MfS-Bericht über die Erschießung von Hermann Döbler
15. Juni 1965
Bericht-
über die .Anwendung der Schußwaffe gegen zwei Grenzverletzer mit Motorsportboot bei der Verletzung des Territoriums der DDR mit provokatorischem Charakter im Abschnitt der 4. Kompanie des Grenzregiments 46 (Teltow-Kanal, Dreilinden)
Genanntes Boot war mit einer ca. 30-jährigen Frau und einem gleichaltrigen Mann besetzt. Das Boot fuhr unter Beibehaltung der Geschwindigkeit in das Wasserterritorium der DDR ein. Vordem betrachteten sich die Insassen das auf Westberliner Seite stehende Schild „Achtung! Sie verlassen den amerikanischen Sektor."
Trotzdem fuhren sie weiter in das Territorium der DDR, wobei sie gleichzeitig die Handlungen des auf dem B-Turm am Teltow-Knal eingesetzten Grenzposten beobachteten.
Nachdem die Personen mit ihrem Boot ca. 60 Meter das DDR-Territorium verletzt hatten, wurde durch das auf dem B-Turm am Kanal eingesetzte Postenpaar, entsprechend des Kampfbefehles, gehandelt.
Der Postenführer Uffz. (...)
- geb. am (...) in Haldensleben
wohnhaft in (...) Kr. Haldensleben
Dienststellung: Gruppenfühere
NVA seit: 05.05.1964
organisiert: FDJ
- geb. am (...) in Leipzig
wohnhaft in (...)/ Leipzig, (...)
Dienststellung: Postenführer
NVA seit: 05.11.1964
nicht organisiert
Gl „Erich Jackl", Reg.-Nr. XVIII-1735/65
Ihr Kampfauftrag lautete: „Während Ihrer Dienstzeit keine Grenzverletzungen zuzulassen, Grenzverletzer festzunehmen oder zu vernichten. Keine Provokationen an der Staatsgrenze zuzulassen."
Entsprechend ihrem Kampfbefehl beobachteten die Grenzposten die Handlungen der Grenzverletzer mit ihrem Motorsportboot. Nachdem sie feststellten, daß die Grenzverletzer trotz des Lesens des Schildes „Sie verlassen den amerikanischen Sektor" weiter in Sichtung DDR fuhren und diese dazu noch die Handlungen der Grenzposten beobachteten, wurde, nachdem das Boot ca. 60 Meter auf DDR-Territorium war, durch den Postenführer ein Warnfeuerstoß aus dem LMG hinter das Heck des Bootes abgefeuert. Die Insassen reagierten jedoch nicht darauf und fuhren weiter in Richtung der Pioniersperre im Teltow-Kanal. Nach Abgabe des Warnfeuerstoßes wurde entsprechend des Befehles, da die Insassen nicht reagierten, drei gezielte Feuerstöße auf das Boot abgegeben. Während des 5. und 6. Feuerstoßes wendete das Motorsportboot auf dem Territorium der DDR und trieb durch die Motorkraft in der Strömung an das Westberliner Ufer ab.
Während der Feuerführung aus dem LMG auf das Boot konnte durch die Posten beobachtet werden, daß die männliche Person im Boot zusammenbrach und auch die weibliche Person vermutlich getroffen wurde. Durch den Postenführer wurden aus dem LMG insgesamt 22 Schuß auf die Insassen des Motorsportbootes abgefeuert. Der Posten sicherte in dieser Zeit die Handlungen seines Postenführers in Richtung US-KP Kohlhasenbrück.
14.10 Uhr wurden die Insassen des an Westberliner Ufer angetriebenen Bootes durch einen Duepo und zwei Zöllner, die von US-KP den Grenzverletzern zu Hilfe eilten, geborgen. Von diesen wurde 1. Hilfe geleistet und die weibliche Person zuerst mit einer Tragbahre weggebracht. Danach wurde der Mann, welcher regungslos auf dem Erdboden lag, abtransportiert. Beide wurden durch Sanitätsfahrzeuge ins Westberliner Hinterland gefahren.
