Erklärung der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Paktes, Bukarest, 7./8. Juli 1989
Erklärung der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Paktes, Bukarest, 7./8. Juli 1989Abschrift
Für ein stabiles und sicheres Europa, frei von nuklearen und chemischen Waffen, für eine wesentliche Reduzierung der Streitkräfte, Rüstungen und Militärausgaben
Erklärung der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages
Die höchsten Repräsentanten der Volksrepublik Bulgarien, der Ungarischen Volksrepublik, der Deutschen Demokratischen Republik, der Volksrepublik Polen, der Sozialistischen Republik Rumänien, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik sind am 7. und 8. Juli 1989 auf der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages in Bukarest zusammengekommen. Ausgehend von den heutigen Realitäten in der Welt und geleitet vom Bestreben ihrer Staaten, eine stabile Sicherheit in Europa zu gewährleisten, weiteren Fortschritt auf dem Gebiet der Abrüstung zu erreichen und aktiv die Umgestaltung der internationalen Beziehungen auf neuer Grundlage sowie den Übergang der Menschheit zu einer neuen Entwicklungsetappe unter den Bedingungen von Frieden und Zusammenarbeit zu unterstützen, erklären sie folgendes:
- Das höchste Ziel ihrer Außenpolitik sehen die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages in der Festigung des Friedens, in der Befreiung der Menschheit von der Kriegsgefahr und der Entwicklung einer umfangreichen gegenseitig vorteilhaften internationalen Zusammenarbeit. Sie werden auch weiterhin die Gewährleistung einer umfassenden und gleichen Sicherheit allseitig unterstützen.
Die auf der Tagung vertretenen Staaten bekräftigen ihre Entschlossenheit, alles zu tun, um neue Abrüstungsvereinbarungen zu erreichen sowie den Prozeß der Abrüstung kontinuierlich und unumkehrbar zu gestalten. Sie treten für die Überwindung der Unterentwicklung und die Schaffung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, für die unverzügliche Lösung der ökologischen und anderer globaler Probleme ein.
Die Lösung der Probleme, von der das Überleben der Menschheit und der Fortschritt der von ihr geschaffenen Zivilisation abhängen, erfordert gemeinsame Anstrengungen und die aktive Teilnahme aller Länder und Völker. In diesem Zusammenhang unterstreichen die auf der Tagung vertretenen Staaten die Notwendigkeit, die Rolle der UNO zu stärken. Sie sind bereit, dies auf jede Weise zu unterstützen.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages treten entschieden ein für: die Gewährleistung der Sicherheit durch politische und nicht militärische Mittel; die Durchsetzung des Primats des Völkerrechts in den zwischenstaatlichen Beziehungen; die Gestaltung normaler Beziehungen zwischen den Staaten unabhängig von ihrem sozialpolitischen System; den Verzicht auf Konfrontation und Feindseligkeit zugunsten politischer Partnerschaft, gegenseitigen Verständnisses, Vertrauens und gutnachbarlicher Beziehungen; die gegenseitige Berücksichtigung der Interessen aller Staaten und Völker; die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Menschenrechte und auf humanitärem Gebiet, unter Berücksichtigung der übernommenen Verpflichtungen.
Grundlegende Forderungen einer Politik der Sicherheit und des gegenseitigen Verständnisses sowie der Zusammenarbeit zwischen den Staaten sind die strikte Achtung der nationalen Unabhängigkeit, Souveränität und Gleichberechtigung aller Staaten, der Gleichberechtigung der Völker und des Rechts eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung, auf freie Wahl seines sozialpolitischen Entwicklungsweges; die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, die vorbehaltlose Enthaltung von jeglicher Anwendung oder Androhung von Gewalt; die strikte Achtung der entstandenen territorial-politischen Realitäten, der Unverletzlichkeit bestehender Grenzen und der territorialen Integrität der Staaten; die Regelung jeglicher Streitfälle zwischen Staaten ausschließlich mit friedlichen Mitteln; die Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in jedem Land in ihrer Gesamtheit für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache, der Religion und der Nationalität; die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den Staaten auf verschiedenen Gebieten auf der Grundlage des gegenseitigen Vorteils; die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen nach Treu und Glauben; die Achtung aller Prinzipien und Ziele der Charta der Vereinten Nationen, der Prinzipien der Schlußakte von Helsinki sowie anderer allgemein anerkannter Normen der internationalen Beziehungen.
