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Bundesfinanzminister Theo Waigel, Zur Diskussion einer Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR, 2. Februar 1990

Bundesfinanzminister Theo Waigel, Zur Diskussion einer Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR, 2. Februar 1990

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 21, 6.2.1990



Zur Diskussion einer Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR



Erklärung des Bundesministers der Finanzen

Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel, erklärte am 2. Februar 1990 zur Diskussion einer Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR:

Die Erklärungen von DDR-Ministerpräsident Modrow zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten bestätigt die Nettigkeit des Zehn-Punkte-Plans von Bundeskanzler Helmut Kohl. Eine Wirtschafts- und Währungsunion zählt für Modrow zu den notwendigen Schritten in Richtung auf die deutsche Einheit. Damit stellt sich auch die Frage, wie die beiden deutschen Währungen künftig zueinander stehen sollen. Hierfür gibt es im Grundsatz zwei Modelle:

Das erste Modell basiert auf den erheblichen ökonomischen Unterschieden zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Danach geht es zunächst darum, durch einen Prozeß stufenweiser marktwirtschaftlicher Reformen einen einheitlichen Wirtschaftsraum mit angenäherten Produktionsniveaus zu schaffen. Am Ende dieses Reformprozesses stünde eine konvertible DDR-Mark und ein fester Wechselkurs zwischen der DM und der Mark der DDR als Grundlage für eine deutsch/deutsche Währungsunion.

Für dieses Modell haben sich die meisten sachverständigen Ökonomen und auch die Deutsche Bundesbank ausgesprochen. Dieser Weg ist volkswirtschaftlich gut begründbar, braucht aber Zeit und verlangt Geduld von den Menschen in der DDR.

Ein alternativer Ansatz könnte von folgender Tatsache ausgehen: Die DM ist de facto schon heute im großen Umfang zum Zahlungsmittel in der DDR geworden. Sie gilt dort als Symbol für Freiheit, wirtschaftlichen Aufschwung und sozialen Fortschritt. Darin spiegelt sich ganz offensichtlich der Wunsch der Menschen in der DDR nach einer raschen Verwirklichung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums mit der Bundesrepublik.

Um den Menschen in der DDR eine unmittelbare überzeugende Zukunftsperspektive zu eröffnen, könnte die direkte Einführung der DM als offizielles Zahlungsmittel in der DDR notwendig werden.

Für uns wäre dieser Weg nur verantwortbar, wenn er mit einer überzeugenden Befreiung marktwirtschaftlicher Kräfte in der DDR verbunden ist. Es geht um die Zulassung von Privateigentum, freien Märkten, Gewerbefreiheit, ein leistungsorientiertes Steuersystem und die völlige Öffnung der DDR für Investitionen von außen.

Entscheidend ist: Die Bundesbank bleibt auch im gemeinsamen Währungsraum stabilitätspolitischer Herr über die Geldmengen.

Selbstverständlich lassen sich auch bei diesem Weg unumgängliche Anpassungsprobleme in der DDR nicht vermeiden. Für sie müssen sozial verträgliche Lösungen gefunden werden. Dem stünden hier aber die Chancen eines sofortigen Fortfalls von Engpässen in der Güterversorgung, ein erheblicher Produktivitätssprung der Unternehmen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem durch die Entfaltung des Handwerks- und Dienstleistungsbereichs gegenüber.

Schon für Ludwig Erhard war das Vertrauen in die schöpferischen Kräfte der Menschen der eigentliche Motor für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt.

Wenn die Menschen in der DDR diesen mutigen Weg gehen wollen, dann werden wir uns dem nicht verschließen.

Abzulehnen ist der Vorschlag der SPD einer künstlichen Verklammerung der DM mit der von den Bürgern der DDR selbst immer weniger akzeptierten Ost-Mark. Dieses Aufkaufmodell zur Stützung der DDR-Währung würde nichts an den falschen ökonomischen Strukturen in der DDR ändern, aber möglicherweise den Einsatz von Milliarden-Beträgen auf Kosten des Bundes erfordern.

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 21, 6.2.1990.
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