May-Ayim-Ufer
Aufnahme des Mahnmals für Udo Düllick von einem Patrouillenboot der Grenztruppen, 1968 (Foto: Stiftung Berliner Mauer – Wolfgang Böttger, CC BY-NC-SA 4.0)
Es ist schon fast Mitternacht, als sich Udo Düllick auf der Ostseite dem Spreeufer nähert. Auf dem Gelände der Osthafenmühle legt er Jacke, Hose und Schuhe ab und springt ins Wasser. Sofort werden Grenzposten, die auf der Oberbaumbrücke im Einsatz sind, auf den Flüchtling aufmerksam. Auf die Abgabe von Leuchtsignalen und Warnschüssen folgen gezielte Schüsse. Lange bleibt ungeklärt, um wen es sich bei dem Schwimmer handelt. Zunächst wird am Gröbenufer – heute das May-Ayim-Ufer – ein Holzkreuz errichtet, später ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Dem unbekannten Flüchtling“. Im Frühjahr 1975 ertrinkt der 5-jährige Cetin Mert an dieser Stelle. Der Junge ist beim Spielen ins Wasser gefallen. Da die Spree hier in voller Breite zu Ost-Berlin gehört, wagt sich kein West-Berliner ins Gewässer, um ihn zu retten. In Kreuzberg kommt es zu heftigen Protesten gegen das DDR-Regime, Cetin Mert ist bereits das fünfte Kind, das auf diese Weise ums Leben kommt. Am 29. Oktober 1975 unterzeichnen der West-Berliner Senat und die DDR-Regierung nach mehrjährigen Verhandlungen ein Abkommen über Rettungsmaßnahmen bei Unglücksfällen in den Berliner Grenzgewässern. Neben Absperrungen und Warnhinweisen werden 1976 Rettungssäulen an der Wassergrenze aufgestellt, damit die Grenzposten vor einer Rettungsaktion informiert werden können.