In der zunehmend gegenseitig abhängigen Welt von heute wird die Verwirklichung all dieser Prinzipien und Bestimmungen die Durchsetzung gesamtmenschlicher Werte und Verhaltensnormen in den internationalen Beziehungen fördern.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages bekräftigen ihre Bereitschaft, den Dialog mit allen Staaten zu entwickeln und zu vertiefen sowie konstruktiv mit ihnen für die Lösung der vor Europa und der Welt stehenden Aufgaben zusammenzuarbeiten. Dieser Dialog und diese Zusammenarbeit sind im gegenwärtigen verantwortungsvollen Moment der Entwicklung der internationalen Lage besonders notwendig. - Die Beseitigung der Gefahr eines nuklearen und konventionellen gen Beseitigung der Kriegsgefahr. Dies ist nur durch gemeinsame Krieges und die Festigung der internationalen Sicherheit sind objektiv notwendige Voraussetzungen des Überlebens und des Fortschritts der Menschheit. Davon ausgehend, erachten die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages die Einstellung des Wettrüstens und die Abrüstung als Hauptaufgaben der Gegenwart.
Die wachsende Einsicht der Regierungen und Völker in die Gemeinsamkeit der Sicherheitsinteressen erlaubte es, erste Schritte zur Verringerung der militärischen Konfrontation zu gehen. Die Möglichkeit des Übergangs von einer sinnlosen und gefährlichen militärischen Konfrontation zur friedlichen Zusammenarbeit der Staaten zeichnet sich ab. In diesem Zusammenhang unterstreichen die Teilnehmer der Tagung die herausragende Bedeutung des Vertrages über die Beseitigung der Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite, mit dessen Verwirklichung die physische Vernichtung von Kernwaffen eingeleitet wurde. Sie hoben die sachliche Atmosphäre hervor, die in letzter Zeit eine Reihe von Abrüstungsforen kennzeichnet.
Dennoch ist auf dem Gebiet der Abrüstung noch keine grundlegende Wende eingetreten. Obwohl beide Bündnisse die Unzulässigkeit eines neuen Krieges anerkennen, ist das Niveau der militärischen Konfrontation nach wie vor unvertretbar hoch und gefährlich. Die Bestrebungen der NATO, die Politik der Stärke fortzusetzen und die Strategie der nuklearen Abschreckung weiterzuverfolgen, muß Beunruhigung hervorrufen.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages vertreten die Auffassung, daß unter diesen Bedingungen das aktive Handeln aller Länder, aller friedliebenden realistisch denkenden Kräfte geboten ist. Ausgehend von der Konzeption der gegenseitigen und unteilbaren Sicherheit treten sie entschlossen für deren Gewährleistung durch die Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts auf einem minimalen, ausschließlich für die Verteidigung erforderlichen Niveau ein, das die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs und großangelegter Angriffshandlungen ausschließt. Ihr Ziel ist die Reduzierung der Rüstungen bis zur völligen Beseitigung der Kriegsgefahr. Dies ist nur durch gemeinsame Anstrengungen erreichbar, wobei nicht die militärischen, sondern die politischen Faktoren der Sicherheit und Stabilität allseitig gestärkt werden müssen.
Sie bekräftigen ihre Bereitschaft, gemeinsam mit allen interessierten Ländern nach Übereinkünften zu suchen, die zur schrittweisen Reduzierung und völligen Beseitigung der Kernwaffen, zum Verbot und zur Vernichtung der chemischen Waffen, zur radikalen Reduzierung konventioneller Streitkräfte, zur Verhinderung des Wettrüstens im Weltraum, zur schrittweisen Verringerung der Rüstungsproduktion sowie zur wesentlichen Reduzierung der Militärausgaben führen. Dabei gehen sie davon aus, daß Abrüstungsmaßnahmen gleiche Sicherheit für alle Staaten bei strikter Achtung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität eines jeden Staates in seinen bestehenden Grenzen gewährleisten sowie die Möglichkeit der Anwendung oder Androhung von Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen ausschließen müssen.
Die verbündeten Staaten bringen ihre Befriedigung über die Wiederaufnahme der sowjetisch-amerikanischen Verhandlungen zu den entscheidenden Richtungen der Abrüstung zum Ausdruck und hoffen auf baldige praktische Ergebnisse.