Während dieser Handlungen sammelten sich auf Westberliner Gebiet am Bergungsort ca. 10 Zivilpersonen an und 20 weitere standen auf der Autobahnbrücke in unmittelbarer Nähe und blickten zum Bergungsort.
Gegen 14.15 Uhr gingen 3 hinzukommende Duepos auf Westberliner Seite des Teltow-Kanals in Stellung und richteten ihre Mpi auf das Territorium der DDR.
In dieser Zeit fotografierten 3 weitere Duepos den Ort der Handlung.
Gegen 14.20 Uhr erschienen 5 US-Militärpolizisten und gegen 14.22 Uhr fuhr 1 US-Motorboot mit 3 Besatzern am Bergungsort vor. Durch die US-Besatzer wurde ebenfalls der Ort der Handlung fotografiert.
Gegen 14.40 Uhr gingen auf Westberliner Seite des Teltow-Kanals 8 weitere Duepos, ausgerüstet mit Schnellfeuergewehren und Stahlhelmen, in Stellung, ohne besondere Handlungen auszuführen.
Gegen 15.50 Uhr wurde das angetriebene Boot durch 6 Duepos, 3 US-Besatzer und 7 Zivilpersonen geborgen und zum US--KP abtransportiert.
Von 15.50 Uhr bis 17.08 Uhr befanden sich am Ort der Handlung 3 US-Besatzer sowie 3 Zivilpersonen, welche intensiv das Territorium der DDR beobachteten. Gegen 17.08 Uhr verließen die Duepos, US-Besatzer und Zivilpersonen den Ort der Handlung und begaben sich zum US-KP.
In der gesamten Zeit der Handlung kam es außer dem Einrichten der Waffen in Richtung Territorium der DDR zu keinen weiteren provokatorischen Handlungen von Westberliner Seite.
Die bisherige Untersuchung dieses besonderen Vorkommnisses zu den handelnden Posten auf dem B-Turm ergab, daß nach Einschätzung des Militärstaatsanwaltes, des an der Untersuchung teilnehmenden Stabschefs der 4. Grenzbrigade und der Untersuchungskommission der 4. Grenzbrigade die Handlungen des Postenpaares konsequent entsprechend der Grenzdienstvorschrift und des gegebenen Kampfbefehles erfolgten.
Durch den Kommandeur der 4. Grenzbrigade wurden folgende militärische Maßnahmen befohlen:
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- Auslösung Grenzalarm in der 4. Grenzkompanie des Grenzregiments 46 und Einsatz der Alarmgruppe der genannten Kompanie.
- Einsatz von zwei SPW mit der Besatzung von 0/1/5 von der schweren Grenzkompanie sowie des Reservezuges des Regiments in der Stärke von 1/1/15.
- Bildung einer Untersuchungskommission unter Leitung des Stabschefs der 4. Grenzbrigade.
Eingeleitete Maßnahmen des Leiters der Unterabteilung:
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1. Auswertung des Vorkommnisses mit allen Operativgruppenleitern zur individuellen erzieherischen Einflußnahme auf den Bestand der inoffiziellen Mitarbeiter hinsichtlich des konsequenten Handelns durch Anwendung der Schußwaffe entsprechend des Kampfbefehls für die Grenzsicherungskräfte.
2. Auswertung der konsequenten Anwendung der Schußwaffe mit allen inoffiziellen Kategorien zur weiteren patriotischen Erziehung und Festigung des sozialistischen Bewußtseins.
3. Einbeziehung des Uffz.(...) in die inoffizielle Abwehrarbeit der Operativgruppe des Grenzregiments 46 mit dem Ziel der Werbung als Gl und der Qualifizierung zur Lösung besonderer Aufgaben an Schwerpunkten.
4. Verstärkte Einbeziehung des an der Handlung teilgenommenen GI „Erich Jackl" in die inoffizielle Arbeit der Operativgruppe des Grenzregiments 46 mit dem Ziel des Einsatzes an provokationsgefährdeten Abschnitten der Staatsgrenze zur Verhinderung jeglicher Feindhandlungen.
B(...) Major
Quelle: BStU, MfS, ZAIG Nr. 10717, Bl. 184-188