13. Tagung des Zentralkomitees der SED im Plenarsaal des Hauses des Zentralkomitees, 3./4. Juli 1961
(unkorrigierte, stenographische Niederschrift)
13. Tagung des SED-Zentralkomitees im Plenarsaal des Hauses des Zentralkomitees am 3. und 4. Juli 1961Abschrift
[Auszug]
Der Kampf um den Friedensvertrag und die Umwandlung Westberlins in eine entmilitarisierte, neutrale, freie Stadt
Referent: Genosse Walter Ulbricht
Es geht uns um den Friedensvertrag und um Verhandlungen um eine entmilitarisierte Freie Stadt Westberlin. Es geht uns darum, daß alle Verbindungswege zu Lande, zu Wasser und in der Luft der Kontrolle der DDR unterliegen. Das ist alles. (...)
Es geht uns um das Leben und die Zukunft unserer Nation, um die Sicherung des Friedens, um die Verhinderung einer Kriegskatastrophe. Davon lassen wir uns durch nichts abbringen. Bluff und Nervenkrieg führen bei uns nicht zum Ziel. (...) Wir müssen im höchsten Maße wachsam sein, wir müssen die DDR und auch ihre Verteidigungsbereitschaft maximal stärken, damit die Liebhaber der Aggression ernüchtert werden. Ich habe schon bei einer anderen Gelegenheit betont, daß die Sowjetunion und auch die DDR in solchen Dingen besonders gewissenhaft und genau sind und nichts dem Zufall überlassen dürfen.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir erstreben nach wie vor ehrliche Verhandlungen über Friedensvertrag und friedliche Lösung der Westberlinfrage. Und wir hoffen, daß sich nicht nur in Washington, London und Paris, sondern auch in Bonn letztlich die Vernunft der Regierenden im Sinne der Friedenssehnsucht der Völker durchsetzen wird. (...)
Ihr wißt, der vom Gegner entfesselte Nervenkrieg gegen Friedensvertrag und friedliche Lösung der Westberlinfrage ist in vollem Gange. Das Trommelfeuer der Kriegspartei in Westdeutschland dient dem Zweck, die verantwortlichen Staatsmänner unter Druck zu setzen, die Bevölkerung dieser Länder zu verwirren und irrezuführen, auf das Nervensystem der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder zu drücken und ihren Einfluß auszuüben.
Die wichtigste Aufgabe im Innern muß also darin bestehen, alle Bürger der DDR zu befähigen, in festem Vertrauen auf die Stärke unserer Genossen und unserer Bundesgenossen die Parolen des Gegners richtig einzuschätzen, aus innerer Überzeugung diese feindlichen Losungen zu widerlegen und alle Störmanöver zu zerschlagen. Dazu gehört die völlige Klarheit darüber, daß wir vor einer Auseinandersetzung mit einem böswilligen Gegner stehen. jeder muß wissen, daß wir es mit einem gefährlichen Gegner zu tun haben, den wir nicht unterschätzen dürfen. jeder muß aber auch wissen, daß auf unserer Seite nicht nur Recht und Gerechtigkeit und historischer Fortschritt kämpfen, sondern auch die stärkeren Bataillone, von denen schon Friedrich II. festzustellen pflegte, daß der liebe Gott immer denen hilft, die über die stärkeren Bataillone verfügen. (...)
Für das Gelingen unserer Politik und insbesondere für die Erfüllung der großen Aufgaben dieses Jahres ist es wichtig, daß jeder Bürger der DDR von der Unvermeidlichkeit und Unverzichtbarkeit unserer Politik im Interesse des Friedens und unserer Nation felsenfest überzeugt ist. (...)
Wir müssen uns sorgfältig auf alle möglichen Störversuche vorbereiten. Es ist unzulässig, daß sich jemand auf den Standpunkt stellt, wir könnten die Hände in den Schoß legen, die Sowjetunion würde uns schon helfen, wenn es ernst wird. Natürlich wird uns die Sowjetunion helfen, das ist bereits alles vereinbart. Aber wenn wir nicht selber ein Maximum tun, um uns selbst zu helfen, dann wird uns auch die sowjetische Hilfe nicht vor größeren Schwierigkeiten bewahren können.
In einer Situation, in der wir erhebliche wirtschaftliche Störversuche des Gegners zu erwarten haben, können wir uns unter gar keinen Umständen leisten, uns durch Bürokratismus, Verantwortungslosigkeit, Leichtfertigkeit oder Unfähigkeit noch selbst zu stören, so wie das z.B. vereinzelt mit der Brotversorgung der Bevölkerung der Fall war. Solche Störungen waren und sind durch nichts gerechtfertigt. Sie dürfen nicht geduldet werden. Jeder einzelne muß sich der Bedeutung des Kampfes bewußt sein und wissen, daß er und seine Arbeit mit entscheiden. Gerade weil das so ist, deshalb gewinnt die Verbesserung der Qualität der Arbeit der leitenden Organe eine besondere Bedeutung. Und deshalb gewinnt die Kontrolle der Durchführung der Beschlüsse, die exakte Arbeit von oben bis unten entscheidende Bedeutung, was Genosse Honecker im Bericht des Politbüros ausführlicher darlegen wird. (...)
Wir haben die Kraft und die Fähigkeit, mit den Aufgaben, die vor uns stehen, fertigzuwerden. der Frieden - davon bin ich überzeugt - wird gesichert, der Friedensvertrag abgeschlossen und der Kriegsherd Westberlin gelöscht werden. Wir sind verpflichtet, diese große Aufgabe in Ehren zu erfüllen.
Quelle: SAPMO-BA, DY 30/J IV 2/1/257