Als eines der vorrangigen Ziele betrachten sie den Abschluß der Ausarbeitung des Vertrages über die 50prozentige Reduzierung der strategischen Offensivwaffen der UdSSR und der USA bei Einhaltung des ABM-Vertrages in der Form, wie er 1972 unterzeichnet wurde.
Die auf der Tagung vertretenen Staaten treten für eine unverzügliche Einstellung der Kernwaffenversuche ein. Diese Frage sollte zielstrebig, auch multilateral, insbesondere auf der Genfer Abrüstungskonferenz, erörtert werden. Sie sprechen sich für den baldigen Abschluß der Erarbeitung der Protokolle über die Kontrollfragen zu den sowjetisch-amerikanischen Verträgen von 1974 und 1976 aus sowie ihre Verwirklichung als Schritt zur vollständigen Einstellung der Nukleartests. Als einen der Wege, das Verbot von Nukleartests zu beschleunigen, unterstützen die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages die Idee einer möglichen Ausdehnung des Geltungsbereiches des Moskauer Vertrages von 1963 über das Verbot von Kernwaffenversuchen in den drei Medien auch auf unterirdische Tests. Auf der Tagesordnung stehen die Einstellung und in der Perspektive das Verbot der Produktion spaltbaren Materials für Waffen, die Verhinderung der Weiterverbreitung von Kernwaffen sowie von Raketentechnologien zu militärischen Zwecken. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, zivile nukleare Objekte vor Angriffen zu schützen.
Die Teilnehmer der Tagung sind über die Gefahr besorgt, die von dem Einsatz chemischer Waffen für den Frieden und die internationale Sicherheit ausgeht, solange diese existieren und weiterverbreitet werden, und schlagen vor, effektive Maßnahmen zur Beseitigung einer solchen Gefahr zu ergreifen. Sie rufen dazu auf, die Vorbereitung einer internationalen Konvention über das allgemeine und vollständige Verbot chemischer Waffen und die Vernichtung ihrer Vorräte zu beschleunigen.
Schlüsselfragen der Sicherheit und Stabilität in Europa sind die Reduzierung der konventionellen Streitkräfte, die Reduzierung und nachfolgende Beseitigung der taktischen Kernwaffen und die Festigung des Vertrauens auf dem Kontinent.
Als nächstes Ziel der Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa streben die Teilnehmer der Tagung an, bereits in einer ersten Vereinbarung für die Staaten der NATO und des Warschauer Vertrages gleiche kollektive Obergrenzen der Truppenstärke und der Anzahl der Hauptarten von Bewaffnung in Europa und dessen einzelnen Regionen festzulegen. Dabei sollten die neuen Obergrenzen bedeutend unter dem zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei jeder Seite vorhandenen niedrigsten Stand liegen. Die in Wien eingebrachten entsprechenden Vorschläge der verbündeten sozialistischen Länder sehen eine radikale gegenseitige Reduzierung der Streitkräfte und Rüstungen vor. Das würde auch das Problem der Beseitigung der Ungleichgewichte auf dem Gebiet der konventionellen Rüstungen lösen. Die Reduzierung und Begrenzung der Streitkräfte und Rüstungen würde unter strenger internationaler Kontrolle erfolgen.
Auf der Tagung wurde hervorgehoben, daß auf der jüngsten NATO-Ratstagung auf höchster Ebene zusätzliche Vorschläge zu den konventionellen Streitkräften in Europa unterbreitet wurden, die den Positionen der verbündeten sozialistischen Länder entgegenkommen. Die Teilnehmer der Tagung erwarten, daß diese präzisiert und in Kürze am Verhandlungstisch in Wien vorgelegt werden. Es wurde die Entschlossenheit der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages bekräftigt, alles zu tun, um so schnell wie möglich positive Ergebnisse auf den Wiener Verhandlungen zu erreichen, und die Meinung zum Ausdruck gebracht, daß es die Lage in den Verhandlungen bei einem konstruktiven Herangehen aller Teilnehmer erlauben würde, bereits 1990 erste Übereinkünfte zu erreichen. Experten werden beauftragt, operativ die entsprechenden Vorschläge zu ergänzen.
Die von den Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages zur Verwirklichung ihrer Verteidigungsdoktrin unternommenen praktischen Schritte zur einseitigen Reduzierung ihrer Streitkräfte und Rüstungen sowie deren Ausrichtung auf eine eindeutige Verteidigungsstruktur, die Verringerung der Rüstungsproduktion sowie die Kürzung der Militärausgaben schaffen günstige materielle und politische Voraussetzungen, um den Prozeß der Rüstungsbegrenzung und des Abbaus der militärischen Konfrontation konsequent fortzusetzen.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages erwarten, daß die NATO-Länder mit eigenen Schritten zur Reduzierung der Streitkräfte, Rüstungen, Militärausgaben und militärischen Aktivitäten antworten.
