom Nieder Neuendorfer See trennt, der nur wenige hundert Meter breit ist. In der Mitte verläuft die Grenzlinie. Am anderen Ufer liegt der West-Berliner Ortsteil Heiligensee. Doch dann fällt das Boot den Grenzposten auf. „Als er aufgefordert wurde anzuhalten, sprang er aus dem Boot ins Wasser … die Kleidung und andere Sachen ließ er zurück“, schreibt später ein polnischer Grenzoffizier, der sich auf Auskünfte eines ostdeutschen Kollegen beruft. [19] Aus einer anderen Meldung geht hervor, dass Franciszek Piesik die sumpfige Landzunge noch erreichen kann und erst dort seine Sachen zurücklässt. [20] Auf jeden Fall muss er seinen ursprünglichen Plan ändern und nun den Nieder Neuendorfer See durchschwimmen. Für einen jungen Mann, der an der Oder aufgewachsen ist, stellt das unter normalen Umständen kein Problem dar. Es ist aber bereits der dritte Tag der Flucht, und es herrscht kühles Herbstwetter. Das Wasser hat kaum mehr als zehn Grad. Ertrinkt Franciszek Piesik wegen Unterkühlung und Entkräftung? Oder versteckt er sich vielleicht im sumpfigen Schilf und kommt dort ums Leben?
Die DDR-Grenzer informieren ihre polnischen Kollegen zunächst, dass geschossen worden sei; die Mitteilung wird aber bald dementiert. [21] Ein interner Bericht der Nationalen Volksarmee (NVA) rügt sogar die „Nichtanwendung der Schusswaffe zur Festnahme oder Vernichtung des Grenzverletzers“. [22] Eine Meldung der West-Berliner Polizei stärkt diese Version. „Ein Schusswaffengebrauch durch ‚NVA‘ in dem in Rede stehenden Zeitraum ist nicht bekannt geworden“, heißt es. [23]
Die DDR-Grenzer gehen zunächst davon aus, dass die Flucht gelungen ist. [24] Nach elf Tagen, am 28. Oktober, wird aber auf der West-Berliner Seite des Sees Franciszek Piesiks Leiche geborgen. [25] Seine Atemwege, so ergibt die Obduktion, sind voller Schlamm. Hinweise auf äußere Gewalt gibt es nicht. [26]
Typisch für kommunistische Staaten ist der Umgang der polnischen Behörden mit der Familie des Flüchtlings. Franciszek Piesiks Angehörige erinnern sich an häufige Besuche von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes. Sie werden verhört und eingeschüchtert, ihre Wohnungen sorgfältig durchsucht. Über Fortschritte bei den Ermittlungen erhalten sie keine Auskünfte. [27] Franciszek Piesiks Ehefrau, die sich an die Grenztruppen wendet, erfährt im Frühjahr 1968, ihr Mann habe die Grenze zur DDR illegal überquert – sein weiteres Schicksal sei unbekannt. [28] Der West-Berliner Polizei stellt die polnische Seite Mitte Januar 1968 Fingerabdrücke zur Verfügung. Damit kann der Tote zweifelsfrei identifiziert werden. [29] Fast ein halbes Jahr nach seinem Tod wird Franciszek Piesik auf dem Friedhof Berlin-Heiligensee beigesetzt [30] - genau in dem Ortsteil, den er im Oktober 1967 hatte erreichen wollen. Weil die Grabmiete unbezahlt bleibt, wird das Grab nach wenigen Jahren aufgelöst. [31]
Bis heute ist unklar, warum sich Franciszek Piesik 1967 entschied, Polen zu verlassen. Im Ermittlungsverfahren wird darauf hingewiesen, er habe in Briefkontakt mit Personen in Essen und Düsseldorf gestanden. [32] Die Familie bestätigt, Post aus der Bundesrepublik bekommen zu haben. [33]Vermutlich hat Franciszek Piesik vor, seine Verwandten in Essen zu besuchen. Nimmt er in Kauf, dass seine Frau und Tochter in Bromberg blieben? Spielen möglicherweise Eheprobleme eine Rolle - oder eher die Tatsache, dass seine Mutter schwer erkrankt ist und Medikamente braucht, die in Polen nicht erhältlich sind? Will er vielleicht einfach nur in Freiheit leben? Man wird es wahrscheinlich nie erfahren.
