Schreiben von Alexander Schalck-Golodkowski an Werner Eberlein, 2. Dezember 1989
Schreiben von Alexander Schalck-Golodkowski an den Vorsitzenden der Zentralen Parteikontrollkommission der SED, Werner Eberlein, 2. Dezember 1989Schreiben von Alexander Schalck-Golodkowski an den Vorsitzenden der Zentralen Parteikontrollkommission der SED, Werner Eberlein, 2. Dezember 1989
Abschrift
Berlin, 02.12.1989
Alexander Schalck
Vorsitzender
der Zentralen Parteikontrollkommission
Genossen Eberlein
Lieber Genosse Eberlein!
Beiliegend übermittle ich Dir die Abrechnung der Erwirtschaftung von Betrieben für das ZK der SED mit den Originalunterschriften für die Auftragserteilung, für die durchgeführte Revision und bestätigte Entlastung durch den Leiter der Abteilung Finanzverwaltung und Parteibetriebe, Genossen Wildenhain, bzw. Karl Raab.
Aufgrund der Beratung im Politbüro am 01.12.1989 in eigener Sache nach der Diskussion in der Volkskammer der DDR hatte ich das Gefühl, daß meine Partei bereit war, mich gegen diesen Rufmord, diese Unwahrheiten, Lügen, Halbwahrheiten und auch Wahrheiten zu verteidigen. Nach den Mitteilungen, die mich heute im Laufe des Tages erreichten, ist es dem Genossen Modrow nicht möglich gewesen, den Vorsitzenden des Volkskammerausschusses, Dr. Toeplitz, davon abzuhalten, Befragungen zu meiner Person, speziell zu dem Bau und der Vermietung von Häusern, zu vermeiden.
Ich habe all meine Beweggründe dargelegt, aus welchen Gründen ich keine Möglichkeiten sehe, in diesem Volkskammerausschuß zu Fragen, die darüber hinaus an mich gestellt werden, wahrheitsgemäß Auskunft zu geben. Da strafrechtliche Konsequenzen angedroht wurden bei Nicht- oder Falschaussage, übermittle ich Dir diese Unterlagen.
Ich habe veranlaßt, daß nach meiner durch Genossen Modrow angekündigten Ablösung als Staatssekretär und Leiter des Bereiches, Genosse Dieter Paul, Leiter der Hauptabteilung III des Bereiches, mit sofortiger Wirkung die von mir in der Politbürositzung erwähnten teilweise im Ausland angelegten Guthaben als letzte Einsatzreserve bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Staates, die nach meiner Auffassung Ende dieses Jahres bzw. Anfang des nächsten Jahres eintreten wird, um schwerwiegendste volkswirtschaftliche Konsequenzen mindestens mildern zu können, dem Vorsitzenden des Ministerrates, Genossen Hans Modrow, melden wird.
Aufgrund der von der Volkskammer ausgegangenen Diskussion und des in den westlichen Medien ausgedehnten Rufmordes gegen meine Person sehe ich keine Chancen, daß mich meine Partei schützen kann.
Als Rechtsbeistand wurde Rechtsanwalt Dr. Ullmann berufen, er vertritt auch meine Interessen gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft, und in allen anderen Fragen, die mich berühren, zu Anschuldigungen auch gegenüber dem Bereich vertritt mich Genosse Prof. Vogel.
Mit sozialistischem Gruß
(Unterschrift)
Anlagen
Kopie Unterlagen zum Haus am Golliner See
Abrechnung Parteivermögen
Dokument zum Bereich
Brief an den zeitweiligen Ausschuß ... v. 29.11.
Quelle: Deutscher Bundestag/12. Wahlperiode, Beschlußempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes, Drucksache 12/7600, Alagenband 3, Dokument 749, S. 3225/3226.