Die Teilnehmer der Tagung sprachen sich für die strikte Einhaltung der Stockholmer Vereinbarungen, für die Annahme und Weiterentwicklung neuer vertrauens- und sicherheitsbildender Maßnahmen auf den Verhandlungen der 35 KSZE-Teilnehmerstaaten, für die Ausdehnung der Maßnahmen der Ankündigung, Beobachtung und Begrenzung auf alle Arten der militärischen Aktivitäten der Staaten, einschließlich der Aktivitäten der Luft- und Seestreitkräfte aus.
Einen gewichtigen Beitrag zur Festigung des Vertrauens und der Sicherheit sowie zur Erhöhung der Stabilität auf dem Kontinent soll die Schaffung eines Zentrums zur Verringerung der Kriegsgefahr und der Verhinderung eines Überraschungsangriffs in Europa erbringen, eines Organs mit Informations- und Beratungsfunktionen.
Auf die Festigung von Vertrauen und Sicherheit sind auch andere Vorschläge gerichtet, die die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages in den Verhandlungen unterbreitet haben.
Ein bedeutsamer Schritt, der den Prozeß der Abrüstung und der Festigung der europäischen Sicherheit auf ein qualitativ neues Niveau heben könnte, wäre die Einberufung eines Treffens der höchsten Repräsentanten der 35 KSZE-Teilnehmerstaaten, auf dem die auf diesen Gebieten erzielten Ergebnisse erörtert und zugleich in die Zukunft reichende Aufgaben festgelegt würden.
Die verbündeten sozialistischen Länder bringen ihre Hoffnung zum Ausdruck, daß die Erörterung der Militärdoktrinen, ihres Charakters, ihrer politischen und militärisch-technischen Aspekte, ihrer weiteren Entwicklung dem Übergang zu militärischen Konzeptionen und Doktrinen, die auf reinen Verteidigungsprinzipien beruhen, dienen wird.
Stabilität und Sicherheit in Europa können nicht vollständig und zuverlässig ohne die Lösung des Problems der taktischen Kernwaffen gewährleistet werden. Hinzu kommt, daß in dem Maße, wie die Reduzierung der konventionellen Rüstungen vorankommt, die destabilisierende Wirkung der taktischen Kernwaffen anwachsen würde. In diesem Zusammenhang rufen die Pläne der NATO zur Modernisierung der taktischen Kernwaffen besondere Besorgnis hervor.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, die eine. gewisse Entwicklung in den Positionen der NATO-Länder hinsichtlich der Verhandlungen zu taktischen Kernwaffen in Europa feststellen, appellieren an die NATO-Länder, das Problem der taktischen Kernwaffen nicht durch Modernisierung, sondern durch selbständige Verhandlungen, die auf eine etappenweise Reduzierung dieser Mittel gerichtet sind, zu lösen. Sie bekräftigen ihren diesbezüglichen Vorschlag.
Die Teilnehmer der Tagung bringen ihre Unterstützung für die Absicht der Sowjetunion zum Ausdruck, im Falle der Bereitschaft der NATO-Länder, Verhandlungen zu den taktischen Kernwaffen aufzunehmen, zur weiteren einseitigen Reduzierung der taktischen Nuklearraketen in Europa überzugehen.
Sie unterstützen ebenfalls den von der Sowjetunion gefaßten Beschluß, bereits in diesem Jahr einseitig vom Territorium der verbündeten sozialistischen Länder 500 Gefechtsköpfe der taktischen Kernwaffen abzuziehen sowie ihre Bereitschaft, in den Jahren 1989-1991 von den Territorien ihrer Verbündeten alle Arten nuklearer Munition unter der Bedingung abzuziehen, daß die USA einen analogen Schritt tun.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages sind davon überzeugt, daß die etappenweise Reduzierung und danach die Beseitigung der taktischen Kernwaffen in Europa zusammen mit einer radikalen Reduzierung der Streitkräfte und konventionellen Rüstungen effektiv die Kriegsgefahr verringern und das gegenseitige Vertrauen festigen würden.
