geboren am 29. August 1956
tödlich verunglückt am 8. März 1989
beim Absturz mit einem Ballon in Berlin-Zehlendorf
nach einem Flug über die Sektorengrenze zwischen Berlin-Pankow und Berlin-Reinickendorf
Gegen 7.30 Uhr stürzt Winfried Freudenberg über dem West-Berliner Bezirk Zehlendorf ab. Nur wenige hundert Meter weiter, bei Kleinmachnow, wäre er wieder in die DDR eingeflogen. Was genau zu dem Absturz führte, blieb bisher ungeklärt. Die West-Berliner Polizei vermutet, dass es ihm schließlich doch gelang, Gas abzulassen, so dass der Ballon sehr schnell abwärts fiel.Winfried Freudenberg, geboren am 29. August 1956 in Osterwieck im Harz, wächst in der sächsisch-anhaltinischen Gemeinde Lüttgenrode in unmittelbarer Nähe zur innerdeutschen Grenze auf. Nach einer Elektrikerlehre holt er in Abendkursen an der Kreis-Volkshochschule Halberstadt sein Abitur nach, studiert Informationstechnik in Ilmenau und schließt sein Studium als Diplom-Elektronikingenieur ab. [1] Während seiner Studienzeit lernt er die spätere Diplomchemikerin Sabine W. in einem Studentenklub kennen. Im Herbst 1988 heiratet das junge Paar, doch sie sehen für sich keine beruflichen Perspektiven in der DDR. Sie wollen nicht länger hinnehmen, dass ihnen vom Staat „Reisen, Tagungen, Forschungsmöglichkeiten und Kontakte zu Menschen in westlichen Ländern" vorenthalten werden, wie Sabine Freudenberg später erzählt. Im Grenzgebiet wohnend, direkt am Stacheldraht, „ein paar hundert Meter von einem Land entfernt, das er nie betreten durfte", habe sich der Freiheitsdrang ihres Mannes besonders ausgeprägt. [2]
Bei einem Verwandtenbesuch in der Bundesrepublik, zwei Wochen vor seiner Hochzeit, zeigt Winfried Freudenberg sich entschlossen, die DDR zu verlassen, jedoch nicht ohne seine Frau. [3] Unmittelbar nach der Hochzeit planen die beiden ihre Flucht mit einem Gasballon. Um an das nötige Erdgas zu gelangen, nimmt Winfried Freudenberg eine Arbeitsstelle beim Energiekombinat im Bereich Gasversorgung an und bezieht mit seiner Frau eine Wohnung im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. In unauffälligen Kleinmengen kauft das Ehepaar Polyäthylenfolien, wie sie für Frühbeetfenster und Zelte Verwendung finden. Im Januar 1989 beginnen die Freudenbergs aus den 13 Meter langen, zweieinhalb Meter breiten Bahnen mit einem Spezialklebeband in ihrer Wohnung eine 13 Meter hohe Ballonhülle von elf Metern Durchmesser anzufertigen, die sie mit einem Netz aus Verpackungsschnur umspannen. [4] Während der Konstruktionsphase hat Winfried Freudenberg den Kontakt zu seinen Familienangehörigen, damals zu deren Verwunderung, unterbrochen; später verstehen sie, dass er sie vor Mitwisserschaft und den damit verbundenen Repressalien schützen wollte. Im Februar hat das Ehepaar alle Vorbereitungen getroffen – und wartet täglich auf günstigen Wind.
Am Abend des 7. März weht endlich ein mäßiger Nordostwind. [5] Mit dem Trabant schaffen die Freudenbergs den Ballon nebst Ballast und allem, was sie sonst mitnehmen wollen, zu einer Reglerstation der Berliner Gasversorgung in der Nähe des S-Bahnhofs Blankenburg im Norden Ost-Berlins. Winfried Freudenberg hat auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit einen Schlüssel zu der Anlage. Gegen Mitternacht zapft er die Station an und beginnt, die Hülle mit Erdgas zu füllen. Nur langsam richtet sich der Ballon auf, doch gut eine Stunde später wird er trotz der Dunkelheit weithin sichtbar.