Text: Filip Ganczak/Magdalena Dźwigał
[1]
Oświadczenie [Erklärung], Bielinek, den 15. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 17-18.
[2]
Mit dem Geschehensablauf vom Oktober 1967 und dem Tod von Franciszek Piesik haben sich bislang folgende Veröffentlichungen befasst: Martin Ahrends/Udo Baron, Franciszek Piesik, in: Hans-Hermann Hertle/Maria Nooke u.a., Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961 – 1989. Ein biographisches Handbuch, 2. Aufl., Berlin 2009, S. 258-259; Magdalena Dźwigał/Filip Gańczak, Mężczyzna z tatuażem, in: Pamięć.pl 10 (39)/2014, S. 48-51; Filip Gańczak/Magdalena Dźwigał, Mysteriöser Tod eines Polen an der DDR-Grenze, in: Die Welt (Online), 17.10.2014, https://www.welt.de/geschichte/article133382631/Mysterioeser-Tod-eines-Polen-an-der-DDR-Grenze.html (Zugriff: 30.6.2017); Magdalena Dźwigał, Franciszek Piesik – jedyna polska ofiara muru berlińskiego, in: Dzieje Najnowsze 2/2015, S. 109-125; Adam Zadworny, Przypadek Franciszka Piesika, in: Gazeta Wyborcza Szczecin, 15.4.2016, S. 6. - In diesem Beitrag werden die Ergebnisse der bisherigen Recherchen in polnischen und deutschen Archiven zusammengefasst und ergänzt.
[3]
Sein Geburtsdatum wird teilweise mit dem 23. November 1943 angegeben, siehe z.B. A[ndrzej] Zub, Meldunek [Meldung], Chojna, den 16. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 6-8.
[4]
Sein Lebensweg wird detailliert dargestellt in: M. Dźwigał, Franciszek Piesik – jedyna polska ofiara muru berlińskiego, op.cit.
[5]
AWT [Militärarchiv in Thorn], OSW, 151-91/5153, Akta dochodzenia przeciwko Franciszkowi Piesikowi [Ermittlungsakten im Fall Franciszek Piesik].
[6]
Józef Idczak, Notatka służbowa [Dienstnotiz], Szczecin (Stettin), den 11. Dezember 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 55-57, hier: Bl. 55-56.
[7]
PPHU „Fart“ Zakład Składowania Akt w Inowrocławiu [PPHU „Fart“ Aktenlagerung Inowrocław], Akta personalne Franciszka Piesika [Personalakte Franciszek Piesik].
[8]
Überlieferungen von Piesiks Angehörigen (unveröffentlicht), gesammelt von Magdalena Dźwigał. In einem Bericht ist dagegen vom „kranken Vater” die Rede, siehe Józef Idczak, Notatka służbowa [Dienstnotiz], Szczecin (Stettin), den 11. Dezember 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 56.
[9]
Józef Idczak, Plan czynności operacyjno-dochodzeniowych do spr. nr 42/67 przeciwko Franciszkowi Piesik [Plan der operativen und Ermittlungshandlungen im Fall Nr. 42/67 gegen Franciszek Piesik], Szczecin (Stettin), den 17. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 25-29, hier: Bl. 26-27.
[10]
A[ndrzej] Zub, Meldunek [Meldung], Chojna, den 16. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 6.
[11]
Oświadczenie [Erklärung], Bielinek, den 15. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 15-16; Władysław Brzozowski, Schreiben an die Führung der Grenztruppen in Warschau, Szczecin (Stettin), den 25. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 30-32, hier: Bl. 31.
[12]
Uchwała Nr 544 Rady Ministrów z dnia 28 sierpnia 1956 r. w sprawie znaków granicznych, utrzymania przejść granicznych oraz zamieszkania i pobytu w strefie nadgranicznej, M.P. 1956 nr 71 poz. 861 § 12. [Beschluss Nr. 544 des Ministerrates vom 28. August 1956].
[13]
Archiwum Straży Granicznej Szczecin [Archiv des Grenzschutzes Stettin], Dowództwo Wojsk Ochrony Pogranicza [Kommando der Grenztruppen], sygn. 1942/10, Analiza bezkarnego przerwania ujawnionego w miesiącu październiku 1967 r. na odcinku strażnicy Piasek Baonu Chojna [Analyse eines Grenzdurchbruches im Oktober 1967 im Bereich des Wachturms Piasek / Bataillon Chojna], den 8. Dezember 1967, Bl. 125-126.
