Richter, Michael: Geschichte der DDR
Berlin-Ultimatum 1958 und Bau der Berliner Mauer 1961
(Auszug)
Im November 1958 forderte Chruschtschow in ultimativer Form, West-Berlin den Status einer freien und entmilitarisierten Stadt zu geben. Durch den Besitz von Atomwaffen und Erfolge in der Raumfahrt (erste Raumsonde „Sputnik") fühlte sich die sowjetische Regierung stark genug, den Abzug der Westalliierten aus den Westsektoren Berlins binnen eines halben Jahres zu fordern. Da der Westen sich nicht einschüchtern ließ, musste Chruschtschow seine Forderungen zurückziehen. Im Sommer 1959 wurden auch Vertreter beider deutschen Staaten zu einer Konferenz der Außenminister der Großmächte geladen. Die Regierung der DDR, die nur von den sozialistischen Staaten diplomatisch anerkannt war, wertete dies als ersten Schritt zur Anerkennung der DDR im Westen. Nach einem Treffen Chruschtschows mit US-Präsidenten Eisenhower im September 1959 und mit dem neuen US-Präsidenten Kennedy Anfang Juni 1961 in Wien kam es zwischen den beiden Super-(18) mächten zur Übereinkunft über die Abgrenzung der gegenseitigen Interessensphären.
Nachdem Kennedy am 25. Juli 1961 noch einmal den Anspruch auf die Anwesenheit westlicher Truppen im Westen Berlins, den freien Zugang nach Berlin und die politische Freiheit der West-Berliner betont hatte, begann die UdSSR mit Hilfe des SED-Regimes die Vorbereitungen für die vollständige Abriegelung West-Berlins von seinem Umland. Die explosionsartig ansteigenden Flüchtlingszahlen im Sommer 1961 veranlassten die Regierungen der UdSSR und der DDR zu schnellem Handeln. [...] Nach einer Sitzung der Ersten Sekretäre der kommunistischen Parteien des Ostblocks vom 3. bis 5. August 1961 in Moskau gab Chruschtschow Anweisung für den Bau einer Mauer um West-Berlin. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 begannen Einheiten der NVA und der „Kampfgruppen der Arbeiterklasse" entlang der innerstädtischen Sektorengrenze Stacheldrahtverhaue und Steinwälle zu errichten. Daraus entstand die Berliner Mauer, die als „antifaschistischer Schutzwall" für fast dreißig Jahre weltweit zum Symbol von Unfreiheit und Unterdrückung durch kommunistische Regime wurde. [...]
Nach dem Bau der Mauer
Das Jahr 1961 stellt einen tiefen Einschnitt in der Entwicklung der DDR dar. Die SED musste nach der Schließung der Grenze nicht mehr mit einer massenhaften Abwanderung der Bevölkerung („Abstimmung mit den Füßen") rechnen. Die Menschen mussten sich dem Regime fügen oder liefen, wenn sie versuchten, dem System zu entfliehen, Gefahr, an der Grenze erschossen zu werden. Zugleich war die Phase der sozialistischen Umwandlung von Wirtschaft und Gesellschaft weitgehend abgeschlossen. Die SED suchte nun nach veränderten Formen der Machtausübung und der Wirtschaftsweise. Nach einer neuen Phase der Entstalinisierung, die dem 22. Parteitag der KPdSU folgte und die auch von der SED gebilligt werden musste, widmete das Regime seine Hauptkraft der Wirtschaftsentwicklung. Alternative Formen der Leitungstätigkeit wurden probiert. Mit immer neuen ideologischen Kampagnen versuchte die SED, die Bevölkerung von der Richtigkeit ihrer ideologischen Thesen zu überzeugen. Mit dem „Nationalen Dokument" stellte die SED ihre Haltung zur Deutschlandpolitik dar. Die Vorschläge, über eine Konföderation auf sozialistischer Grundlage zur Einheit Deutschlands zu gelangen, hatten mit der realen Situation nichts zu tun und blieben ohne Wirkung.
Quelle: Informationen zur politischen Bildung (Heft 231): Geschichte der DDR, Bonn 1991, S.17f.