Protokoll Nr. 44/61 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees der SED am Dienstag, im Sitzungssaal des Politbüros, 15. August 1961
Protokoll Nr. 44/61 der Sitzung des Politbüros des ZK der SED im Sitzungssaal des Politbüros, 15. August 1961Tagesordnung:
- Protokollbestätigung
- Einschätzung der gegenwärtigen Lage in Durchführung der Beschlüsse der Volkskammer und des Ministerrates Berichterstatter: Gen. Ulbricht
- Aufruf des Bundesvorstandes des DFD an die Frauen und Mädchen der DDR
- Gesundheitszustand des Gen. Grotewohl
Ulbricht, Matern, Stoph, Ebert, Neumann, Leuschner (ab 13.30 Uhr), Honecker, Mückenberger, Warnke, Norden
Anwesende Kandidaten:
Fröhlich, Mewis, Verner, Hager (bis 12.00 Uhr), Pisnik, Baumann, Ermisch, Grüneberg, Apel
Außerdem anwesend die Genossen:
Axen, Mittag, Reimann
Es fehlten entschuldigt:
Grotewohl, Kurella
Sitzungsleitung: Ulbricht
Protokollführung: Schön
Beginn: 10.00 Uhr
Ende: 14.30 Uhr
Protokollbestätigung
Beschlossen:
Das Protokoll Nr. 39/61 der außerordentlichen Sitzung des Politbüros vom 7. August 1961, das Protokoll Nr. 40/61 der Sitzung des Politbüros vom 8. August 1961 und das Protokoll Nr. 41/61 der außerordentlichen Sitzung des Politbüros vom 11. August 1961 werden bestätigt.Einschätzung der gegenwärtigen Lage in Durchführung der Beschlüsse der Volkskammer und des Ministerrates
Berichterstatter: Ulbricht
Beschlossen:- Die Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung der Grenzen nach Westberlin sind im wesentlichen durchgeführt. Es ist erforderlich, schon jetzt einen Plan für den weiteren Ausbau der Grenzsicherung in der zweiten Etappe auszuarbeiten. Verantwortlich für die Ausarbeitung: Genosse Maron, Genosse Honecker, Genosse Hoffmann.
- Ausarbeitung eines exakten Planes für den Übergang zu einer regulären Grenzsicherung. Der Plan ist von den Genossen Seifert, Beater und Riedel bis Montag, den 21.8.1961, auszuarbeiten.
- Ausarbeitung eines Planes über die reguläre Sicherung der Staatsgrenze West durch die Truppenteile der Grenzpolizei und Truppenteile der Nationalen Volksarmee mit dem System der periodischen Ablösung
Termin: Montag, den 28.8.1961.
Verantwortlich: Gen. Hoffmann, Gen. Honecker, Gen. Mielke, Gen. Maron. - Genosse Honecker wird beauftragt, unter Leitung des Genossen Borning eine Gruppe zur laufenden Bearbeitung der Vorkommnisse in der Republik einzusetzen. In die Gruppe sind dafür geeignete Funktionäre der Partei, des Ministeriums für Staatssicherheit und der Volkspolizei einzubeziehen.
- Dem Politbüro wird vorgeschlagen, die Abteilungen für Arbeit beim Magistrat und den Räten der Stadtbezirke von Groß-Berlin, bei den Räten Potsdam und Frankfurt (Oder) sowie bei den Räten der Randkreise um Berlin in Arbeitsämter umzuwandeln. Die Umwandlung geschieht auf der Grundlage des bereits gefaßten Beschlusses, der entsprechend der neuen Lage durch das Präsidium des Ministerrates vereinfacht bzw. vervollkommnet werden soll.
Verantwortlich: Genosse Stoph.
In Berlin wird ein Arbeitsamt gebildet mit Nebenstellen in den Stadtbezirken. - Es ist eine Anweisung an die Deutsche Grenzpolizei und die Organe des Ministeriums für Verkehrswesen zu geben, daß die ausgegebenen PM 12a ungültig sind. Den betreffenden Personen ist mitzuteilen, daß in einiger Zeit ein neuer Antrag zu stellen ist.
Verantwortlich: Genosse Maron, Genosse Kramer. - Die bisherigen Berechtigungsscheine A (rot - VK 38b und grün - VK 61a) werden für ungültig erklärt und sind zu erneuern.
Alle Personen, die im Besitz solcher Ausweise sind, werden gebeten, sich im ........ vom ........ bis ........ zur Regelung dieser Angelegenheit einzufinden.
Verantwortlich: Genosse Maron. - Der Beschluß soll in der Weise durchgeführt werden, daß die Anzahl der neuen Berechtigungsausweise maximal eingeschränkt wird. Berechtigungsscheine sind nur an solche Personen auszugeben, die bei uns wichtige Aufgaben erfüllen.
Die Ausgabe von neuen Berechtigungsscheinen hat individuell zu erfolgen. Dabei sind durch qualifizierte Mitarbeiter des Staats- und Parteiapparates mit den betreffenden Personen Aussprachen durchzuführen mit dem Ziel, diese Maßnahmen verständlich zu machen. Verantwortlich für die Ausarbeitung der Direktive: Gen. Maron.
- Die bisherigen Berechtigungsscheine A (rot - VK 38b und grün - VK 61a) werden für ungültig erklärt und sind zu erneuern.
- Der Beschluß des Ministers des Innern über den Abzug der VP-Angehörigen, die am Außenring an Straßen Kontrollen durchführen, und über den Abzug der Zugbegleitkommandos in den Eisenbahnzügen (mit Ausnahme der Interzonenzüge), die zur Bekämpfung des Menschenhandels zusätzlich eingesetzt wurden, wird bestätigt.