[14]
Der hier und in den folgenden zwei Absätzen skizzierte Ablauf des Geschehens basiert auf: A[ndrzej] Zub, Meldunek [Meldung], Chojna, den 16. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 6-7; Erklärungen von Augenzeugen, ebd., Bl. 10–20; Józef Idczak, Plan czynności operacyjno-dochodzeniowych do spr. nr 42/67 przeciwko Franciszkowi Piesik [Plan der operativen und Ermittlungshandlungen im Fall Nr. 42/67 gegen Franciszek Piesik], Szczecin (Stettin), den 17. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, ebd., Bl. 25-29.
[15]
Józef Idczak, Postanowienie o wszczęciu dochodzenia [Beschluss zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens], Szczecin (Stettin), den 16. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 24.
[16]
Protokół spotkania – posiedzenia granicznego z dnia 18.10.67 r. (odpis) [Protokoll eines Treffens / einer Grenzsitzung vom 18. Oktober 1967 (Abschrift)], (Chojna), in: AIPN, By 092/179, Bl. 45.
[17]
Bericht der West-Berliner Polizei vom 31. Oktober 1967, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 42. Bei der Leiche wurden später unter anderem sein Schifffahrtsausweis sowie zahlreiche Fotos gefunden, siehe Kopien von Dokumenten und Gegenständen, die bei der Wasserleiche gefunden wurden, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 61-93.
[18]
Operative Tagesmeldung Nr. T 290/67 der NVA/Kommando der Grenztruppen, 28. Oktober 1967, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 27/28, hier: Bl. 27.
[19]
Władysław Brzozowski, Schreiben an die Führung der Grenztruppen in Warschau, Szczecin (Stettin), den 25. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 31.
[20]
Operative Tagesmeldung Nr. T 290/67 der NVA/Kommando der Grenztruppen, 28. Oktober 1967, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 27.
[21]
Władysław Brzozowski, Schreiben an die Führung der Grenztruppen in Warschau, Szczecin (Stettin), den 15. Dezember 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 58-59.
[22]
Operative Tagesmeldung Nr. T 290/67 der NVA/Kommando der Grenztruppen, 28. Oktober 1967, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 28.
[23]
Bericht der West-Berliner Polizei vom 13. Dezember 1967, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 100.
[24]
J. Lesiński, Notatka służbowa (odpis) [Dienstnotiz (Abschrift)], Chojna, den 25. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 46.
[25]
Siehe z.B. Roger D. Hart an L[ucjan] Lik (Übersetzung aus dem Englischen), (Westberlin), den 18. März 1968, in: AIPN, By 092/179, Bl. 81; Władysław Brzozowski, Schreiben an die Führung der Grenztruppen in Warschau, Szczecin (Stettin), den 2. Oktober 1968, in: AIPN, By 092/179, Bl. 90.
[26]
Obduktionsgutachten zum Fall Franciszek Piesik (Übersetzung aus dem Deutschen ins Polnische), Berlin, 30. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 71-78. Vgl. Bericht der West-Berliner Polizei vom 31. Oktober 1967, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 42.
[27]
Überlieferungen von Piesiks Angehörigen (unveröffentlicht), gesammelt von Magdalena Dźwigał.
[28]
Władysław Brzozowski, Schreiben an die Führung der Grenztruppen in Warschau, Szczecin (Stettin), den 4. Mai 1968, in: AIPN, By 092/179, Bl. 61.
[29]
Bericht der West-Berliner Polizei vom 16. Januar 1968, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 104.
[30]
Vermerk der West-Berliner Polizei vom 18. April 1968, in: LAB, D Rep. 120-02, Nr. 81, Bl. 106. Die polnische Militärmission in West-Berlin war demnach mit einer Sozialbestattung in West-Berlin einverstanden.
[31]
Überlieferungen von Piesiks Angehörigen (unveröffentlicht), gesammelt von Magdalena Dźwigał.
[32]
J. Lesiński, Notatka służbowa (odpis) [Dienstnotiz (Abschrift)], Chojna, den 25. Oktober 1967, in: AIPN, By 092/179, Bl. 47.
[33]
Überlieferungen von Piesiks Angehörigen (unveröffentlicht), gesammelt von Magdalena Dźwigał.