Brief von KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew an SED-Generalsekretär Erich Honecker mit der Ankündigung, die Rohöllieferungen zu kürzen, 27. August 1981
Brief von KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew an SED-Generalsekretär Erich Honecker mit der Ankündigung, die Rohöllieferungen zu kürzen, 27. August 198131.8.1981
Vertraulich
Lieber Genosse Erich Honecker!
In letzter Zeit hat sich das Politbüro des ZK der KPdSU wiederholt mit der Frage der Brennstoff- und Energieressourcen des Landes im laufenden Planjahrfünft beschäftigt. Es wurden mehrere Beschlüsse zum sparsamsten Verbrauch aller Arten von Brennstoffen und Energie in der Volkswirtschaft gefaßt. Diese Maßnahmen waren bedingt durch die starke Anspannung der Brennstoff- und Energiebilanz, und zwar infolge der bestehenden Schwierigkeiten, die mit der Verschlechterung der Förderbedingungen bei Energieressourcen und mit der sich daraus ergebenden krassen Erhöhung der Investitionen für diese Zwecke zusammenhängen. Die Lage gestaltet sich so, daß es nicht möglich erscheint, die Brennstoff- und Energieressourcen im ursprünglich geplanten Umfang auszubauen.
Dieser Faktor ist nicht ausreichend berücksichtigt worden bei der Festlegung der Brennstoff- und Energieressourcen des Landes für den Plan 1981 - 1985 sowie bei der Ausarbeitung der Vorschläge zur Koordinierung der Volkswirtschaftspläne mit den RGW-Ländern für diese Jahre. Infolge dessen erwies es sich, daß die geplanten Exportmengen dieser Gruppe von Waren in sozialistische Länder nicht durch reale Quellen abgesichert sind und den Export von Erdöl für frei konvertierbare Währung werden wir bis Ende des laufenden Planjahrfünfts faktisch völlig drosseln müssen. Bekanntlich liefern wir an die europäischen Mitgliedsländer des RGW jährlich über 72 Mio t Erdöl, 7 Mio t Erdölerzeugnisse, 29 Mrd. m3 Gas sowie Kohle, Koks, Elektroenergie. 1980 sind Waren dieser Gruppen umgerechnet in Einheitsbrennstoff in einem Umfang von ca. 168 Mio t geliefert worden.
Ihnen ist auch bekannt, daß wir gezwungen sind, beträchtliche Mengen an Erdöl und Erdölerzeugnissen in kapitalistische Länder zu verkaufen, um Valutamittel für den Ankauf von Getreide und Lebensmittel zu gewinnen, auf deren Import wir nicht verzichten können. Die ungünstigen Witterungsverhältnisse der letzten Jahre haben dazu geführt, daß es uns nicht gelungen ist, die geplanten Getreideerträge zu erzielen. Das laufende Jahr gestaltet sich ebenfalls ungünstig.
Nach Beratungen im Politbüro haben wir beschlossen, uns in der Frage des möglichen Umfangs der sowjetischen Energielieferungen während des laufenden Planjahrfünfts an Dich sowie an die Genossen T. Shiwkow, J. Kadar und G. Husak zu wenden. Bei der Prüfung dieser Dinge war uns natürlich klar, daß dies keine einfache Frage ist, weil davon auch Eure inneren Pläne tangiert werden, and dennoch sehen wir uns gezwungen euch mitzuteilen, daß im Zeitraum 1982 – 1985 real Energielieferungen in die DDR im Umfang von 37,6 Mio t jährlich abgesichert werden können (umgerechnet in Einheitsbrennstoff). Das ergibt bei dieser Warengruppe in diesem Planjahrfünft gegenüber dem vorhergegangenen einen Zuwachs des Gesamtumfangs der Lieferungen an die DDR um mehr als 7 Prozent.
Was konkret die Entscheidung über die Verringerung der Lieferung von Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas betrifft, so sind wir bereit, dies in einer für Euch maximal günstigen Weise zu prüfen und gemeinsam mit Euch eine vereinbarte Entscheidung zu treffen.
Unsererseits werden wir mit der Prüfung dieser Frage das Staatliche Plankomitee der UdSSR und das Ministerium für Außenhandel der UdSSR beauftragen. Ich bitte Dich, Erich, Verständnis für die dargelegte Frage aufzubringen. Die entstandene Situation zwingt uns zu einem solchen Schritt.
L. Breshnew
27. August 1981
Quelle: SAPMO-BA, DY 30/J IV 2/2A/2422.