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Die Flucht des Minderjährigen ist für das SED-Regime ein Affront. Die Stasi nötigt seine Mutter zur Fahrt in den Westen, um den Sohn zurück zu holen. Auch auf Freunde und Bekannte nimmt die Stasi Einfluss. Sie rufen den Jugendlichen an und legen ihm die Rückkehr nahe. Doch T. S.. bleibt im Westen und erhält die bundesdeutsche Staatsbürgerschaft.
Während der folgenden Wochen wird er nahezu täglich von Stasi-Mitarbeitern angerufen. Sie deuten an, wenn er nicht zurück kehre, würde seine Familie in der DDR in Schwierigkeiten geraten. Das Haus seiner Großtante wird observiert.
Diese „Rückführungsmaßnahmen" setzen dem Jugendlichen sehr zu. Im Februar 1984 fährt er kurz entschlossen nach Bonn, um sich bei der Ständigen Vertretung der DDR zu beschweren. Als er nach langer Wartezeit vorgelassen wird, trägt er sein Anliegen tapfer vor. Doch er muss erkennen, dass er seinen Gesprächspartnern nicht gewachsen ist. Am frühen Abend bieten sie an, ihn nach Hause zu fahren. T. S. willigt ein – und wird in die DDR entführt.
Die Stasi sperrt den Jugendlichen im Aufnahmeheim des DDR-Innenministeriums in Berlin-Röntgental ein. Als er im Frühjahr 1984 entlassen wird, zieht er wieder zu seiner Mutter nach D. Notgedrungen kehrt er in seinen Lehrbetrieb zurück. Dort fühlt er sich noch stärker unter Druck, als vor seiner Flucht. Von den Kollegen wird er als „Landesverräter" beschimpft. T. S. entschließt sich erneut zur Flucht.
Am 13. August 1984 fährt er mit dem Moped auf einen Parkplatz an der Transitautobahn nahe Glindow. Unauffällig sucht er einen parkenden LKW mit der Transitplakette an der Windschutzscheibe. Bei einem ungarischen Sattelschlepper wird er fündig. In der Hoffnung, nicht beobachtet zu werden, versteckt sich T. S. auf dem Fahrzeug. Doch der jetzt 18-Jährige wird entdeckt, festgenommen und im Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis inhaftiert.
Im November 1984 verurteilt ihn das Kreisgericht Delitzsch wegen „vollendeten und versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall" zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. T. S. wird in das Zuchthaus Cottbus überstellt. Im August 1985 kauft ihn die Bundesrepublik frei.
1987 fährt T. S. auf der Transitautobahn durch die DDR in Richtung West-Berlin. Ohne Genehmigung verlässt er die Transitstrecke und besucht seine Mutter in D. Er ist noch nicht lange bei ihr, als Stasi-Mitarbeiter klingeln. T. S. muss ihnen in die Stasi-Kreisdienststelle folgen. Dort wird ihm eine „strenge Verwarnung" erteilt und angekündigt, würde er die Transitstrecke noch einmal ohne Genehmigung verlassen, käme er in Haft. Über das „Transitvergehen" des jungen Mannes beschwert sich die DDR bei der Bundesrepublik. Im Sommer 1988 erhält T. S. vom Bonner Verkehrsministerium Post: Er darf die Transitstrecke nicht mehr benutzen.
Doch T. S. hat Sehnsucht nach seiner Familie. Am 1. November 1988 fährt er in der Nähe von Hof auf einen Parkplatz an der Transitautobahn. Dort versteckt er sich auf einem LKW und reist unentdeckt in die DDR ein. Als er am 12. November 1988 die DDR auf die gleiche Weise wieder verlassen möchte, wird er nahe der Autobahn-Raststätte Michendorf festgenommen und ein zweites Mal im Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Am 22. Dezember 1988 verurteilt ihn das Kreisgericht Potsdam-Stadt wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts" zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten. T. S. muss das Urteil im Ost-Berliner Gefängnis Rummelsburg verbüßen. Am 17. November 1989 kommt er im Zuge der Amnestie für politische Häftlinge frei.
