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Als Siegmund Paetsch 1977 nach schwerer Krankheit stirbt, wohnt die Familie noch immer nicht in ihrem Haus. Auch Chancen auf Studienplätze haben die Kinder kaum, weil sich die Familie zu ihrem katholischen Glauben bekennt. Insbesondere Martin und Jürgen, die beiden ältesten Kinder, lehnen das SED-Regime ab und entschließen sich zur Flucht in den Westen. Als die Brüder im Frühjahr 1981 Mutter und Geschwister einweihen, beschließt die Familie, gemeinsam zu fliehen. Die 21-jährige Tochter Beate arbeitet an der Ostsee in Zinnowitz. Weil sie die Gegend gut kennt, reift der Plan, über die Ostsee auf die dänische Insel Bornholm zu fliehen.
Im Mai 1982 kaufen der 23-jährige Martin und der 22-jährige Jürgen zwei Faltboote und zwei Außenbordmotoren. Die Familie fährt die Boote auf dem Havelkanal und dem Wutzsee ein. Am 22. Juli 1982 reisen alle fünf mit zwei Trabant-Kombi an die Ostsee in die Nähe von Zinnowitz. Die 49-jährige Mutter und ihre Kinder lassen sich wie Urlauber auf dem Campingplatz in Neuendorf nieder. Am nächsten Tag, dem 25. Hochzeitstag von Mutter Margarete, soll die Flucht in Angriff genommen werden.
Martin, Beate und Margarete Paetsch fahren am Abend des 23. Juli 1982 mit dem Auto nach Trassenheide. An einem ruhigen und bewaldeten Strand laden sie die beiden Motoren und die Benzinkanister aus. Während die Frauen die Sachen im Wald verstecken, stellt Martin das Auto auf einem entfernten Parkplatz ab. Wenig später stoßen Jürgen und der 18-jährige Thomas mit den Faltbooten im zweiten Trabi dazu. Auch dieses Auto wird von der Fluchtstelle weggefahren. In den nächsten zwei Stunden baut die Familie beide Faltboote zusammen und trägt sie zum Strand. Nun muss alles schnell gehen. Mit wenig Gepäck und etwas Westgeld besteigen Mutter Margarete, Beate und Martin ein Boot und stechen in See. Jürgen und Thomas können den Motor des zweiten Bootes nicht starten. Als sie das Scheinwerferlicht der Grenztruppen erfasst, werfen sie den defekten Motor über Bord und rudern aus Leibeskräften los. Sie schließen zu Mutter und Geschwistern auf und werden von ihnen ins Schlepptau genommen. Auf der nächtlichen Ostsee erreichen beide Boote bald internationale Gewässer. Vergeblich bemüht sich die Familie um Aufnahme durch ein osteuropäisches Handelsschiff.
Bis zum frühen Morgen haben die Flüchtlinge etwa 90 Kilometer zurückgelegt, 30 sind es noch bis Bornholm. Plötzlich kommen fünf DDR-Fischkutter auf die Flüchtlinge zu. Die Kutter umringen die Boote und verursachen starken Wellengang. Doch die Familie kann das Kentern verhindern. Erst als ein Kapitän droht, mit einer Leucht-Pistole Löcher in die Boote zu schießen, geben die Flüchtlinge auf.
Die Familie muss an Bord eines Kutters gehen und stellt fest, dass dieses Schiff zum DDR-Grenzregime gehört. An Land werden alle fünf festgenommen, im Stasi-Untersuchungsgefängnis in Rostock inhaftiert und später in das Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis überstellt.
Am 8. November 1982 wird die Familie vom Kreisgericht Potsdam-Stadt wegen »ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall in Tateinheit mit Verstoß gegen das Devisengesetz« verurteilt. Martin und Jürgen müssen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten hinnehmen. Thomas, Beate und Mutter Margarete werden zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Mutter und Tochter müssen ihre Strafe im Zuchthaus Hoheneck antreten, die Söhne in den Zuchthäusern Cottbus und Brandenburg.
Nach fast 14-monatiger Haft gelangt die Familie am 15. September 1983 in den Westen, freigekauft von der Bundesrepublik.
