„Vergessen Sie nicht, Sie repräsentieren die US-Regierung.“
Handbücher der US-Army für Soldaten auf Besuch in Ost-Berlin
So wie viele westalliierte Soldaten in Berlin besuchten US-Soldaten den sowjetischen Sektor, profitierten dort von den günstigeren Preisen und erhaschten einen Blick auf das Leben jenseits der Mauer. Diese privaten Ausflüge waren zugleich zutiefst politisch: Die westlichen Alliierten zeigten so Präsenz und unterstrichen damit ihr Recht auf Zugang zu allen Sektoren der Stadt. Um gefährliche Provokationen zu vermeiden, gab die Army ihren Ausflüglern ein eigenes Handbuch auf den Weg.von Carolin Lange und Kalin Ohmann„Vorbildliches Verhalten stärkt den Erhalt unseres Zugangsrechts zu allen Sektoren von Berlin“, mahnt das Vorwort des US-Stadtkommandanten Major General Raymond E. Haddock in jedem der „vehicle travel packets“. Über 200 dieser grünen Mappen müssen in den späten 1980er Jahren im Umlauf gewesen sein. Elf davon wurden 1994 von der abziehenden US-Army Berlin Brigade an das damals neu entstehende Alliierten-Museum übergeben.
Jeder US-Soldat erhielt beim Passieren des Checkpoint Charlie in den Berliner Ostteil eine solche Mappe. Darin befanden sich unter anderem eine Karte des sowjetischen Sektors, Notfallnummern sowie Hinweise zum Umgang mit Volkspolizei, NVA und sowjetischen Militärangehörigen. An diesen Hinweisen lässt sich die komplexe Situation des Vier-Mächte-Status ablesen: Die Bedrohung des amerikanischen Zugangs zu Ost-Berlin hatte 1961 zur Panzerkonfrontation am Checkpoint Charlie geführt. Um ihr Recht auf freien Zugang zu allen Sektoren zu unterstreichen, das 1945 im Potsdamer Abkommen festgehalten worden war, zeigten sich die Westalliierten regelmäßig in Ost-Berlin. Neben privaten Besuchen fuhren sie regelmäßig Patrouillenfahrten – sogenannte Flag Tours – durch den sowjetischen Sektor. So konnten sie die Aktivitäten der Sowjets im Auge behalten.
US-Soldaten, die in ihrer Freizeit kamen, sollten auf ihr Recht als Alliierte bestehen: Sie sollten sich im Sinne des Vier-Mächte-Abkommens nicht vor der Volkspolizei ausweisen oder sich durchsuchen lassen. Nur sowjetische Offiziere durften von ihnen Ausweisdokumente fordern. Damit die US-Soldaten diese Forderungen überhaupt kommunizieren konnten, enthielten die Mappen mehrsprachige Karteikarten, die bei der Verständigung mit Deutschen oder Russen helfen sollten.
Auch für einfache Einkäufe fanden sich Vorschriften in den Mappen. Viele Artikel waren in Ost-Berlin günstiger als in West-Berlin. Vor allem Grundnahrungsmittel wurden von der DDR subventioniert. Außerdem profitierten die Soldaten von einem günstigen Wechselkurs von Dollar zu Ost-Mark. Mit ihren Vorschriften wollte die Army verhindern, dass ihre Soldaten den Ost-Berliner:innen knappe Produkte „wegkauften“. Lebensmittel durften daher gar nicht mitgenommen, begrenzt verfügbare Artikel wie beispielsweise Schuhwerk, Kinderspielzeug oder Alkohol nur einzeln erworben werden. Vermutlich sollte der Eindruck vermieden werden, dass die Soldaten finanziell von der Teilung profitierten. So schrieben im August 1989 eine Ost-Berliner und eine sowjetische Zeitung, westalliierte Soldaten würden sich in Ost-Berlin regelmäßig an staatlich geförderten Produkten bereichern. Ein solches Verhalten wollte sich die US-Army nicht nachsagen lassen.
Die Anweisungen und Verbote in den Mappen bezeugen die Konflikte, die sich durch die Teilung Berlins und den Vier-Mächte-Status ergaben. Sie bestimmten nicht nur den Alltag der Berliner:innen, sondern auch den Alltag der in Berlin stationierten Soldaten.
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