Text: Farina Münch
Flucht auf einem LKW in die Freiheit – und zweimal zurück, 5. Oktober 1983
Der Schlosserlehrling T. S. aus D. lehnt das SED-Regime ab. In seinem Betrieb fühlt er sich benachteiligt und ausgegrenzt. Am 5. Oktober 1983 wagt der 17-Jährige die Flucht in den Westen. Auf der Raststätte Michendorf an der Transitautobahn klettert er unbemerkt auf einen West-Berliner LKW, der in die Bundesrepublik fährt. Er versteckt sich auf der Ladefläche – und gelangt über den Grenzübergang Marienborn/Helmstedt in den Westen. Im pfälzischen Weißenheim am Sand nimmt ihn eine Großtante auf.Die Flucht des Minderjährigen ist für das SED-Regime ein Affront. Die Stasi nötigt seine Mutter zur Fahrt in den Westen, um den Sohn zurück zu holen. Auch auf Freunde und Bekannte nimmt die Stasi Einfluss. Sie rufen den Jugendlichen an und legen ihm die Rückkehr nahe. Doch T. S.. bleibt im Westen und erhält die bundesdeutsche Staatsbürgerschaft.
Während der folgenden Wochen wird er nahezu täglich von Stasi-Mitarbeitern angerufen. Sie deuten an, wenn er nicht zurück kehre, würde seine Familie in der DDR in Schwierigkeiten geraten. Das Haus seiner Großtante wird observiert.
Diese „Rückführungsmaßnahmen" setzen dem Jugendlichen sehr zu. Im Februar 1984 fährt er kurz entschlossen nach Bonn, um sich bei der Ständigen Vertretung der DDR zu beschweren. Als er nach langer Wartezeit vorgelassen wird, trägt er sein Anliegen tapfer vor. Doch er muss erkennen, dass er seinen Gesprächspartnern nicht gewachsen ist. Am frühen Abend bieten sie an, ihn nach Hause zu fahren. T. S. willigt ein – und wird in die DDR entführt.
Die Stasi sperrt den Jugendlichen im Aufnahmeheim des DDR-Innenministeriums in Berlin-Röntgental ein. Als er im Frühjahr 1984 entlassen wird, zieht er wieder zu seiner Mutter nach D. Notgedrungen kehrt er in seinen Lehrbetrieb zurück. Dort fühlt er sich noch stärker unter Druck, als vor seiner Flucht. Von den Kollegen wird er als „Landesverräter" beschimpft. T. S. entschließt sich erneut zur Flucht.
Am 13. August 1984 fährt er mit dem Moped auf einen Parkplatz an der Transitautobahn nahe Glindow. Unauffällig sucht er einen parkenden LKW mit der Transitplakette an der Windschutzscheibe. Bei einem ungarischen Sattelschlepper wird er fündig. In der Hoffnung, nicht beobachtet zu werden, versteckt sich T. S. auf dem Fahrzeug. Doch der jetzt 18-Jährige wird entdeckt, festgenommen und im Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis inhaftiert.
Im November 1984 verurteilt ihn das Kreisgericht Delitzsch wegen „vollendeten und versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall" zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. T. S. wird in das Zuchthaus Cottbus überstellt. Im August 1985 kauft ihn die Bundesrepublik frei.
1987 fährt T. S. auf der Transitautobahn durch die DDR in Richtung West-Berlin. Ohne Genehmigung verlässt er die Transitstrecke und besucht seine Mutter in D. Er ist noch nicht lange bei ihr, als Stasi-Mitarbeiter klingeln. T. S. muss ihnen in die Stasi-Kreisdienststelle folgen. Dort wird ihm eine „strenge Verwarnung" erteilt und angekündigt, würde er die Transitstrecke noch einmal ohne Genehmigung verlassen, käme er in Haft. Über das „Transitvergehen" des jungen Mannes beschwert sich die DDR bei der Bundesrepublik. Im Sommer 1988 erhält T. S. vom Bonner Verkehrsministerium Post: Er darf die Transitstrecke nicht mehr benutzen.
Doch T. S. hat Sehnsucht nach seiner Familie. Am 1. November 1988 fährt er in der Nähe von Hof auf einen Parkplatz an der Transitautobahn. Dort versteckt er sich auf einem LKW und reist unentdeckt in die DDR ein. Als er am 12. November 1988 die DDR auf die gleiche Weise wieder verlassen möchte, wird er nahe der Autobahn-Raststätte Michendorf festgenommen und ein zweites Mal im Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Am 22. Dezember 1988 verurteilt ihn das Kreisgericht Potsdam-Stadt wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts" zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten. T. S. muss das Urteil im Ost-Berliner Gefängnis Rummelsburg verbüßen. Am 17. November 1989 kommt er im Zuge der Amnestie für politische Häftlinge frei.
Text: Farina Münch