Die Ballonflucht wäre vermutlich gelungen, hätte in dieser Nacht nicht ein junger Arbeiter ohne festen Arbeitsplatz, der vorübergehend kellnert, gegen 1.30 Uhr Feierabend. Er ist auf dem Nachhauseweg, als er aus 500 bis 600 Metern Entfernung den Ballon sichtet. Seine Kenntnis, „daß schon mal DDR-Bürger mit einem Ballon ‚abgehauen’ sind", wie er später aussagt, veranlasst ihn, über Notruf die Volkspolizei zu alarmieren. [6]
Es ist kurz nach zwei Uhr, als ein Funkstreifenwagen vor dem Gelände der Reglerstation bremst. Der Ballon ist noch nicht ausreichend gefüllt, um zwei Personen zu tragen, befürchtet das Paar – und entscheidet, dass Winfried Freudenberg allein starten soll. Er kappt das Ankerseil und steigt in den Nachthimmel auf, wobei die Ballastbeutel Funken schlagend eine Starkstromleitung streifen, so dass in der angrenzenden Laubenkolonie der Strom ausfällt. Wegen des ausströmenden Gases wagen es die Volkspolizisten nicht, auf den Flüchtling zu schießen; sie befürchten eine Explosion. [7]
Der überstürzte Start hat unvorhersehbare Folgen. Winfried Freudenberg steigt allein viel zu schnell und höher auf, als er berechnet hatte. Die Rekonstruktion seiner tatsächlichen Flugroute lässt den Schluss zu, dass er mit etwa 20 Stundenkilometern unbemerkt die Grenze zu West-Berlin überfliegt und das Tegeler Flugfeld erreicht, wo er wahrscheinlich zu landen versucht. Die Reißleine, die den Ballon öffnen und sinken lassen soll, scheint zunächst nicht funktioniert zu haben. Er verliert Ballast oder wirft ihn als Zeichen seiner Notlage über dem Flughafen ab. Und nun steigt er noch höher. Über Tegel gerät er in eine Nordströmung, was darauf schließen lässt, dass er weit über 2.000 Meter hoch gestiegen sein muss, denn erst hier wurde in jener Nacht die andere Windrichtung wirksam. Mit gut einer halben Stunde Flug hat Winfried Freudenberg gerechnet: statt dessen ist er etliche Stunden in großer Höhe und eisiger Kälte auf einem Holzstock kauernd über dem nächtlichen Berlin unterwegs, erst in westlicher, dann in südlicher Richtung. Im Morgengrauen wird er von einem Spaziergänger hoch über dem Teufelsberg gesichtet. Der hält das Flugobjekt für einen Wetterballon.
Gegen 7.30 Uhr stürzt Winfried Freudenberg über dem West-Berliner Bezirk Zehlendorf ab. Nur wenige hundert Meter weiter, bei Kleinmachnow, wäre er wieder in die DDR eingeflogen. Was genau zu dem Absturz führte, blieb bisher ungeklärt. Die West-Berliner Polizei vermutet, dass es ihm schließlich doch gelang, Gas abzulassen, so dass der Ballon sehr schnell abwärts fiel. Durch Windeinflüsse habe er dann noch einmal Auftrieb erhalten, wodurch eine Bremswirkung entstand, die Winfried Freudenberg aus seinen Halterungen schleuderte und zu Boden stürzen ließ. [8] Die leere Hülle des Gefährts landet im Geäst eines Baumes an der Potsdamer Chaussee, Ecke Spanische Allee. Nur wenige hundert Meter entfernt schlägt Winfried Freudenberg aus großer Höhe im Garten einer Villa auf. Fast alle Knochen sind gebrochen, kein inneres Organ ist unverletzt. Er ist sofort tot.
Als seine Frau in den frühen Morgenstunden dieses Tages die gemeinsame Wohnung am Prenzlauer Berg erreicht, wartet dort bereits die Staatssicherheit; beim Start des Ballons verlorene Papiere haben Identität und Anschrift des Ehepaares verraten. Sabine Freudenberg wird festgenommen und verhört, ein Verfahren wegen „versuchten Grenzdurchbruchs" wird gegen sie eingeleitet.
