Todesopfer > Buttkus, Christian

MfS-Abschlussbericht über den Fluchtversuch und die Erschießung von Christian Buttkus

4. März 1965

Abschlußbericht

über verhinderten Grenzdurchbruch am 4.3.65
durch Anwendung der Schußwaffe mit tötlichem Ausgang

Am 4. 3. 1965 gegen 01.30 Uhr versuchten die Grenzverletzer
    Butthus, Christian geb. am 21. 2. 44 in Tilsit whft.: Berlin-Schönhausen (...) Beruf: Chemiefacharbeiter VEB Berlin-Chemie
und seine Freundin
    (...) geb. am (...) 41 in Kleinmachnow (...) whft.: Berlin (...) Beruf: Studentin (...)
die Staatsgrenze nach Westberlin zu durchbrechen. Aus Richtung Kleinmachnow kommend überquerten sie den Teerofendamm und näherten sich der Grenze durch den Wald. Die Grenzverletzer umgingen den Kfz-Sperrgraben ca. 150 m rechts vom Stahnsdorfer Damm in Höhe Durchschub an der Autobahn zwischen US-KP Kohlhaasenbrück und der Zehlendorfer Spinne.

Ungefähr 60 bis 80 Meter vor der PTA lösten die Grenzverletzer ein Signalgerät aus. Der auf dem Stahnsdorfer Damm eingesetzte Grenzposten
    Postenführer (...) geb. am (...) 43 in Crimmitschau whft.: Crimmitschau, (...) organisiert: FDJ NVA seit 1.11.63

    Posten Sold. (...) geb. am (...) 43 in O(...) whft.: (...) Hr. Wolmirstedt nicht organisiert NVA seit 5.5.64
stellte das Auslösen des Signalgerätes am Durchschub, Entfernung ca. 200 Meter vom Standort des Grenzpostens, fest und sah, wie sich zwei weißbekleidete Personen in Richtung Staatsgrenze bewegten. Durch beide Grenzposten wurde sofort das Feuer auf die Grenzverletzer eröffnet.

Der sich aus Richtung Dreilinden kommende Stellvertreter des Zugführers
    Feldw. D(...), Günter geb. am (...) 43 in Klingenthal whft.: Klingenthal, (...) organisiert: SED NVA seit 25.8.61
und sein Begleitposten
    Uffz. G(...), Peter geb. am (...) 44 in Bredenfelde organisiert: SED NVA seit 5.5.64
befanden sich ca. 10 Meter vom Stahnsdorfer Damm und stellten ebenfalls die Auslösung des Signalgerätes am Durchschub fest. Sie setzte sieh sofort in Richtung Durchschub in Marsch. An der Brücke Stahnsdorfer Damm wurde ihnen durch die bereits Feuerführenden Grenzposten zugerufen, daß zwei Personen die Grenze durchbrechen wollten.

Da die Personen sich weiter in Richtung PTA bewegten, führten beide Postenpaare weiter das Feuer auf die Grenzverletzer. Feldw. D(...) erteilte den Befehl zur Verfolgung. Dabei wurde aus dem kurzen Halt weiter das Feuer gegen die Grenzverletzer durch alle vier Genossen geführt.

In Höhe der Durchbruchstelle ca. 60 bis 80 Meter vor der PTA wurde festgestellt, daß die Grenzverletzer bereits die 3. u. 2. Fahlreihe der PTA durchkrochen hatten. Da sie den Aufforderungen zurückzukommen, nicht Folge leisteten und keine andere Möglichkeit der Festnahme vorhanden war, wurde wiederum das Feuer auf die Grenzverletzer geführt. Nachdem keinerlei Bewegungen in der PTA mehr beobachtet werden konnte, übernahmen die Grenzposten Stahnsdorfer Darm die Sicherung und Feldw. D(...) überwand mit seinem Begleitposten den Kfz-Sperrgraben und näherten sich der PTA. In der PTA sah er zwei Personen weiß bekleidet liegen. Er rief diese an und forderte sie auf, zurückzukommen. Da er gleichzeitig feststellte, daß es sich um eine weibliche Person handelte, die sich bewegte, forderte er sie nochmals auf. Diese gab zur Antwort, daß sie nicht könne und eingeklemmt sei. Auf ihren Beinen lag der zweite Grenzverletzer, eine männliche Person, völlig regungslos.

Feldw. D(...) half der weiblichen Person aus der PTA und befragte sie nach Verletzungen. Da diese angab, am linken Unterschenkel verletzt zu sein, erfolgte die Befragung, ob sie in der Lage ist, zu laufen. Da dies bestätigt wurde, brachten beide Genossen die Person in den Kfz-Sperrgraben. Dort leistete das Postenpaar Gefr. (...) Erste Hilfe.

