Aktennotiz über ein Gespräch Erich Honeckers mit KPdSU-Politbüromitglied Alexander Jakowlew in Berlin, 7. August 1987
Aktennotiz über ein Gespräch von SED-Generalsekretär Erich Honecker und KPdSU-Politbüro-Mitglied Alexander Jakowlew in Berlin, 7. August 1987Abschrift (Auszüge)
Nach der herzlichen Begrüßung durch Genossen Honecker bedankte sich Genosse Jakowlew für die Möglichkeit eines Urlaubsaufenthalts in der DDR. Vor seiner Abreise habe er ein langes Gespräch mit Genossen Michail Gorbatschow gehabt. Genosse Gorbatschow habe ihn gebeten, herzliche Grüße und beste Wünsche an Genossen Honecker zu übermitteln. Er erinnere sich sehr gut an ihr letztes Gespräch und die Vereinbarungen. (...)
Genosse Erich Honecker dankte Genossen Jakowlew für die Ausführungen, insbesondere für die Grüße des Genossen Gorbatschow. In der Tat sei man seit dem letzten Treffen in Berlin während der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses sowohl in der bilateralen Zusammenarbeit als auch auf internationalem Gebiet ein großes Stück weiter vorangekommen. Besonders große Bedeutung haben die jüngsten Vereinbarungen auf ökonomischem und wissenschaftlich-technischem Gebiet. Auch die zweite vereinbarte Frage - die gemeinsame Analyse der Lage in der BRD - sei durch die Konsultation des Genossen Axen mit den Genossen Dobrynin und Medwedjew realisiert worden. Das Politbüro habe den Ergebnissen beider Konsultationen zugestimmt. (...)
Genosse Honecker legte die Einschätzung der SED zu den jüngsten Entwicklungen in der BRD dar, wo sich ein Prozeß der Umgruppierung der Kräfte vollzieht. Während die CDU/CSU bei den letzten Wahlen 2,5 Millionen Stimmen verlor, konnte die SPD ihre Positionen im wesentlichen halten, während FDP und Grüne ihren Einfluß zu festigen vermochten.
Nach der Initiative des Genossen Gorbatschow über die Beseitigung der Mittelstreckenraketen in Europa sei es gelungen, die BRD auf eine Zustimmung dazu ohne Wenn und Aber festzulegen. Gegenwärtig gingen die Auseinandersetzungen in der BRD um diese Fragen weiter. Die jüngsten Ausführungen des Genossen Schewardnadse zur Frage der Pershing-Ia-Raketen haben in der BRD wie eine Sensation eingeschlagen. Sie werden zweifellos die Auseinandersetzungen in der Regierungskoalition weiter verstärken. Es müsse vor allem weiter Druck auf die USA ausgeübt werden, diese Raketen abzuziehen. Die Ausführungen des Genossen Schewardnadse würden voll und ganz unterstützt.
Genosse Honecker legte Erfahrungen aus den Gesprächen mit westlichen Politikern dar, die großes Interesse an den Beschlüssen der Berliner Tagung des PBA zeigten, insbesondere an den Ausführungen zur Beseitigung der Asymmetrien durch Reduzierung der Rüstungen dort, wo angeblich Überlegenheit bestehe. Auch für die neuen Formulierungen zur Kontrolle und für die Fragen der Einstellung aller Kernwaffenversuche habe großes Interesse bestanden.
Die Bedeutung eines Abkommens über die Beseitigung aller Mittelstreckenraketen bestehe darin, daß damit ein Einstieg in dem langfristigen Prozeß der Abrüstung erreicht werden kann.
Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Besuchs in der BRD berichtete Genosse Honecker über den Brief eines alten Sozialdemokraten aus Bremen. Dieser habe auf die antifaschistische Haltung der Stadt während der Zeit des Faschismus verwiesen und Genossen Honecker dringend gebeten, Bremen zu besuchen. Genosse Honecker resümierte, daß der Besuch zweifellos zur Stärkung der progressiven Kräfte in der BRD beitragen werde. Er verwies auf die geplanten Besuche in den von der SPD regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Saargebiet sowie auf die geplanten breiten Kontakte mit führenden Vertretern der SPD und auch der DKP. Der Besuch werde der gemeinsamen Sache Nutzen bringen. (...)
Quelle: SAPMO-BA, DY 30/J IV 2/2A/3046, dok. in: Detlef Nakath/Gerd-Rüdiger Stephan (Hg.), Von Hubertusstock nach Bonn. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-deutschen Beziehungen auf höchster Ebene 1980-1987, Berlin 1995, S. 322-324.