Um Sicherheit und Stabilität auf einem immer niedrigeren Niveau des militärischen Gleichgewichts zu gewährleisten, muß die Bedeutung der Seestreitkräfte und ihrer Aktivitäten, die sich destabilisierend auf die Lage auswirken und die Sicherheit in Europa und in anderen Regionen bedrohen können, berücksichtigt werden. Die Teilnehmer der Tagung sprechen sich dafür aus, den Dialog zu dieser Problematik zu aktivieren. Sie erachten es für notwendig, gesonderte Verhandlungen der interessierten und in erster Linie der bedeutenden maritimen Staaten zu beginnen.
Auf der Tagung wurde hervorgehoben, daß es die Reduzierung der Militärausgaben erlaubt, die freigesetzten Mittel für die Bedürfnisse der sozialökonomischen Entwicklung zu verwenden. In diesem Zusammenhang erlangt die effektive Lösung des Problems der Umstellung der militärischen Produktion auf zivile Belange große Bedeutung. Es könnte zu einem Gegenstand internationaler Konsultationen, darunter auch im Rahmen der UNO werden.
Es wurde zugleich die große Bedeutung gemeinsamer und individueller Initiativen zur Lösung der Sicherheitsprobleme einzelner Regionen des Kontinents hervorgehoben. Die Teilnehmerstaaten verweisen insbesondere auf die Vorschläge zur Schaffung eines kernwaffenfreien Korridors und einer chemiewaffenfreien Zone in Mitteleuropa, zur Reduzierung der Rüstungen und Erhöhung des Vertrauens in Mitteleuropa, zur Schaffung einer Zone des Vertrauens, der Zusammenarbeit und gutnachbarlicher Beziehungen entlang der Berührungslinie der Staaten beider Bündnisse, zur Schaffung einer kern- und chemiewaffenfreien Zone auf dem Balkan, zur Umwandlung des Mittelmeeres in eine Zone des Friedens und der Zusammenarbeit, zur radikalen Verringerung des Niveaus der militärischen Konfrontation im Norden Europas. Sie befürworten multilaterale und bilaterale praktische Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Initiativen.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages sind der Ansicht, daß die Abrüstungsmaßnahmen mit strikten und adäquaten Kontrollmaßnahmen einhergehen müssen. Sie sind bereit, auf wirksamste Lösungen einzugehen, die zur Schaffung eines umfassenden Kontrollsystems für Abrüstung führen. In diesem Zusammenhang könnte die Organisation der Vereinten Nationen eine positive Rolle spielen.
Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages erinnern an ihren jüngsten Appell an die Mitgliedsländer des Nordatlantischen Bündnisses mit dem Aufruf, die sich gegenwärtig eröffnenden Möglichkeiten für die vollständige Überwindung der Folgen des »kalten Krieges« in Europa und der gesamten Welt zu nutzen. Sie bekräftigen ihre prinzipielle Position zugunsten der Auflösung beider militärisch-politischer Bündnisse. - Im Mittelpunkt der Anstrengungen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages steht weiterhin die Gewährleistung von Stabilität und Sicherheit in Europa, die Konsolidierung von Beziehungen neuen Typs, die auf der Überwindung der Konfrontation, der Festigung des Vertrauens und der gutnachbarlichen Beziehungen basieren. Sie treten für die Entwicklung einer umfangreichen gleichberechtigten und gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit auf den verschiedenen Gebieten, für die Teilnahme aller Länder und Völker an der Lösung der dringenden Probleme des Kontinents ein. Ein wesentliches Element beim Aufbau eines neuen Europas muß auch weiterhin der gesamteuropäische Prozeß sein.
In der festen Absicht, allseitig die Vertiefung des Helsinki-Prozesses zu unterstützen, gehen die Teilnehmer der Tagung davon aus, daß ein Europa des Friedens und der Zusammenarbeit nicht losgelöst von all dem geschaffen werden kann, was im Verlauf von Jahrhunderten wie auch in den letzten Jahrzehnten auf dem Kontinent geschaffen wurde. Die Unterschiede zwischen einzelnen Staaten oder ihren Gruppierungen dürfen nicht die gegenseitige Verständigung und das Zusammenwirken behindern. Im Gegenteil, die Vielfalt der Erfahrungen der europäischen Völker kann zu einer Quelle gegenseitiger Bereicherung werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß die Prozesse in verschiedenen Teilen des Kontinents der Entwicklung zwischenstaatlicher Beziehungen auf bilateraler, multilateraler und gesamteuropäischer Grundlage dienen.
