Gemeinsame Erklärung von 22 Staaten, 19. November 1990
Gemeinsame Erklärung von 22 Staaten, 19. November 1990Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 137, 24.11.1990, S.1422-1423.
GEMEINSAME ERKLÄRUNG VON ZWEIUNDZWANZIG STAATEN
Die Staats- und Regierungschefs Belgiens, Bulgariens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Griechenlands, Islands, Italiens, Kanadas, Luxemburgs, der Niederlande, Norwegens, Polens, Portugals, Rumäniens, Spaniens, der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, der Türkei, Ungarns, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königsreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika.
- HOCHERFREUT über den historischen Wandel in Europa,
- BEFRIEDIGT über die in ganz Europa zunehmende Verwirklichung zu pluralistischer Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, die für den Fortbestand der Sicherheit auf dem Kontinent wesentlich sind,
- IN BEKRÄFTIGUNG der Feststellung, daß das Zeitalter der Teilung und Konfrontation, das mehr als vier Jahrzehnte gedauert hat, zu Ende ist, daß sich die Beziehungen zwischen ihren Ländern verbessert haben und daß dies zur Sicherheit aller beiträgt,
- IM VERTRAUEN darauf, daß die Unterzeichnung des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa einen bedeutenden Beitrag zum gemeinsamen Ziel erhöhter Sicherheit und Stabilität in Europa darstellt, und
- ÜBERZEUGT, daß diese Entwicklung Teil eines fortwährenden Prozesses der Zusammenarbeit sein muß, um die Strukturen für einen zusammenwachsenden Kontinent zu schaffen,
- Die Unterzeichnerstaaten erklären feierlich, daß sie in dem anbrechenden neuen Zeitalter europäischer Beziehungen nicht mehr Gegner sind, sondern neue Partnerschaften aufbauen und einander die Hand zur Freundschaft reichen wollen.
- Sie rufen ihre Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen in Erinnerung und bekräftigen alle ihre Verpflichtungen gemäß der Schlußakte von Helsinki. Sie betonen, daß alle zehn Prinzipien von Helsinki von grundlegender Bedeutung sind und daß sie folglich gleichermaßen und vorbehaltlos angewendet werden, wobei ein jedes von ihnen unter Beachtung der anderen ausgelegt wird. In diesem Zusammenhang bekräftigen sie ihre Verpflichtung, sich der Androhung oder Anwendung von Gewalt zu enthalten, die gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit irgendeines Staates gerichtet ist, sowie des Versuches, bestehende Grenzen durch Androhung oder Anwendung von Gewalt zu ändern, und ferner aller Handlungen, die auf irgendeine andere Weise mit den Prinzipien und Zielen dieser Dokumente unvereinbar sind. Keine ihrer Waffen wird jemals eingesetzt werden, außer zur Selbstverteidigung oder in anderer Weise, die mit der Charta der Vereinten Nationen in Einklang stehen.
- Sie erkennen an, daß Sicherheit unteilbar ist und daß die Sicherheit eines jeden ihrer Länder untrennbar mit der Sicherheit aller KSZE-Teilnehmerstaaten verbunden ist.
- Sie verpflichten sich, nur solche militärische Potentiale aufrechtzuerhalten, die zur Kriegsverhütung und für eine wirksame Verteidigung notwendig sind. Sie werden die Beziehung zwischen Militärpotentialen und Doktrinen im Auge behalten.
- Sie bekräftigen erneut das Recht jedes Staates, Vertragspartei eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein.
- Sie nehmen die Intensivierung politischer und militärischer Kontakte zwischen ihren Ländern zur Förderung gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens mit Befriedigung zur Kenntnis. Sie begrüßen in diesem Zusammenhang, daß vor kurzem gemachte Vorschläge für neue ständige diplomatische Verbindungen ein positives Echo gefunden haben.
- Sie bekunden ihre Entschlossenheit, aktiv zu Abkommen über konventionelle, nukleare und chemische Rüstungskontrolle und Abrüstung beizutragen, welche die Sicherheit und Stabilität für alle Länder erhöhen. Sie rufen insbesondere zu einem baldigen Inkrafttreten des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa auf und verpflichten sich, den Prozeß der Festigung des Friedens in Europa durch konventionelle Rüstungskontrolle im Rahmen der KSZE fortzuführen. Sie begrüßen die Aussicht auf neue Verhandlungen zwischen den Vereinten Nationen und der Sowjetunion über die Reduzierung ihrer nuklearen Kurzstreckensysteme.
- Sie begrüßen den Beitrag, den vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen zum Abbau von Spannungen geleistet haben und unterstützen uneingeschränkt die Weiterentwicklung solcher Maßnahmen. Sie bekräftigen die Bedeutung der Initiative "Offener Himmel" sowie die Entschlossenheit, die Verhandlungen so bald wie möglich zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen.
- Sie verpflichten sich, mit den anderen KSZE-Teilnehmerstaaten zur Stärkung des KSZE-Prozesses zusammenarbeiten zu wollen, damit dieser Prozeß einen noch bedeutsameren Beitrag zur Sicherheit und Stabilität in Europa leisten kann. Sie erkennen an, daß es notwendig ist, politische Konsultationen zwischen den KSZE-Teilnehmern zu verstärken und andere KSZE-Mechanismen zu entwickeln. Sie sind überzeugt, daß der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa und die Vereinbarung über einen substantiellen neuen Satz vertrauens- und sicherheitsbildender Maßnahmen zusammen mit neuen Strukturen für die Zusammenarbeit im Rahmen der KSZE zu größerer Sicherheit und somit zu dauerhaftem Frieden und Stabilität in Europa führen werden.
- Sie sind der Auffassung, daß die vorhergehenden Punkte die tiefe Sehnsucht ihrer Völker nach enger Zusammenarbeit und gegenseitigem Verständnis widerspiegeln. Sie erklären, sich stetig für die Weiterentwicklung ihrer Beziehungen im Einklang sowohl mit der vorliegenden Erklärung als auch mit den in der Schlußakte von Helsinki dargelegten Prinzipien einsetzten zu wollen.
ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten Hohen Vertreter ihre Unterschrift unter die vorliegende Erklärung gesetzt.
Paris, den 19. November 1990
Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 137, 24.11.1990