Text: Farina Münch
Gescheiterte Flucht über die Ostsee nach Bornholm, 23./24. Juli 1982
Siegmund und Margarete Paetsch wohnen mit ihren vier Kindern in einer Vier-Zimmer-Wohnung in Hammer bei Oranienburg. Die Familie leidet unter den beengten Wohnverhältnissen. 1971 kauft Siegmund Paetsch ein Einfamilienhaus mit Grundstück in Stolzenhagen im Kreis Bernau. Beim Kauf wird dem Vater von staatlicher Stelle versichert, dass seine Familie in Kürze einziehen kann. Doch der Mieter des Hauses, ein Stasi-Mitarbeiter, weigert sich auszuziehen.Als Siegmund Paetsch 1977 nach schwerer Krankheit stirbt, wohnt die Familie noch immer nicht in ihrem Haus. Auch Chancen auf Studienplätze haben die Kinder kaum, weil sich die Familie zu ihrem katholischen Glauben bekennt. Insbesondere Martin und Jürgen, die beiden ältesten Kinder, lehnen das SED-Regime ab und entschließen sich zur Flucht in den Westen. Als die Brüder im Frühjahr 1981 Mutter und Geschwister einweihen, beschließt die Familie, gemeinsam zu fliehen. Die 21-jährige Tochter Beate arbeitet an der Ostsee in Zinnowitz. Weil sie die Gegend gut kennt, reift der Plan, über die Ostsee auf die dänische Insel Bornholm zu fliehen.
Im Mai 1982 kaufen der 23-jährige Martin und der 22-jährige Jürgen zwei Faltboote und zwei Außenbordmotoren. Die Familie fährt die Boote auf dem Havelkanal und dem Wutzsee ein. Am 22. Juli 1982 reisen alle fünf mit zwei Trabant-Kombi an die Ostsee in die Nähe von Zinnowitz. Die 49-jährige Mutter und ihre Kinder lassen sich wie Urlauber auf dem Campingplatz in Neuendorf nieder. Am nächsten Tag, dem 25. Hochzeitstag von Mutter Margarete, soll die Flucht in Angriff genommen werden.
Martin, Beate und Margarete Paetsch fahren am Abend des 23. Juli 1982 mit dem Auto nach Trassenheide. An einem ruhigen und bewaldeten Strand laden sie die beiden Motoren und die Benzinkanister aus. Während die Frauen die Sachen im Wald verstecken, stellt Martin das Auto auf einem entfernten Parkplatz ab. Wenig später stoßen Jürgen und der 18-jährige Thomas mit den Faltbooten im zweiten Trabi dazu. Auch dieses Auto wird von der Fluchtstelle weggefahren. In den nächsten zwei Stunden baut die Familie beide Faltboote zusammen und trägt sie zum Strand. Nun muss alles schnell gehen. Mit wenig Gepäck und etwas Westgeld besteigen Mutter Margarete, Beate und Martin ein Boot und stechen in See. Jürgen und Thomas können den Motor des zweiten Bootes nicht starten. Als sie das Scheinwerferlicht der Grenztruppen erfasst, werfen sie den defekten Motor über Bord und rudern aus Leibeskräften los. Sie schließen zu Mutter und Geschwistern auf und werden von ihnen ins Schlepptau genommen. Auf der nächtlichen Ostsee erreichen beide Boote bald internationale Gewässer. Vergeblich bemüht sich die Familie um Aufnahme durch ein osteuropäisches Handelsschiff.
Bis zum frühen Morgen haben die Flüchtlinge etwa 90 Kilometer zurückgelegt, 30 sind es noch bis Bornholm. Plötzlich kommen fünf DDR-Fischkutter auf die Flüchtlinge zu. Die Kutter umringen die Boote und verursachen starken Wellengang. Doch die Familie kann das Kentern verhindern. Erst als ein Kapitän droht, mit einer Leucht-Pistole Löcher in die Boote zu schießen, geben die Flüchtlinge auf.
Die Familie muss an Bord eines Kutters gehen und stellt fest, dass dieses Schiff zum DDR-Grenzregime gehört. An Land werden alle fünf festgenommen, im Stasi-Untersuchungsgefängnis in Rostock inhaftiert und später in das Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis überstellt.
Am 8. November 1982 wird die Familie vom Kreisgericht Potsdam-Stadt wegen »ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall in Tateinheit mit Verstoß gegen das Devisengesetz« verurteilt. Martin und Jürgen müssen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten hinnehmen. Thomas, Beate und Mutter Margarete werden zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Mutter und Tochter müssen ihre Strafe im Zuchthaus Hoheneck antreten, die Söhne in den Zuchthäusern Cottbus und Brandenburg.
Nach fast 14-monatiger Haft gelangt die Familie am 15. September 1983 in den Westen, freigekauft von der Bundesrepublik.
Text: Farina Münch