Die auf der Tagung vertretenen Staaten messen der Stärkung der gegenseitig vorteilhaften wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen den KSZE-Teilnehmerstaaten große Bedeutung bei. Das würde es jedem Land erlauben, seine materiellen und menschlichen Ressourcen sowie die Möglichkeiten der internationalen Arbeitsteilung im Interesse seiner sozialökonomischen Entwicklung optimal zu nutzen. Notwendig ist, Hindernisse und Einschränkungen der Entwicklung von Handels-, Wissenschafts-, Technik- und Produktionsbeziehungen zu beseitigen sowie den gegenseitigen Zutritt zu modernen Technologien zu erweitern.
Besondere Bedeutung erlangte die Entwicklung und Vertiefung der multilateralen und bilateralen Zusammenarbeit bei der Lösung herangereifter ökologischer Probleme. Europa könnte diesbezüglich zu einem Beispiel werden.
Wesentlicher Bestandteil der auf die Gesundung der Lage in Europa gerichteten Anstrengungen sind die Erweiterung des Zusammenwirkens auf humanitärem Gebiet, die Unterstützung der Beziehungen zwischen den Menschen, die Entwicklung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Austauschs und der Weiterverbreitung von Informationen sowie die Förderung der Zusammenarbeit und des Austauschs auf dem Gebiet der Kultur und Bildung.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährleistung von Frieden und Zusammenarbeit in Europa ist die Verwirklichung der Rechte und Grundfreiheiten des Menschen in ihrer Gesamtheit 'in jedem Land, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den internationalen Menschenrechtskonventionen, in der Schlußakte von Helsinki sowie in anderen im Rahmen der UNO und des gesamteuropäischen Prozesses angenommenen Dokumenten verankert sind. Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages treten für die vollständige Verwirklichung der zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und anderen Rechte in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit ein.
Die Festigung von Frieden und Sicherheit in Europa würde der Lösung vieler schwieriger sozialer Probleme, die die Völker des Kontinents berühren, bei Gewährleistung der Menschenrechte auf Leben und Arbeit dienen.
Die Teilnehmer der Tagung unterstrichen die Notwendigkeit, jeglichen Erscheinungen von Revanchismus und Chauvinismus, allen Formen von Feindschaft zwischen den Völkern eine entschiedene Abfuhr zu erteilen. Wie die gesellschaftlichen Kräfte in einigen westeuropäischen Ländern sind sie besorgt über die dort anwachsenden Erscheinungen des Neonazismus.
Die verbündeten sozialistischen Staaten messen der Gewährleistung der militärisch-politischen und territorialen Stabilität in Europa erstrangige Bedeutung bei. Sie gehen davon aus, daß jedes Volk selbst das Schicksal seines Landes bestimmt und das Recht hat, selbst das gesellschaftspolitische und ökonomische System, die staatliche Ordnung, die es für sich als geeignet betrachtet, zu wählen. Für die Gestaltung der Gesellschaft gibt es nicht nur einen Standard.
Stabilität setzt den Verzicht auf Konfrontationsdoktrinen, auf Gewalt sowie die Unzulässigkeit einer direkten und indirekten Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten voraus. Kein Land darf den Verlauf der Ereignisse innerhalb eines anderen Landes diktieren, keiner darf sich die Rolle eines Richters oder Schiedsrichters anmaßen. - Die Volksrepublik Bulgarien, die Ungarische Volksrepublik, die Deutsche Demokratische Republik, die Volksrepublik Polen, die Sozialistische Republik Rumänien, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Tschechoslowakische Sozialistische Republik sind bereit, mit den Teilnehmerstaaten des gesamteuropäischen Prozesses und allen interessierten Staaten für eine radikale Reduzierung der Rüstungen, für Abrüstung, für die Festigung der Sicherheit und Stabilität auf dem europäischen Kontinent, den Übergang von der Konfrontation zur Partnerschaft in den zwischenstaatlichen Beziehungen, für die Schaffung eines Europas des dauerhaften Friedens, gutnachbarlicher Beziehungen und der Zusammenarbeit verstärkt zusammenzuwirken und Vereinbarungen anzustreben. Alle diesbezüglichen konstruktiven Schritte und Vorschläge werden das Verständnis und die Unterstützung der verbündeten sozialistischen Staaten finden.
Quelle: Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, Dietz Verlag: Berlin 1989, S. 14-26.