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Bericht des DDR-Bereitschaftspolizisten Conrad Schumann über seine Flucht nach West-Berlin am 15. August 1961, 16. August 1961

Bericht des DDR-Bereitschaftspolizisten Conrad Schumann über seine Flucht nach West-Berlin am 15. August 1961, 16. August 1961

Abschrift

Berlin, den 16. August 1961

Betr.: Vermerk über gesprächsweise Abhörung eines Überläufers der Bepo am 15.8.61 bei der PI Wd [Polizeiinspektion Wedding]

Am 15.8.61, gegen 15.40 Uhr, übersprang an der Sektorgrenze Bernauer-/Ruppiner Str. ein Angehöriger der kasernierten Bepo den Stacheldrahtverhau und bat um Schutzgewährung.

Zur Person:
Schumann, Conrad,
Ow. der kasernierten Bepo,
28.3.42 Zschochau Krs. Dobeln geb.;
Dienststelle: Angehöriger der I. Brigade, die nach seinen Angaben seit Juli 1961 in Berlin-Niederschönhausen (davor in Dresden) stationiert ist.

Einsatzort der Brigade: Sektor- und Zonengrenze seit den frühen Morgenstunden des 12.8.61.
Unterbringung während des Einsatzes: Post unmittelbar hinter der Sektorgrenze.

Verpflegung vor und während des Einsatzes: In den Monaten vor dem Einsatz war die Verpflegung der Truppe ausreichend und regelmäßig, während der Tage des Einsatzes an der Grenze dagegen seien bereits erhebliche Mängel aufgetreten, die zur Unzufriedenheit und in einigen Fällen zu offener Meuterei geführt hätten.

Dienstbezüge: Seit der Verlegung der Brigade von Dresden nach Berlin wurden die Dienstbezüge des Ow. Sch. von 340,- DMO auf 370,- DMO erhöht (Gefahrenzulage).

An Vorgesetzten nannte Sch.:

Zugführer: Mstr. Meier, SED-Mitglied
Kompaniechef: Oberleutnant Hellmann
Stellvertr.: Leutnant Gliese
Unterltn.: Ficker und Schläger
Abt.-Kdr.: Oberstleutnant Heimann
Brigade-Kdr.: Oberstleutnant Warner

Nach den Angaben von Sch. gehören zu einer Brigade 4 Abteilungen, und jede Abteilung verfügt über Spezialausrüstungen.
Sch. war in Uniform mit Stahlhelm und führte MP 41 (russisches Modell) mit sich.

Zum Schußwaffengebrauch befragt, gab Sch. an, daß die eingesetzten Kräfte an der Sektor- und Zonengrenze ausdrücklichen Befehl haben, keinen Gebrauch von der Schußwaffe zu machen und daß sie sich in keinem Falle von Westberlinern provozieren lassen sollen. Für den Fall stärkerer Ansammlungen von Westberlinern jenseits der Grenze haben die Sperrkräfte Weisung, Verstärkung anzufordern.

Die Bewaffnung der Posten an der Sektorgrenze besteht teilweise aus Pistolen und Karabinern, andere sind mit MP 41 ausgerüstet. Nach Angaben von Sch. dürfen die Waffen nur vorgeladen sein. Es darf sich also keine Patrone im Lauf befinden.

Für Sondereinsätze verfügt die Brigade über sMG, Schützenkraftwagen, 12 mm- und 46 mm-Geschütze, Flak und FlaMG.

Die angegebenen Spezialwaffen für Sondereinsätze befinden sich von der Sektorgrenze nach rückwärts gestaffelt in Bereitschaft.

Auf die Frage, wieviel Kräfte bei der jetzigen Aktion des DDR-Regimes gegen West-Berlin eingesetzt sein mögen, antwortete Sch., daß „Ostberlin von Truppen wimmelt", daß vielerlei Truppen aus der Zone nach Berlin verlegt seien, er aber die gesamten Kräfte auch schätzungsweise nicht nennen könne. Er betonte dabei, daß die Bevölkerung Ostberlins in den vergangenen Tagen „niedergeknüppelt" worden sei.

Zu seinen eigenen Schwierigkeiten und nach seinen Fluchtgründen befragt, gab Sch. an, daß er in den letzten Tagen sehr viel im Einsatz war und kaum zum Schlafen gekommen sei. An der Sektorgrenze habe er beobachten können, daß die vielen Westberliner, die ständig an der Grenze standen, nicht von Banditenchefs angeführt wurden, wie es ihnen vorher erzählt worden war. Er sei von den Rufen, wie „Freiheit für die Zone", sehr beeindruckt worden und habe immer wieder feststellen müssen, daß die Westberliner Polizei alles tat, um die Westberliner Bevölkerung zurückzudrängen, damit es zu keinen Konflikten kommt. In den Stunden des Postenstehens an der Sektorgrenze habe er die Unwahrheit und die Lügen, die man ihnen in der Vergangenheit erzählt habe, erkannt. Der Gedanke, zu flüchten, sei erst an der Sektorgrenze bei ihm aufgekommen und habe sich von Stunde zu Stunde verstärkt.

Zum Gelingen der Flucht erzählte Sch., daß er von Zeitungsreportern gefragt worden sei, ob er nicht rüberkommen wolle. Daraufhin sagte er, da er ziemlich allein stand, er käme nachts rüber. Die Fotografen begannen nun, die in einiger Entfernung stehende Doppelstreife laufend zu fotografieren, worauf die übrigen Posten den Pressefotografen den Rücken kehrten und langsam in den SBS hineingingen. Schumann aber blieb stehen, um dadurch Abstand zu gewinnen. Als die anderen Posten sich weit genug entfernt hatten, sprang Sch. über den Stacheldraht und rannte in den Westsektor.

Nach politischen Instruktionsstunden befragt, erklärte Sch., daß die Truppe diesen turnusmäßig abgehaltenen Stunden kein besonderes Interesse entgegenbringe, daß die meisten Männer während dieser Zeit schlafen und daß es keine Diskussionen um den dargebotenen Unterrichtsstoff gibt. Zeitungen würden von den Männern kaum gelesen.

(Unterschrift)

Quelle: Polizei historische Sammlung des Polizeipräsidenten in Berlin.
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