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Rundfunk- und Fernsehansprache des Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, Nikita Chruschtschow, 7. August 1961

Rundfunk- und Fernsehansprache des Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, Nikita Chruschtschow, 7. August 1961

[Auszüge]

Der eine oder der andere wird möglicherweise sagen: Ist es denn jetzt so notwendig, einen Friedensvertrag mit Deutschland abzuschließen? Warum könnte man mit der Unterzeichnung dieses Vertrages nicht noch zwei bis drei Jahre oder sogar länger warten? Vielleicht würde das die Spannungen mindern und die Kriegsgefahr bannen?

Nein, so darf man nicht handeln. Man muß der Wahrheit ins Gesicht sehen. Die Westmächte weigern sich, einen Friedensvertrag mit Deutschland auf vereinbarter Grundlage zu schließen. Gleichzeitig drohen sie mit Krieg und fordern, daß wir mit der DDR keinen Friedensvertrag abschließen. Sie wollen nicht mehr und nicht weniger, als den Ländern des sozialistischen Lagers ihren Willen aufzwingen.

Die Frage des Zutritts nach Westberlin und die Frage des Friedensvertrages überhaupt ist für sie nur ein Vorwand. Würden wir auf den Abschluß eines Friedensvertrages verzichten, so würden sie das als einen strategischen Durchbruch bewerten und sogleich ihre Forderungen höher schrauben. Sie würden die Beseitigung der sozialistischen Ordnung in der Deutschen Demokratischen Republik verlangen. Hätten sie auch das erreicht, dann würden sie sich natürlich das Ziel setzen, die an Polen und an die Tschechoslowakei auf Grund des Potsdamer Abkommens zurückerstatteten Gebiete – polnische und tschechoslowakische Gebiete – loszutrennen. Hätten die Westmächte auch das alles erreicht, würden sie ihre Hauptforderung vorbringen: die sozialistische Ordnung in allen Ländern des sozialistischen Lagers zu beseitigen. Das möchten sie auch jetzt schon.

Ebendeshalb kann die Lösung der Frage des Friedensvertrages nicht aufgeschoben werden.

[...]

Wir wenden uns an unser Volk und sprechen offen über die entstandene Lage. Wie Sie schon wissen, hat die Sowjetregierung beschlossen, die Ausgaben für die Verteidigung des Landes zu erhöhen, die Verringerung unserer Streitkräfte, die bisher einseitig erfolgt ist, einzustellen. Mit einem Wort:

Es werden die nötigen Maßnahmen getroffen, damit die Verteidigungskraft der Sowjetunion noch stärker und zuverlässiger werde. Wir werden den weiteren Gang der Ereignisse verfolgen und der Lage entsprechend handeln. Möglicherweise werden wir im weiteren gezwungen sein, die zahlenmäßige Stärke der Armee an den Westgrenzen durch Divisionen aus anderen Gebieten der Sowjetunion zu vergrößern. In diesem Zusammenhang wird es vielleicht notwendig sein, einen Teil der Reservisten einzuberufen, damit unsere Divisionen in voller Stärke bereitstehen und auf jegliche Überraschungen vorbereitet sind.

Warum erwägt die Sowjetregierung solche Maßnahmen? Das sind Gegenmaßnahmen. Die Vereinigten Staaten von Amerika führen im Grunde genommen Mobilmachungsmaßnahmen durch und drohen einen Krieg zu entfesseln. Die Verbündeten der Vereinigten Staaten in den aggressiven Militärblocks unterstützen diesen gefährlichen Kurs. Die englische Regierung hat erklärt, daß sie zusätzliche Truppen nach Deutschland werfen wird, und Frankreich zieht Truppen aus Algerien nach Europa ab.

Wenn sich eine derartige Situation herausbildet, wäre es unsererseits unzulässig, mit den Händen im Schoß dazusitzen. Die Erfahrungen der Geschichte lehren, daß der Aggressor, wenn er sieht, daß ihm keine Abfuhr erteilt wird, frech wird; und umgekehrt – erhält er eine Abfuhr, so wird er stiller. Wir müssen denn auch entsprechend dieser historischen Erfahrung handeln.

Quelle: Dokumente zur Deutschlandpolitik IV/6 (1961), 1524f.
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