Gleichzeitig beginnt die Staatssicherheit eine umfassende Kontroll- und Überwachungsaktion gegen das gesamte Umfeld der Freudenbergs: gegen Verwandte im Osten wie im Westen, gegen Freunde, Bekannte und Kollegen aus dem Wohn- und Arbeitsbereich. Auch die Absichten westlicher Journalisten sollen ermittelt und mögliche Aktivitäten in der DDR unterbunden werden. [9] Doch der Erfolg all dieser Maßnahmen tritt hinter die Erschütterung zurück, die der Wagemut des Fluchtvorhabens und sein tödlicher Ausgang im Westen und im Osten auslöst. Nur wenige Wochen zuvor hat die DDR das Wiener KSZE-Dokument unterschrieben. Damit geht sie nicht nur die Verpflichtung ein, das Recht eines jeden auf Ausreise aus jedem Land, darunter seinem eigenen, und auf Rückkehr in sein Land uneingeschränkt zu achten, sondern dieses Recht auch gesetzlich zu garantieren und die Einhaltung dieser Verpflichtung beobachten zu lassen. [10] Alle Stasi-Maßnahmepläne können nicht verhindern, dass sich die DDR-Führung wie schon nach der Ermordung von Chris Gueffroy auch nach dem Tod von Winfried Freudenberg international auf der Anklagebank wiederfindet – und sich auch ihr Umgang mit seiner Ehefrau nicht wird verheimlichen lassen.
Das Rechtsanwaltsbüro Vogel, das Sabine Freudenberg vertritt, bringt einen möglichen Freikauf durch die Bundesregierung ins Spiel. Sie lehnt diese Überlegungen ab und wird schließlich "nur" zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Am 27. Oktober 1989 wird sie amnestiert. [11]
Am 7. April 1989 wird der Leichnam von Winfried Freudenberg von West- nach Ost-Berlin überführt, im Institut für Gerichtliche Medizin der Humboldt-Universität nachobduziert und danach eingeäschert. Winfried Freudenberg wird am 24. April 1989 unter konspirativer Absicherung der Staatssicherheit und großer Anteilnahme der Bevölkerung in Lüttgenrode beigesetzt. „Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung feindlich-negativer Aktivitäten im Zusammenhang mit der Beisetzung wurden eingeleitet. Ihre Wirksamkeit wird auch durch die Lage des Beisetzungsortes im Grenzsperrgebiet begünstigt." [12]
Derartige Beisetzungen und Begünstigungen wird es danach nicht mehr geben. Acht Monate und einen Tag vor dem Fall der Mauer ist Winfried Freudenberg ihr letztes Todesopfer in Berlin.
Im Jahr 2012 wird am Zehlendorfer Erdmann-Graeser-Weg in der Nähe seiner Absturzstelle eine Erinnerungsstele für Winfried Freudenberg eingeweiht. [13]
Text: Martin Ahrends/Udo Baron/Hans-Hermann Hertle
Bei einem Verwandtenbesuch in der Bundesrepublik, zwei Wochen vor seiner Hochzeit, zeigt Winfried Freudenberg sich entschlossen, die DDR zu verlassen, jedoch nicht ohne seine Frau. [3] Unmittelbar nach der Hochzeit planen die beiden ihre Flucht mit einem Gasballon. Um an das nötige Erdgas zu gelangen, nimmt Winfried Freudenberg eine Arbeitsstelle beim Energiekombinat im Bereich Gasversorgung an und bezieht mit seiner Frau eine Wohnung im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. In unauffälligen Kleinmengen kauft das Ehepaar Polyäthylenfolien, wie sie für Frühbeetfenster und Zelte Verwendung finden. Im Januar 1989 beginnen die Freudenbergs aus den 13 Meter langen, zweieinhalb Meter breiten Bahnen mit einem Spezialklebeband in ihrer Wohnung eine 13 Meter hohe Ballonhülle von elf Metern Durchmesser anzufertigen, die sie mit einem Netz aus Verpackungsschnur umspannen. [4] Während der Konstruktionsphase hat Winfried Freudenberg den Kontakt zu seinen Familienangehörigen, damals zu deren Verwunderung, unterbrochen; später verstehen sie, dass er sie vor Mitwisserschaft und den damit verbundenen Repressalien schützen wollte. Im Februar hat das Ehepaar alle Vorbereitungen getroffen – und wartet täglich auf günstigen Wind.
