„Treibt Bonn den Notstand aus", Sonderausgabe der Arbeiter-Schüler-Studenten-Zeitung, Nr. 2/Mai 1968
Treibt Bonn den Notstand aus: Sonderausgabe der Arbeiter-Schüler-Studenten-Zeitung Nr. 2/Mai 1968Nr. 2 /10 Pfennig / Moll 968 / D 2442 F
DISKURS
EXTRA
BLATT
ARBEITER SCHÜLER STUDENTEN ZEITUNG
TREIBT BONN DEN NOTSTAND AUS
STERNMARSCH AUF BONN AM 11. MAI [*]
Die außerparlamentarische Opposition: das sind Arbeiter, Schüler, Angestellte, Lehrlinge und Studenten.
Die außerparlamentarische Opposition kämpft gegen das Entscheidungsmonopol der Großen Koalition.
Die außerparlamentarische Opposition kämpft für Demokratisierung. Demokratisierung heißt: Mitbestimmung und Selbstverwaltung in Betrieben, Universitäten, Schulen, Büros und Parteien. Die Fabriken den Arbeitern. Die Universitäten den Studenten. Die Volksvertretung dem Volk.
Demokratisierung heißt: Schluß mit der Bevormundung der Arbeiter. Schluß mit der Ausbeutung der Lohn abhängigen. Schluß mit dem Bildungsdefizit. Schluß mit dem Privileg der Mächtigen.
Die Abschaffung der Privilegien heißt Befreiung durch Klassenkampf.
Die Gegner der Demokratie, die sich Demokraten nennen, haben erkannt, daß die außerparlamentarische Opposition ihrem Machtkartell gefährlich wird. Sie fordern den Polizeiknüppel. Sie fordern politische Justiz. Sie fordern Schnellgerichte und Dienstverpflichtung. Sie fordern die Notstandsgesetze.
Die Gegner der Demokratie, die sich Demokraten nennen, besorgen die Geschäfte Springers. Sie unternehmen nichts gegen sein Meinungsmonopol, weil niemand ihre Interessen besser vertritt und ihre Geschäfte besser besorgt als der Springer-Konzern. Sie diffamieren die außerparlamentarische Opposition. Sie verketzern die Studenten als ungewaschene Gammler Sie behandeln die Arbeiter als ungebildetes Stimmvieh. Sie verschleppen Reformen und fördern die Gewalt.
Ihre Gewalt richtet sich gegen ihre Kritiker, die ihre korrupten Geschäfte und ihr antidemokratisches Gemauschel aufdecken.
Ihre Gewalt richtet sich gegen die Opposition, gegen die außerparlamentarische Opposition.
Die außerparlamentarische Opposition wird zusammen mit allen wirklichen Demokraten für eine wirkliche Demokratie, für das Ende jeglicher Bevormundung, für die Befreiung der Abhängigen kämpfen.
[Foto: Demonstranten blockieren die Auslieferung von Springer-Zeitungen]
Widerstand gegen Volksverhetzung...
[Foto: Streikende Arbeiter stoppen einen Lkw, mit dem die Unternehmensleitung Streikbrecher ins Werk befördern wollte.]
...und Unternehmerherrschaft:
[Foto: Staatstheater: Berliner Polizei übt den Einsatz gegen Demonstranten. Die Demonstranten werden von verkleideten Polizisten dargestellt.]
Dagegen machen sie Notstandtraining
[*] Fahrkarten für Bonn und organisatorische Hinweise beim AStA der Frankfurter Universität, 6 Frankfurt am Main, Jügelstraße 1, oder bei Klaus Vack, Kampagne für Demokratie und Abrüstung, 605 Offenbach bei Frankfurt, Postfach.
Schaut auf diese Republik
Wir haben es alle gesehen. Wir haben es alle gehört. Viele sind dabei gewesen. Die trügerische Ruhe und der geheuchelte Frieden in diesem Land und seinen Parlamenten: diese Ruhe und dieser Frieden sind untergegangen im Lärm der Demonstrationen. Jetzt wollen wir die Fronten abstecken: auf der einen Seite die Große Koalition derer, die die Löhne stoppen, die Profite erhöhen, bis in die letzten Winkel Kontrolle ausüben wollen. Auf der anderen Seite, auf unserer: die Demonstranten, die begonnen haben, sich gegen lückenlose Beherrschung zu wehren.
Schaut auf diese Republik
Die einen, die dieses Land regieren, als sei es ihr Land, sind bis an die Zähne bewaffnet: mit Polizisten und Gerichten, mit "Bild-Zeitung" und Notstandsgesetzen. Die anderen haben sich mit Argumenten bewaffnet, aber da gibt es niemand, der sie entgegennähme. Denn den herrschenden gilt nur der Knüppel als schlagendes Argument. Und während überall in den Städten dieses Argument gegen die Protestierer ins Feld geführt wird, beraten die Volksvertreter in Bonn über neue Unterdrückungsmaßnahmen. Aber der Widerstand von unten wächst weiter und schneller, je brutaler die Inhaber der alten Ordnung den neuen Geist der Opposition zu ersticken trachten.
Schaut auf diese Republik
Es gibt jetzt immer mehr, die nicht mehr mitmachen wollen. Die Studenten waren die ersten, die ihre Sache selbst in die Hand nahmen. Und damit auch unsere Sache. Die Studenten blieben nicht allein. Ihr Kampf für eine demokratische Universität ist ein Kampf für eine demokratische Gesellschaft. Wir müssen ihn alle kämpfen. Die fronten sind abgesteckt: Jeder muß entscheiden, auf welcher Seite er steht.
KAMPF DER ORGANISIERTEN GEWALT
Quelle: Sonderausgabe der Arbeiter-Schüler-Studenten-Zeitung Nr. 2/Mai 1968.