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Brief von Egon Krenz an SED-Generalsekretär Erich Honecker mit dem Vorschlag, das politische Strafrecht zu verschärfen, 2. November 1988

Brief von Egon Krenz an SED-Generalsekretär Erich Honecker mit dem Vorschlag, das politische Strafrecht zu verschärfen, 2. November 1988

Abschrift

Berlin, 2.11.1988

Lieber Genosse Erich Honecker!

Wie im Gesetzgebungsplan festgelegt, wurden die Entwürfe
  • des 5. Strafrechtsänderungsgesetzes,
  • des Gesetzes über eine staatliche Vorauszahlung an durch Straftaten geschädigte Bürger,
  • der Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Verordnungen zur Verfolgung von Verfehlungen und zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten
ausgearbeitet.

Sie dienen im wesentlichen folgendem Anliegen:
  • Mit der Aufnahme von neuen Tatbeständen zur Bestrafung von Folter und Geiselnahme wird gezeigt, daß die DDR konsequent die internationalen Abkommen einhält und die Verwirklichung der Menschenrechte in unserem Staat einen hohen Rang einnimmt.
    Die Aufnahme der Strafbarkeit des Versuchs bei der Anfertigung und Verbreitung von staatsverleumderischen Schriften, Symbolen usw. erlaubt es, in einem möglichst frühen Stadium gegen die Straftäter vorzugehen. Dem flexiblen Vorgehen dient auch eine Änderung des Tatbestandes der Zusammenrottung. Der Einsatz von Computern in der Volkswirtschaft und in anderen Bereichen macht es erforderlich, daß Bestimmungen zum Schutze dieser neuen Technik und der Daten, auch gegen ihren Mißbrauch, aufgenommen werden, wie dies international üblich ist. Wie von Dir auf der letzten Staatsratssitzung gefordert, ist auch eine Ergänzung der Bestimmung über Falschmeldung vorgenommen worden.

  • Neu aufgenommen wurde der Tatbestand der Spekulation. Damit soll künftig der spekulative Handel mit wertvollen Konsumgütern wie Computertechnik, mit Zahlungsmitteln, Kulturgut und Briefmarken, darunter auch der Schmuggel im grenzüberschreitenden Verkehr, wirksamer bekämpft werden.

  • Das Ergänzungsgesetz enthält mehrere Bestimmungen, die eine Strafverfolgung nicht mehr von Amtswegen, sondern nur auf Antrag des Geschädigten vorsehen. Ferner kann von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen werden, wenn kein gesellschaftliches Interesse an der Verfolgung einer Straftat besteht.
Ich bitte um Zustimmung, daß die beiliegende Vorlage dem Politbüro unterbreitet werden kann. Natürlich müssen wir in Betracht ziehen, daß westliche Medien diese Strafrechtserneuerungen böswillig gegen uns kommentieren werden. Falls Du der Einreichung der Vorlage zustimmst, würde ihre Begründung in der Volkskammer durch den Minister der Justiz im Komplex mit der Gesetzesvorlage über die Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen erfolgen.

Ich bitte um Entscheidung.

Mit sozialistischem Gruß
Egon Krenz

Quelle: Peter Przybylski, Tatort Politbüro. Bd. 2: Honecker, Mittag und Schalck-Golodkowski, Berlin 1992, S. 364-365.
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