Am Abend des 7. März weht endlich ein mäßiger Nordostwind. [5] Mit dem Trabant schaffen die Freudenbergs den Ballon nebst Ballast und allem, was sie sonst mitnehmen wollen, zu einer Reglerstation der Berliner Gasversorgung in der Nähe des S-Bahnhofs Blankenburg im Norden Ost-Berlins. Winfried Freudenberg hat auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit einen Schlüssel zu der Anlage. Gegen Mitternacht zapft er die Station an und beginnt, die Hülle mit Erdgas zu füllen. Nur langsam richtet sich der Ballon auf, doch gut eine Stunde später wird er trotz der Dunkelheit weithin sichtbar.
Die Ballonflucht wäre vermutlich gelungen, hätte in dieser Nacht nicht ein junger Arbeiter ohne festen Arbeitsplatz, der vorübergehend kellnert, gegen 1.30 Uhr Feierabend. Er ist auf dem Nachhauseweg, als er aus 500 bis 600 Metern Entfernung den Ballon sichtet. Seine Kenntnis, „daß schon mal DDR-Bürger mit einem Ballon ‚abgehauen’ sind", wie er später aussagt, veranlasst ihn, über Notruf die Volkspolizei zu alarmieren. [6]
Es ist kurz nach zwei Uhr, als ein Funkstreifenwagen vor dem Gelände der Reglerstation bremst. Der Ballon ist noch nicht ausreichend gefüllt, um zwei Personen zu tragen, befürchtet das Paar – und entscheidet, dass Winfried Freudenberg allein starten soll. Er kappt das Ankerseil und steigt in den Nachthimmel auf, wobei die Ballastbeutel Funken schlagend eine Starkstromleitung streifen, so dass in der angrenzenden Laubenkolonie der Strom ausfällt. Wegen des ausströmenden Gases wagen es die Volkspolizisten nicht, auf den Flüchtling zu schießen; sie befürchten eine Explosion. [7]
Der überstürzte Start hat unvorhersehbare Folgen. Winfried Freudenberg steigt allein viel zu schnell und höher auf, als er berechnet hatte. Die Rekonstruktion seiner tatsächlichen Flugroute lässt den Schluss zu, dass er mit etwa 20 Stundenkilometern unbemerkt die Grenze zu West-Berlin überfliegt und das Tegeler Flugfeld erreicht, wo er wahrscheinlich zu landen versucht. Die Reißleine, die den Ballon öffnen und sinken lassen soll, scheint zunächst nicht funktioniert zu haben. Er verliert Ballast oder wirft ihn als Zeichen seiner Notlage über dem Flughafen ab. Und nun steigt er noch höher. Über Tegel gerät er in eine Nordströmung, was darauf schließen lässt, dass er weit über 2.000 Meter hoch gestiegen sein muss, denn erst hier wurde in jener Nacht die andere Windrichtung wirksam. Mit gut einer halben Stunde Flug hat Winfried Freudenberg gerechnet: statt dessen ist er etliche Stunden in großer Höhe und eisiger Kälte auf einem Holzstock kauernd über dem nächtlichen Berlin unterwegs, erst in westlicher, dann in südlicher Richtung. Im Morgengrauen wird er von einem Spaziergänger hoch über dem Teufelsberg gesichtet. Der hält das Flugobjekt für einen Wetterballon.