Feldw. D(...) begab sich zur männlichen Person zurück und stellte fest, daß keine Atmung und kein Puls mehr vorhanden war und die Person ihren Verletzungen erlegen war. Der Versuch, die Person aus PTA zu ziehen, gelang nicht. Inzwischen traf der P2M der Kompanie mit Ufeldw. (...) ein, welcher bei der Bergung des Toten behilflich war.

Die (...) wurde mit dem Kfz zur Grenzkompanie gebracht und erst danach wurde der Tote in den Kfz-Sperrgraben gebracht.

Gegen 05.00 Uhr wurde dann auch die Leiche zur Grenzkompanie überführt.

Während der Zeit der Handlungen der Grenzposten von ca. 01.30 bis gegen 02.00 Uhr und auch später wurde auf der Autobahn nur ein geringer Verkehr festgestellt, und es kann eingeschätzt werden, daß von westlicher Seite die Handlungen der Grenzposten zur Verhinderung des Grenzdurchbruchs nicht bemerkt wurden. Das' Verhalten der Grenzposten entsprach voll und ganz den Dienstvorschriften. Die Genossen, besonders der Feldw. D(...) handelten entschlossen und entsprechend ihrem Kampfbefehl.

Das Feuer wurde aus den vier Waffen der genannten Grenzposten auf die Grenzverletzer geführt.

Feld. D(...) verschoß 51 Patronen Uffz. G(...) verschoß 30 Patronen Gefr. (...) verschoß 58 Patronen Sold. (...) verschoß 60 Patronen Insgesamt wurden in kurzen Feuerstößen 199 Patronen verschossen.

Man kann auf Grund der Weiterbewegung der Grenzverletzer bis zur PTA und Innerhalb der PTA einschätzen, daß der Butthus erst durch das Feuer aus der Bewegung bei der Verfolgung tödlich verletzt wurde.

Bei der Tatortüberprüfung bei Tageslicht wurden am Tatort noch zwei Drahtscheren gefunden, die vermutlich den Tätern gehören, mit denen auch mehrere Drähte der PTA zerschnitten wurden.

Feldwebel D(...) ist inoffizieller Mitarbeiter unseres Organs und verhinderte bereits im September 1964 die Fahnenflucht seines ehem. Kompaniechefs des Oltn. der Reserve (...) und des Uffz. (...) aus der gleichen Grenzkompanie durch Anwendung der Schußwaffe.

Der Uffz. G(...) ist ebenfalls Gl, jedoch zum ersten Mal an der Verhinderung eines Grenzdurchbruchs beteiligt.

Eine kurze informatorische Befragung der (...) ergab, daß ihr Freund Butthus im Frühjahr 1965 zur NVA einberufen werden soll. Sie und ihr Freund sehen in der DDR keinerlei Perspektive und wollten deshalb nach Westberlin gehen.

Zu Weihnachten hat die (...) Kontakt mit ihren in Westberlin wohnenden Verwandten gehabt. Die (...) arbeitete bis 1964 im (...) Teltow und ist seit September 1964 Studentin (...) in Berlin. Sie verhielt sich bei der Befragung frech und arrogant.

Maßnahmen:
    1. Nach Rücksprache mit der HA IX/6 Berlin wurde, die (...) durch einen Mitarbeiter der Operativgruppe und durch den Reg. Arzt nach Berlin überführt.

    2. Nach Absprache mit dem Leiter der BV Potsdam, Genossen Oberst M(...) und der Groß-Berliner Verwaltung, wird die Leiche des Butthus, Christian vom zuständigen Mitarbeiter der Groß-Berliner Verwaltung übernommen.

    3. Die fotografische Dokumentierung und Sicherstellung aller Beweismittel ist erfolgt.

    4. Die an der Verhinderung des Grenzdurchbruchs beteiligten Grenzposten wurden durch den Stadtkommandanten und den Kommandeur der 1. Grenzbrigade wie folgt ausgezeichnet.

    Auszeichnung mit der Medaille für vorbildlichen Grenzdienst:
      Feldw. D(...), Günther Uffz. G(...), Peter Gefr. (...) Sold. (...) Oltn. (...) (Zugführer dieser Genossen)
    Auszeichnung mit dem Leistungsabzeichen der Grenztruppen:
      Oltn. S(...)
    Beförderungen zum:
      Oberfeldw. D(...), Günther Feldw. Ufeldw. (...) Gefr. Sold. (...)
    Der derzeitige Kompaniechef Hptm. (...) erhielt eine Prämie von 300,- MDN

    5. Die konsequente Handlung der Grenzposten, Ihr vorbildliches Verhalten, wird durch die Politabteilung in Absprache unserem Organ ausgewertet.
Operativgruppenleiter F.d.R.i.A.: gez. P(...) Oberleutnant

Quelle: BStU, MfS, AS 754/70, Bd. 11, Nr. 1, Bl. 9-13
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