- Aufgrund der Klagen aus den Betrieben, daß zuviel Informatoren von zentralen örtlichen Stellen in denselben erscheinen, ist vom Genossen Stoph die Abstellung dieses Unfuges - soweit es die staatlichen Organe betrifft - zu veranlassen.
Den gesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften, FDJ etc. ist vom Genossen Honecker mitzuteilen, daß alle Einsätze in den Betrieben entsprechend der Regelung bei der Partei durch die Kreisleitungen der Partei koordiniert, angeleitet und kontrolliert werden. - Der Befehl an die Einsatzleitung Berlin, aufgrund des gewaltsamen Durchbrechens der Postenkette nach den Westsektoren durch Kraftfahrzeuge Hindernisse an den bestehenden Übergängen zu errichten, wird bestätigt.
- Vom Stab des Ministeriums des Innern sind umgehend Maßnahmen zu treffen:
- um den Sicherungskräften an Ort und Stelle durch ausgebildete Spezialkräfte Hilfe und Unterstützung bei der Anlegung der Sperren zu geben;
- da die natürlichen Hindernisse - wie Gräben und Kanäle - keine vollständige Grenzsicherung gewährleisten, ist es notwendig, an den Ufern zusätzlich Drahtsperren zu errichten, zum Beispiel Britzer Kanal und Osthafen.
- Genosse Kramer wird beauftragt, durch in Westberlin vorhandene Kräfte einen Kontrolldienst auf dem Gelände der Reichsbahn einzurichten und sie in ihre bahnpolizeilichen Vollmachten einzuweisen.
- Genosse Verner wird beauftragt dafür zu sorgen, daß zwischen dem Magistrat von Groß-Berlin und den Randkreisen wegen des Arbeitseinsatzes der ehemaligen Grenzgänger zusammengearbeitet wird.
- Der Magistrat von Groß-Berlin wird beauftragt, eine Anordnung zur Einschulung der schulpflichtigen Kinder, die bisher in Westberlin zur Schule gingen, zu erlassen.
Schüler, die über die Schulpflicht hinaus in Westberlin zur Schule gingen, sind der Berufsberatung zu überweisen. - Genosse Ulbricht wird am Freitag im Fernsehen auftreten, um zu den Grundfragen Stellung zu nehmen.
- An die Mitglieder und Kandidaten des ZK ist eine Information über unsere bisherigen Maßnahmen zu geben und darzulegen, daß diese Maßnahmen entsprechend der vom 13. Plenum des ZK bestätigten Rede des Genossen Ulbricht durchgeführt werden. Eine Sitzung des Zentralkomitees wird Ende August stattfinden.
- Das Politbüro hält es für notwendig, daß
- Genosse Matern im Fernsehen und Rundfunk auftritt und sich an die westdeutschen Sozialdemokraten wendet;
- Genosse Warnke sich im Fernsehen und Rundfunk an die Mitglieder des DGB wendet;
- sich Genosse Ebert in gleicher Weise an die Westberliner Sozialdemokraten wendet.
- Die Information des Genossen Ulbricht über sein Gespräch mit Genossen Perwuchin wird zur Kenntnis genommen. Die vorgesehene Erklärung über die von westdeutscher Seite beabsichtigte Kündigung des Handelsabkommens zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Westdeutschland ist vom Präsidium des Ministerrates heute zu beschließen und vom Presseamt zu veröffentlichen. Genosse Ulbricht wird mit Genossen Stoph die Erklärung redigieren.
- Es ist heute über unsere Botschafter an die Zentralkomitees der sozialistischen Länder zu telegraphieren, daß die in Moskau anläßlich der Beratung der 1. Sekretäre der ZK der kommunistischen und Arbeiterparteien aus den Teilnehmerstatten des Warschauer Vertrages vereinbarte Beratung der Agit.-Prop.-Leiter der ZK der kommunistischen und Arbeiterparteien am 23.8.1961 in Berlin stattfindet.
Genosse Norden wird beauftragt, mit Genossen Perwuchin zu sprechen und durch ihn vom Genossen Suslow das Einverständnis über Termin und Ort einzuholen. - Die Kosmonauten Gagarin und Titow sind in die Deutsche Demokratische Republik einzuladen, und zwar für die Zeit vom 1.9. bis einschließlich 4.9.1961.
Als Plan wird vorgeschlagen:- Am 1.9.1961, abends, Ankunft auf dem Flugplatz;
- am 2.9.1961, nachmittags, Kundgebung auf dem Marx-Engels-Platz in Berlin;
- am 3.9.1961 Kundgebung in Magdeburg;
- am 4.9.1961 Kundgebung in Leipzig.
- In der nächsten Sitzung des Politbüros am Dienstag, den 22.8.1961, ist als erster Tagesordnungspunkt zu behandeln:
Die Weiterführung der Wahlen zu den Gemeindevertretungen, Stadtverordneten und Stadtbezirksversammlungen und zu den Kreistagen.
Aufruf des Bundesvorstandes des DFD an die Frauen und Mädchen der Deutschen Demokratischen Republik
Beschlossen:
Der Aufruf ist entsprechend den Vorschlägen in der Diskussion von der Genossin Edith Baumann und dem Genossen Norden zu redigieren.Gesundheitszustand des Genossen Otto Grotewohl
Beschlossen:
Die Mitteilung des Regierungskrankenhauses über die Besserung im Befinden des Genossen Grotewohl wird zur Kenntnis genommen.
(Anlage Nr. 1)
Unterschrift
(W. Ulbricht)
Quelle: SAPMO-BA, DY 30/J IV 2/2/786