Gegen 7.30 Uhr stürzt Winfried Freudenberg über dem West-Berliner Bezirk Zehlendorf ab. Nur wenige hundert Meter weiter, bei Kleinmachnow, wäre er wieder in die DDR eingeflogen. Was genau zu dem Absturz führte, blieb bisher ungeklärt. Die West-Berliner Polizei vermutet, dass es ihm schließlich doch gelang, Gas abzulassen, so dass der Ballon sehr schnell abwärts fiel. Durch Windeinflüsse habe er dann noch einmal Auftrieb erhalten, wodurch eine Bremswirkung entstand, die Winfried Freudenberg aus seinen Halterungen schleuderte und zu Boden stürzen ließ. [8] Die leere Hülle des Gefährts landet im Geäst eines Baumes an der Potsdamer Chaussee, Ecke Spanische Allee. Nur wenige hundert Meter entfernt schlägt Winfried Freudenberg aus großer Höhe im Garten einer Villa auf. Fast alle Knochen sind gebrochen, kein inneres Organ ist unverletzt. Er ist sofort tot.
Als seine Frau in den frühen Morgenstunden dieses Tages die gemeinsame Wohnung am Prenzlauer Berg erreicht, wartet dort bereits die Staatssicherheit; beim Start des Ballons verlorene Papiere haben Identität und Anschrift des Ehepaares verraten. Sabine Freudenberg wird festgenommen und verhört, ein Verfahren wegen „versuchten Grenzdurchbruchs" wird gegen sie eingeleitet.
Gleichzeitig beginnt die Staatssicherheit eine umfassende Kontroll- und Überwachungsaktion gegen das gesamte Umfeld der Freudenbergs: gegen Verwandte im Osten wie im Westen, gegen Freunde, Bekannte und Kollegen aus dem Wohn- und Arbeitsbereich. Auch die Absichten westlicher Journalisten sollen ermittelt und mögliche Aktivitäten in der DDR unterbunden werden. [9] Doch der Erfolg all dieser Maßnahmen tritt hinter die Erschütterung zurück, die der Wagemut des Fluchtvorhabens und sein tödlicher Ausgang im Westen und im Osten auslöst. Nur wenige Wochen zuvor hat die DDR das Wiener KSZE-Dokument unterschrieben. Damit geht sie nicht nur die Verpflichtung ein, das Recht eines jeden auf Ausreise aus jedem Land, darunter seinem eigenen, und auf Rückkehr in sein Land uneingeschränkt zu achten, sondern dieses Recht auch gesetzlich zu garantieren und die Einhaltung dieser Verpflichtung beobachten zu lassen. [10] Alle Stasi-Maßnahmepläne können nicht verhindern, dass sich die DDR-Führung wie schon nach der Ermordung von Chris Gueffroy auch nach dem Tod von Winfried Freudenberg international auf der Anklagebank wiederfindet – und sich auch ihr Umgang mit seiner Ehefrau nicht wird verheimlichen lassen.
Das Rechtsanwaltsbüro Vogel, das Sabine Freudenberg vertritt, bringt einen möglichen Freikauf durch die Bundesregierung ins Spiel. Sie lehnt diese Überlegungen ab und wird schließlich "nur" zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Am 27. Oktober 1989 wird sie amnestiert. [11]
Am 7. April 1989 wird der Leichnam von Winfried Freudenberg von West- nach Ost-Berlin überführt, im Institut für Gerichtliche Medizin der Humboldt-Universität nachobduziert und danach eingeäschert. Winfried Freudenberg wird am 24. April 1989 unter konspirativer Absicherung der Staatssicherheit und großer Anteilnahme der Bevölkerung in Lüttgenrode beigesetzt. „Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung feindlich-negativer Aktivitäten im Zusammenhang mit der Beisetzung wurden eingeleitet. Ihre Wirksamkeit wird auch durch die Lage des Beisetzungsortes im Grenzsperrgebiet begünstigt." [12]
Derartige Beisetzungen und Begünstigungen wird es danach nicht mehr geben. Acht Monate und einen Tag vor dem Fall der Mauer ist Winfried Freudenberg ihr letztes Todesopfer in Berlin.
Im Jahr 2012 wird am Zehlendorfer Erdmann-Graeser-Weg in der Nähe seiner Absturzstelle eine Erinnerungsstele für Winfried Freudenberg eingeweiht. [13]
Text: Martin Ahrends/Udo Baron/Hans-Hermann Hertle
[1]
Vgl. den handgeschriebenen Lebenslauf von Winfried Freudenberg vom 20.6.1983, in: BStU, Ast. Berlin, AU 5302/89, Bd. 1, Bl. 169.
[2]
Zit. nach: Ursula von Bentheim, Mit dem Wind in den Tod, in: Berliner Morgenpost, 14.4. (Teil 1), 15.4. (Teil 2) und 18.4.1990 (Teil 3), hier Teil 2.
[3]
Vgl. Bericht der West-Berliner Polizei, 14.3.1989, in: StA Berlin, Az. 6 AR 162/91, Bd. 2, Bl. 90-91.
[4]
Vgl. Erklärung zur Herstellung eines Ballons, 9.3.1989, in: BStU, Ast. Berlin, AU 3901/89, Bl. 221; siehe auch: Information Nr. 111/89 des MfS-ZAIG an Erich Honecker u.a. über das ungesetzliche Verlassen der DDR durch eine männliche Person mittels Gasballon nach Westberlin am 8. März 1989, 9.3.1989 [von Erich Honecker abgezeichnet], in: BStU, MfS, ZAIG Nr. 3745, Bl. 1-5.
[5]
Vgl. zum Folgenden die dreiteilige Serie von Ursula von Bentheim, Mit dem Wind in den Tod, in: Berliner Morgenpost, 14.4., 15.4. und 18.4.1990, sowie Hans Michael Kloth, Sterben bis zum Schluss, in: Der Spiegel Nr. 32, 6.8.2001, S. 74-75.
[6]
Vgl. Zeugen-Vernehmungsprotokoll des Passanten durch die BVfS Berlin, 13.3.1989, in: BStU, Ast. Berlin, AOP 5119/89, Bd. 1, Bl. 81-83, Zitat Bl. 82; siehe auch das Zeugen-Vernehmungsprotokoll des Passanten durch die Ost-Berliner Volkspolizei, 8.3.1989, in: BStU, Ast. Berlin, AU 3901/89, Bd. 2, Bl. 3-5.
[7]
Zeugen-Vernehmungsprotokoll eines beteiligten Volkspolizisten der VPI Pankow durch die Ost-Berliner Volkspolizei, 8.3.1989, in: BStU, Ast. Berlin, AU 3901/89, Bd. 2, Bl. 10-12, hier Bl. 12; siehe auch: Eröffnungsbericht der BVfS Berlin/Abteilung VII zum Operativen Vorgang „Regler", 10.3.1989, in: BStU, Ast. Berlin, AOP 5119/89, Bd. 1, Bl. 7.
[8]
Vgl. Bericht der West-Berliner Polizei, 14.3.1989, in: StA Berlin, Az. 6 AR 162/91, Bd. 2, Bl. 95-103; Berliner Morgenpost, 10.3.1989.
[9]
Operativplan der BVfS Berlin/Abteilung VII zum Operativen Vorgang „Regler", 14.3.1989, in: BStU, Ast. Berlin, AOP 5119/89, Bd. 1, Bl. 9-13.
[10]
Vgl. Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Abschließendes Dokument des Wiener KSZE-Folgetreffens, Wien, 15. Januar 1989, dok. in: Deutschland Archiv 4/1989, S. 467 ff.
[11]
Vgl. Berliner Morgenpost, 18.4.1990.
[12]
Vgl. MfS-Vermerk [vermutlich MfS/HA IX], 11.4.1989, in: BStU, MfS, Sekr. Neiber Nr. 498, Bl. 40.
[13]
Im Jahr 2015 haben Julian Klein, Caroline Labusch, Ulf Pankoke und Alexander Schmid den Fluchtversuch in dem Hörspiel »Der Ballon – ein deutscher Fall« dargestellt. Dazu erschien von Caroline Labusch der Band, »Ich hatte gehofft, wir können fliegen.« Die Geschichte einer tragischen Flucht im Frühling 1989, München 2019. – Siehe auch: Gerd Nowakowski, Der DDR entkommen. Flucht über den geteilten Himmel, in: Der Tagesspiegel; 8.3.2014; Julius Lukas, Flucht mit Ballon, in: Mitteldeutsche Zeitung, 5.2.2018; Michael Brettin, Der letzte Mauertote, in: Berliner Zeitung, 5.3.2019.